Deutsche TV-Formate entwickeln Potential

von | 9. November 2012

Internationale Fernsehsender beobachten zunehmend deutsche TV-Formate. Von einer maßgeblichen Stellung Deutschlands kann dennoch nicht die Rede sein: Noch immer dominieren Format-Nationen wie Großbritannien und die USA. Im Hinblick auf die […]

Auf dem internationalen Markt werden deutsche TV-Formate wie "Schillerstraße" oder die "Chart Show" immer beliebter.

Auf dem internationalen Markt werden deutsche TV-Formate wie „Schillerstraße“ oder die „Chart Show“ immer beliebter.

Internationale Fernsehsender beobachten zunehmend deutsche TV-Formate. Von einer maßgeblichen Stellung Deutschlands kann dennoch nicht die Rede sein: Noch immer dominieren Format-Nationen wie Großbritannien und die USA. Im Hinblick auf die zunehmende Internationalisierung verfügen die heimischen Medien-Gruppen aber über vielversprechendes Potential.

Sie heißen „Beat your Host“, „Sotto Casa“ oder „Juschnoje butowo“ und haben doch eines gemeinsam: Ihren deutschen Ursprung. Gemeint sind TV-Formate wie „Schlag den Raab“, „Marienhof“ oder „Schillerstraße“, die in den vergangenen Jahren für weltweiten Export deutscher Unterhaltungsproduktionen gesorgt haben. Jüngstes Beispiel: „Joko und Klaas – Das Duell um die Welt“, das TV-Produzent „Endemol“ im Oktober zur internationalen Vermarktung verkaufte.

Vorsprung der „Großen“ nur schwer wettzumachen

Trotzdem hat Deutschland noch Einiges aufzuholen, um als anerkannter Format-Entwicklungsmarkt wahrgenommen zu werden: Marktführer Großbritannien exportierte laut „FRAPA“, dem führenden Verband für Urheber von TV-Formaten, 2008 knapp 100 Formate, die USA nahmen mit 56 weltweit verkauften Titeln Platz zwei ein. Während die Niederlande auf Platz drei mit 23 international verkauften Formaten kam, teilte sich Deutschland mit Frankreich, Australien, Japan und Spanien Rang sechs mit lediglich zwölf Titeln.

„Das Label ‚Made in Germany‘ hat immer noch weltweit Bedeutung, nur im Bezug auf Fernsehen eben nicht“, erklärt Andrea Esser, Professorin für Medien und Kommunikation an der Londoner Universität „Roehampton“. Die starke Position von Großbritannien, USA und den Niederlanden lasse sich verallgemeinernd mit einem frühen Einstieg ins Formatgeschäft und frühen Erfolgen, wie zum Beispiel „Big Brother“ oder „Who Wants To Be A Millionaire?“ erklären. Dadurch sei das Augenmerk der üblichen Handelspartner und der ganzen Welt auf die Produzenten dieser Länder gerichtet worden, so die Professorin.

Zudem bestehen in den führenden Exportnationen vorteilhafte Distributionsstrukturen und Rahmenbedingungen. In Großbritannien wurden beispielsweise 2004 sogenannte „New Terms of Trade“ eingeführt. Diese erlauben es britischen Produzenten, die Rechte an ihrem geistigen Eigentum zu behalten. „Das förderte kleine britische Produzenten wie ‚RDF‘ oder ‚Shed Media‘, die sich mittlerweile zu Formatriesen entwickelt haben“, erläutert Esser.

Deutschen Produzenten fehle dieser Vorteil, da sie die Rechte an einer Entwicklung komplett an den Rundfunkveranstalter abgeben müssten. „So bestand hier kein Anreiz für den internationalen Markt zu produzieren“, resümiert sie.

Schwieriges Verhältnis zu Unterhaltungs-Formaten in Deutschland

Laut RTL-Sprecher Konstantin von Stechow hatte auch die deutsche Gesellschaft großen Einfluss auf den TV-Markt: „Dass wir noch nicht so erfolgreich sind wie andere Territorien, liegt sicher mit darin begründet, dass es in Deutschland lange Zeit ein verkrampftes Verhältnis zum TV als Unterhaltungsmedium und der Entertainmentindustrie im Allgemeinen gab.“ Als andere Länder längst begriffen hätten, dass dies ein relevanter wirtschaftlicher Sektor sei und TV-Unterhaltung nicht zwingend den kulturellen Untergang herbeiführe, hätten die Deutschen weiterhin über die negativen gesellschaftlichen Einflüsse von Entertainment-TV diskutiert. „Diese gesellschaftliche DNA-Last zu überwinden, braucht Zeit und Investitionen“, meint von Stechow.

Sender verlassen sich auf bewährte Formate

Ein weiteres Hindernis: Die geringe Risikobereitschaft deutscher Sender. „In den letzten Jahren sind relativ wenig in Deutschland entwickelte Programme Publikumserfolge gewesen, ganz im Gegenteil. Viele aufwendige einheimische Produktionen sind sogar gefloppt“, weiß Medien-Professorin Esser. Die Formate der RTL-Tochter „Fremantle Media“ mit Sitz in London würden dagegen seit vielen Jahren ganz außergewöhnliche Zuschauerraten erzielen, darunter „Das Supertalent“, „Deutschland sucht den Superstar“, „Bauer sucht Frau“ oder „Ich bin ein Star – holt mich hier raus“. Das bestärkte die deutschen Rundfunkveranstalter und insbesondere RTL an erfolgsgetesteten ausländischen Formaten festzuhalten. Aus Sicht des RTL-Sprechers wird sich dieser Umstand in Zukunft auch nicht ändern: „Der Import von internationalen Formaten wird in Deutschland in den nächsten Jahren sicher weiter über dem Export liegen.“

Deutschland als aufstrebendes Format-Land

Esser sieht die künftige Entwicklung am deutschen Format-Markt allerdings optimistisch: „‘Red Arrow International‘, der bedeutendste Formathändler im deutschen Markt, holt im Vergleich zu anderen Ländern weiterhin auf.“ Die Gruppe habe – wie es für dieses Geschäft sinnvoll sei – eine internationale Ausrichtung. Das Unternehmen konzentriert sich dabei auf den Vertrieb von Formaten, die in unterschiedlichen Ländern entwickelt und getestet worden sind, inklusive Deutschland.

Seit Jahren sei ein Konsolidierungsprozess im Gange, für den Deutschland aber einige wichtige Voraussetzungen erfülle: Mit ProSiebenSat.1 und RTL sind hierzulande die zwei größten europäischen Rundfunkveranstalter vertreten. „Beide Unternehmen haben die nötige Finanzkraft, aufwendige Programme zu entwickeln, erfolgreiche kleinere internationale Produktionsfirmen aufzukaufen, sowie ihre Programme international zu vermarkten“, ist sich Esser sicher. „Das Formatgeschäft ist ein internationales, kein nationales“, betont die Professorin.

Text: Fabian Warzecha. Bild: flickr.com, Wikipedia, Fotograf: Susan E Adams, Bearbeitung: Nathalie Gersch.

<h3>Fabian Warzecha</h3>

Fabian Warzecha