Tablet im Bett, Kindle in der Wanne, Smartphone unterwegs – der „Printkosmos“ ist im Wandel. Regelmäßig erreichen uns Nachrichten von zurückgehenden Auflagenzahlen und insolventen Druckereien. Doch ist Print wirklich nur ein Überbleibsel vergangener Zeit?
Neben den schwindenden Zeitungs- und Zeitschriftenauflagen regt sich seit einiger Zeit eine Gegenöffentlichkeit. Absolute Vorreiter der „Papierliebhaber-Bewegung“ sind dabei Gartenzeitschriften wie „Landlust“, „LandIDEE“, „mein schönes Land“ und die beiden Lifestyle-Magazine „happinez“ und „flow“. Es scheint fast, als wäre sie verschont von Anzeigen-Krise und Auflagenrückgang. Doch was macht diese Zeitschriften so anders?
Die Themen dieser Magazine drehen sich rund um Genuss, Entschleunigung, authentische und emotionale Erlebnisse – Papier, das verheißungsvoll raschelt, passt scheinbar ideal in das Konzept. Faktenreiche Nachrichten finden sich dabei selten, die Inhalte versprechen lediglich ein schöneres Leben außerhalb der Arbeit und stressigem Alltag.
Am Beispiel des flow-Magazins lässt sich dieser Trend gut verfolgen: Erfunden wurde die flow in den Niederlanden, wo sie seit 2008 erfolgreich auf dem Markt ist. Gruner + Jahr ist der erste deutsche Lizenznehmer der Idee.
Was online nicht funktioniert
Bereits beim Aufschlagen kann der Leser seinen Namen in ein kleines vorgedrucktes Feld eintragen, was das Magazin persönlicher macht. Die „Do-It-Yourself-Bastelbögen“ sollen motivieren mit dem Papier zu „arbeiten“ – es schafft Möglichkeiten, die ein E-Paper nicht imitieren kann. Im Redaktionskonzept heißt es:
flow bietet Inspiration, Einblicke und positive Denkanstöße und steht für bewusstes Leben mit Aufmerksamkeit für den Moment. flow ist das Magazin für gebildete, kreative und neugierige Frauen. Es beschäftigt sich nicht mit schnelllebigen Trends, sondern mit Themen, die der Leserin wichtig sind.
Die erste Auflage im November 2013 startete mit 55.000 Heften, die dritte Ausgabe umfasste bereits 125.000 Exemplare mehr. 2014 erschien das Magazin jeden zweiten Monat, die sechste Ausgabe nun schon mit 220.000 Exemplaren. Ab 2015 sollen es acht Hefte jährlich sein.
Und während SPIEGEL ONLINE-Redakteur Sebastian Hammelehle das Konzept noch kritisiert, meint er jedoch, den Grund des Erfolges erfasst zu haben:
“ ‚flow‘ wirkt, als wolle die kleine Redaktion das ‚Landlust‘-Modell für Latte-Macchiato-Mädchen fortschreiben. ‚flow‘ ist viel urbaner als das Landfrauenblatt – letztlich aber genauso provinziell: Bloß keine echten Nachrichten, sondern die heile Welt in ihrer ganzen Banalität.“
Ob der „Heile-Welt-Content“ nun gut ist oder zu provinziell – die Nachfrage ist offenbar groß. Der Alltag wird immer digitaler, schneller, wird bestimmt von tausenden Informationen, die uns täglich über unsere mobilen digitalen Geräte überall erreichen. Entsprechend emotionalen Content primär auf Papier zu verbreiten und die Zielgruppe so nicht an mobile Endgeräte zu zwingen, scheint also ein stimmiges Gesamtkonzept zu sein, wie die Auflagenzahlen bestätigen.
Ganz ohne Social Media und E-Paper geht es trotzdem nicht – das sagt Stephan Scherzer, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger, im Interview mit Werben & Verkaufen:
„Print versus Digital, das sind die Schlachten von gestern. Es zählen die Produkte, hervorragend gemachte journalistische Inhalte, die auf den für die jeweilige Zielgruppe richtigen Wegen die Leser und Kunden erreichen. Schwarz-Weiß-Denken ist out.“
Im Fall der oben genannten Magazine liegen die Prämissen und Stärken im Bereich der gedruckten Auflagen. Die flow-Website mit ihrem kleinen Online-Shop wirkt neben der Printausgabe drastisch reduziert, facebook- und Instagramauftritt beschränken sich nahezu auf bebilderte Zitate. Doch das E-Commerce-Geschäft funktioniert: Neben den einzelnen Ausgaben und Sonderheften der „flow“ gibt es im „flow“-Stil Terminkalender, Taschen und Ähnliches, einiges davon bereits ausverkauft.
Der Erfolg dieser Special-Interest-Magazine liegt also nicht nur darin, emotionalen Content fernab von faktenreichen Nachrichten in Papierform zu publizieren. Sie verbinden die Annehmlichkeiten des technologischen Fortschritts und bieten der Zielgruppe dennoch die Möglichkeit, der Digitalisierung mit ihren Magazinen für eine Weile zu entfliehen.
Text: Magda Lehnert. Beitragsbild und Bearbeitung: Magda Lehnert.