Das Studium – ein neuer Lebensabschnitt, der mit großen Veränderungen verbunden sein kann. Für die meisten vielleicht sogar zu groß. Plötzlich stehen die Prüfungen an, aber gleichzeitig wird der Geldbeutel immer leerer und man muss arbeiten gehen. Einige wollen extrem gute Noten in sehr anspruchsvollen Modulen. Dieser Spagat gelingt nicht allen, das zeigt auch der Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse. Jede*r Dritte deutsche Studierende ist Burnout-gefährdet.
Zahl der gestressten Studierenden fast verdoppelt
Der Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse zeigt, dass sich der subjektive Gesundheitszustand Studierender seit der Corona-Pandemie stark verschlechtert hat. Der Anteil der häufig Gestressten hat sich seit 2015 fast verdoppelt. 68 Prozent der Studierenden gaben an, in den letzten zwölf Monaten durch Stress erschöpft gewesen zu sein. Mehr als ein Drittel der Befragten war ziemlich oder sehr hoch emotional erschöpft.
Studierende in den Studiengängen der Sprach- und Kulturwissenschaften sind am meisten von emotionaler Erschöpfung betroffen, danach folgen die Rechtswissenschaften. Platz drei teilen sich Geistes- und Sozialwissenschaften und Pädagogik sowie die Fachbereiche der Medizin, Gesundheitswissenschaften und Psychologie. Weiterhin berichten mehr Frauen von emotionaler Erschöpfung als Männer.
Die Ursachen von Stress und Druck im Studium
Laut Gesundheitsreport sind die häufigsten Ursachen Prüfungen, Mehrfachbelastungen durch Nebenjobs, die Angst vor schlechten Noten sowie zu schwieriger und umfangreicher Lernstoff. Auch finanzielle Sorgen stellen eine Belastung dar, im Jahr 2021 waren sogar 37 Prozent der Studenten armutsgefährdet. Studierende führen ein Privatleben und benötigen Freizeit für Hobbys und Freunde. Die zeitliche Vereinbarkeit und die gleichzeitig hohen eigenen Erwartungen an gute Noten zählen laut einer Studie der Uni Heidelberg ebenfalls zu häufigen Ursachen.
Silke Müller ist Diplom-Psychologin und arbeitet am dpg-Institut Dresden für Diagnostik, Prävention und psychische Gesundheit. Sie arbeitet an mehreren Hochschulen zusammen mit Studierenden an Stressbewältigung. Auslösende Faktoren von Stress und Druck der Studierenden sieht sie ebenfalls bei Mehrfachbelastungen und Prüfungen, aber auch in Zukunftsängsten. „Für Studierende sind aufgrund ihrer Lebensphase oft Unsicherheiten präsent wie zum Beispiel: ,Wie geht es nach dem Studium weiter für mich? Finde ich etwas?’ Das sind große Fragen, die bewegen und für eine gewisse Ängstlichkeit sorgen können”, berichtet Müller.
Auch Melanie Kilger, Sozialarbeiterin im Team der Sozialkontaktstelle der Hochschule Mittweida, meint, die Ursachen von Stress und Druck im Studium seien vielfältig. „Zum einen ist der Beginn eines Studiums für viele Studierende ein neuer Lebensabschnitt, der mit großen Veränderungen verbunden ist. Zum anderen steht das Streben im Vordergrund, das Studium innerhalb der vorgeschriebenen Regelstudienzeit abzuschließen. Darüber hinaus mangelt es den Studierenden oft an effektivem Struktur- und Zeitmanagement“, so Kilger.
Auch die Corona-Pandemie zieht ihre Nachwirkungen mit sich. 35 Prozent der Studierenden geben im Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse an, dass sie sich durch die Folgen der Pandemie belastet fühlen. Kilger erklärt, dass Druck und Stress im Studium auch schon vor der Corona-Pandemie präsent gewesen seien. „Für die Jahrgänge 2022/23 ist die Situation jedoch besonders schwierig, da sie hauptsächlich ,Homeschooling’ gewohnt sind und sich nun an die Präsenzlehre anpassen müssen.”
Von Kopfschmerzen zu Angststörungen und Depressionen
Kopfschmerzen, extreme Müdigkeit oder Schlafstörungen sind erste Anzeichen von zu viel Stress. Wenn man dann keine Pausen macht, auf die ersten Symptome hört und weiterhin zu viel Stress zulässt, kann das unter anderem zu einem Burnout führen.
Unter den Befragten des Gesundheitsreportes litt über die Hälfte unter Kopfschmerzen, Rückenschmerzen oder Konzentrationsstörungen, 34 Prozent sogar unter depressiven Verstimmungen. „Studierende haben bisher immer zu der Bevölkerungsgruppe gehört, der es gesundheitlich überdurchschnittlich gut geht. Das hat sich geändert. Die Studie zeigt, dass die Gesundheit der Studierenden sich deutlich verschlechtert hat“, erklärte Doktor Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse. Außerdem sei der Anteil von Studierenden, die Antidepressiva verordnet bekamen, gestiegen.
Frau Altermann ist Mitarbeiterin der Hochschule Mittweida für studentisches Gesundheitsmanagement an der Fakultät Soziale Arbeit. Sie erklärt, dass unter den Folgen von zu viel Leistungsdruck und Stress auch Angststörungen, Depressionen, Burnout und Migräne zu finden seien. „Daher ist es wichtig, dass Studierende Strategien zur Stressbewältigung erlernen und anwenden, um langfristige gesundheitliche Schäden zu verhindern“, so Altermann.
Was soll man tun und was sind erste Anlaufstellen für Betroffene?
Silke Müller betont, dass es wichtig sei, auf die ersten Warnsignale zu hören. Vielen Studierenden würde es schwerfallen, überhaupt zu merken, ob der Stress zu viel ist. „Man hat ja auch ganz oft Phasen, in denen man wirklich positiven Stress erlebt, durch den man gut vorankommen kann. Aber es gibt eben irgendwann auch mal Tage, an denen man merkt: ,Ich fühle mich schlapp, ich bin müde, ich komme gar nicht mehr richtig hoch oder ich habe das ganze Wochenende eigentlich nur geschlafen.’ Das sind dann Punkte, an denen man schauen kann: ,Ist das, was ich hier gerade mache, noch so in Ordnung oder brauche ich vielleicht ein anderes Zeitschema?’”, so Müller. Die beste Anlaufstelle seien dann nahestehende Personen.
Auch laut Gesundheitsbericht der Techniker Krankenkasse bauen die meisten Studierenden Stress durch Freunde und Familie ab. Ebenfalls wird viel durch Spazierengehen, Sporttreiben oder Kochen kompensiert. Müller meint, es sei wichtig, herauszufinden, was individuell gut in den Alltag passt und durch welche Methoden man entspannen kann. Wenn man selbst jedoch Schwierigkeiten hat, für sich geeignete Praktiken zum Stressabbau zu finden, wären Krankenkassen auch ein guter Tipp, laut Müller. „Es gibt verschiedenste Angebote wie zum Beispiel Achtsamkeitstrainings, verschiedene Kurse oder auch Enspannungsapps”.
Auch an Universitäten und Hochschulen gibt es verschiedene Angebote. Dazu kommen Sozialkontaktstellen, die ebenfalls an Bildungseinrichtungen zu finden sind.
Angebote an der Hochschule Mittweida
Auch an unserer Hochschule gibt es Angebote für Studierende, die beim Umgang mit Stress und Druck und vor allem bei der Bewältigung dessen helfen sollen. Hier gibt es auch eine Sozialkontaktstelle, die als erste Anlaufstelle dient. Studierende und Beschäftigte der Hochschule können sich von verschiedenen Fachkundigen in allen Lebenssituationen beraten lassen.
Silke Müller leitet an der Hochschule Mittweida den Kurs TK-Mentaltraining „Stressfrei Studieren”, der kostenlos für Studierende zur Verfügung steht. Dabei handelt es sich um ein von der Techniker Krankenkasse entwickeltes und vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) evaluiertes, multimodales Stressbewältigungsprogramm. Dieses ist in sieben Einheiten eingeteilt, in denen sich Silke Müller mit den individuellen Sorgen und Problemen Studierender auseinandersetzt. Zu Beginn wird festgestellt, was Stress überhaupt ist und die persönlichen Stressfaktoren der Teilnehmer*innen erforscht. „Wir schauen uns an, wie unsere Gedankenwelt ist, wenn wir Stress haben, oder was wir vielleicht auch vorrangig für Gedankenmuster haben”, erklärt Müller. Danach wird sich auch in Gruppen mit individuellen Lösungsstrategien und Entspannungstechniken auseinandergesetzt. Weiterhin werden die eigenen Emotionen erforscht und auch der Umgang mit schwierigen Gefühlen besprochen. Schwerpunkt sei jedoch Zeitmanagement, laut Müller. „Es geht darum, erstmal reinzukommen in das Thema, ein bisschen intensiver mit sich selbst umzugehen, Dinge auch mal auszuprobieren und zu überlegen, ob das etwas für mich ist.”
Der Kurs von Müller ist jedoch nicht der Einzige. Weiterhin gibt es einen Stress- und Entspannungsmanagement-Kurs unter dem Motto: „Easy going durchs Studium“. Dieser wird seit März 2024 für Studierende kostenlos angeboten. Behandelt werden Themen wie Stressbewältigung im Studienalltag, mentale Stärke in Prüfungssituationen und das Stärken von Selbstregulation und Resilienz. Ziel ist es, den Studierenden Tools an die Hand zu geben, um mit verschiedensten Stresssituationen umgehen zu können.
Des Weiteren wird ein Entspannungskurs, der Körper-, Achtsamkeits- und Atemübungen beinhaltet, angeboten. Dieser kann ebenfalls kostenlos von Studierenden, aber auch Mitarbeiter*innen genutzt werden. „Das Ziel ist ein stressfreies Studium. Die Angebote werden von Studierenden gut angenommen”, erklärt Altermann.
Wichtig ist es also, seinen eigenen individuellen Umgang mit Stress zu finden und Ausgleiche zu schaffen. Laut Müller ist Stress und Leistungsdruck ein sehr persönliches Feld, da einige Menschen stressresistenter als andere sind. Jeder Mensch reagiert anders auf Stress und hat andere Ressourcen. Ein gutes soziales Umfeld sei aber für alle Studierenden ein essenziell wichtiger Punkt.
Text, Titelbild: Merle Baumgärtel