Auto-Awards durch Leserumfragen – Ein Merkmal für Qualität?

von | 2. April 2014

In der Automobilbranche gibt es sie in aller Vielfalt: Auszeichnungen von Automarken, die von der Leserschaft diverser Magazine „verliehen“ werden. Doch haben die Ergebnisse dieser Umfragen einen Mehrwert für Autokäufer? […]

In der Automobilbranche gibt es sie in aller Vielfalt: Auszeichnungen von Automarken, die von der Leserschaft diverser Magazine „verliehen“ werden. Doch haben die Ergebnisse dieser Umfragen einen Mehrwert für Autokäufer? Wie viel Aussagekraft haben diese über ein Produkt im Vergleich zu einer effektiven Qualitätssicherung einer unabhängigen Prüfstelle?

Eigentlich möchte man meinen, Auszeichnungen, die auf Leserumfragen basieren, dürften in der Qualitätsbewertung eines Produktes keine überwiegend große Rolle spielen. Und doch rücken sogenannte Auto-Awards wie der „Gelbe Engel“ oder das „Goldene Lenkrad“ immer wieder in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Branche.

Der „ADAC“ hat die Ergebnisse des von ihm verliehen Autopreises „Gelber Engel“ sogar verfälscht, und das seit mehreren Jahren. Manipuliert wurden nicht nur die Teilnahmerzahlen, sondern auch die Rangfolge der Fahrzeuge. Doch welche Vorteile verspricht sich der „ADAC“ von solchen Zahlenmanipulationen, die es für ihn lohnend machen, sich diesem Risiko auszusetzen? Wieso wird überhaupt das „Publikum“ befragt?

Eine Frage der Popularität?

Dass die Endverbraucher beziehungsweise Konsumenten selbst die Vergabe eines Preises bestimmen können, ist heutzutage keine Seltenheit: In der Musik- und Filmbranche gibt es einige Auszeichnungen, die nur anhand von Publikumsumfragen verliehen werden. Im Vergleich zu den Preisen, die eine festgelegte Jury vergibt, wird diesen jedoch in der Regel ein niedrigerer Stellenwert zugeteilt. Dass solche Publikumsumfragen rein subjektiver Natur sind und daher keine objektiven Ergebnisse erzielen, erklärt sich von selbst. Da diese Auszeichnungen aber prinzipiell ohnehin ein Anzeichen für die Beliebtheit eines Kunstschaffenden oder Werkes sind, ist dies auch gar nicht anders möglich. Denn Beliebtheit lässt sich nicht objektiv messen.

Würde man die Auszeichnungen der Autobranche an den am meisten verbreiteten und verkauften Automarken festmachen, so müsste man nur einen Blick in die amtlichen Zulassungsstatistiken werfen. Ein solcher Preis wäre allenfalls mit einer „Goldenen Schallplatte“ vergleichbar − nicht aber mit einem Publikumspreis, in dem die Endverbraucher selbst eine Stimme haben. Will man also die „beliebteste“ Marke ermitteln, fragt man einfach direkt bei den Nutzern. Die Aussagekraft über die Qualität eines Produktes bleibt bei einer solchen Auszeichnung allerdings auf der Strecke − besonders, wenn bei den Zahlen noch extra geschummelt wird.

Keine Frage der Qualität

Jegliche Authentizität geht natürlich verloren, wenn die Gewinner einer Leserumfrage gleich als die „besten Autos“ betitelt werden, wie es bei der jährlichen Leserumfrage „Best Cars“ der Automobilzeitschrift „auto motor und sport“ der Fall ist. Die Leser wählen dort aus einer Vielzahl an Automodellen jene aus, die ihnen am meisten zusagen − auch wenn sie selbst diese Fahrzeuge noch nie gefahren oder zu Gesicht bekommen haben. Die in dieser Befragung ermittelten vorderen Plätze als die besten Autos zu bezeichnen, ist mehr als fragwürdig.

Drastischer sind natürlich die Fälle, bei denen die Ergebnisse solcher Umfragen noch nachträglich etwas „korrigiert“ wurden. So gab der damalig oberste Pressesprecher und Chefredakteur der „ADAC“-Mitgliederzeitung „Motorwelt“, Michael Ramstetter, diesen Januar zu, bei der Leserwahl zum „Lieblingsauto der Deutschen“ falsche Stimmzahlen veröffentlicht zu haben. Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte dabei schon im Vorfeld vermutet, dass bei den Angaben des „ADAC“ nachgeholfen wurde. Statt der angegeben 290.000 sollen sich laut der „Süddeutschen Zeitung“ nur 76.000 Leser bei der Wahl zum „Gelben Engel“ beteiligt haben. Vermutet wurde, der Automobilclub wolle mit diesen Fälschungsaktionen die Teilnehmerzahlen seiner eigenen Umfragen etwas aufhübschen, da die Ergebnisse nach Aussage des „ADAC“ für ganz Deutschland repräsentativ sein sollen. Doch weshalb auch die Rangfolge ändern?

Kein Oscar für die Autobranche

An Fällen wie diesen wird schon ersichtlich, dass man die auf Lesermeinung basierenden Autoauszeichnungen mit Vorsicht genießen sollte. Ferdinand Dudenhöffer vom „Center Automotive Research“ meinte dazu in einem Interview mit dem „Handelsblatt“:

Die Preise werden als Orientierungshilfe ganz klar überschätzt und sollten nicht der Maßstab für Käufer sein. So etwas wie den Oscar, der ja fast unsterblich macht, gibt es im Bereich der Automobile nicht.

Und doch wird das „Goldene Lenkrad“ gemeinhin oft als „Auto-Oscar“ bezeichnet. Immerhin werden die Empfänger des Preises nicht ausschließlich anhand von Lesermeinungen bestimmt, sondern auch durch eine „unabhängige Jury aus Autoexperten, Rennfahrern und Promineten“, welche aus der Vorauswahl der Leser die Gewinner küren. Welche besondere Qualifikationen und Kenntnisse dabei Prominente wie Barbara Schöneberger oder Thomas Gottschalk auszeichnen, um bei der Verleihung eines Autopreises in der Jury sitzen zu dürfen, dürften sich diese dabei wohl selber nur schwer erklären können.

Verliehen wird das „Goldene Lenkrad“ von der „Bild am Sonntag“ in Kooperation mit der „Auto Bild“. So unabhängig die gewählte Jury dabei auch behauptet zu sein – die Zeitschriften, die diese Preise vergeben, sind es sicher nicht. „Wenn Zeitschriften die Preise machen, hat das immer eine Verbindung zu den Anzeigenabteilungen“, meint Dudenhöffer weiter gegenüber dem „Handelsblatt“. Und hier wird auch langsam ersichtlich, wer den eigentlichen Nutzen aus den Leserumfragen zieht.

Der Daten-Service der Verlage

Mit der Abstimmung über einen der Auto-Preise übergibt der Leser mit dem Formular der jeweiligen Zeitschrift auch eine Menge Daten. Diese nutzen nicht nur dem Verlag, sondern auch der Autoindustrie. In einem Interview mit „Das Erste“ äußerte sich Jochen Bechtle, Geschäftsleiter der „Motor Presse“ Stuttgart wie folgt dazu:

Es ist für uns schon ein Ganzjahresprojekt, weil die Kommunikationsindustrie, die Autoindustrie, aber auch die Zubehörindustrie sehr oft bei uns nachfragt, […] und dann stellen wir das als Service des Verlages zur Verfügung.

Die Autopreise besitzen für die Werbewirtschaft und die Autoindustrie also deshalb eine so große Bedeutung, weil es zum „Service der Verlage“ gehört, die darin ermittelten Daten der Teilnehmer weiterzureichen. Die Autohersteller können Werbung für ihre Modelle machen und der Verlag kann viel Geld für die auf genauen Leserdaten basierenden Anzeigenplätze kassieren. Eine „Win-Win“-Situation also − außer für den Leser. Denn das Beispiel des „ADAC“ zeigt, dass er nicht einmal sicher sein kann, dass die veröffentlichten Umfrageergebnisse überhaupt der Wahrheit entsprechen.

Dies kann vor allem dann passieren, wenn die Autohersteller die Verlage auch noch regelrecht dazu drängen, deren Produkte in einem möglichst guten Licht zu präsentieren. Dudenhöffer meinte dazu weiter gegenüber dem „Handelsblatt“: „Natürlich gibt es Druck der Anzeigenkunden, wenn deren Produkte nicht fortwährend gut abschneiden. Das weiß ich von manchen Zeitschriften. […] Sie [Die Autopreise] helfen, die Marke aufzubauen und sie zu stärken.“ Laut Dudenhöffer käme es umgekehrt sogar zu Fällen, in denen die Verlage durch ihre Preisverleihung gezielt in der Werbung der Autohersteller auftauchen wollen. Im Interesse des Lesers ist an dieser Stelle gar nichts mehr.

Der fehlende Mehrwert

Die „Auto-Awards“ sind also nichts als reines Marketing. Von Bedeutung sind sie nur für die Autohersteller und Verlage, die diese Auszeichnungen ins Leben gerufen haben. Ein Urteil für Qualität in jeglicher Art sind diese Preise in keinem Fall − selbst dann nicht, wenn die Zahlen nicht manipuliert wurden und tatsächlich ein repräsentatives Bild der Meinung der Leser widerspiegeln.

Wer sich ein Auto zulegen möchte, ist sicherlich gut beraten, sich nach den eigenen Bedürfnissen zu richten und keinen Wert auf die selbst-betitelten „Auto-Oscars“ zu legen. Denn nur weil ein Film einen Oscar gewonnen hat, heißt das noch lange nicht, dass er für jeden das Richtige ist.

Text: Tim Bergelt. Grafik: Kristin Jacob. Quellen: www.pixelio.de, Fotograf: Jorma Bork; www.all-free-download.com; www.wikimedia.org

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Tim Bergelt

Redakteur