Kino

Zwischen Hype und Hilferuf: Marvel Studios kündigt Produktionsstart von Avengers Doomsday an

von | 12. Mai 2025

Marvel versucht mit diesem Film wieder ins Rampenlicht der großen Blockbuster zu rücken. Aber was hat ein Gerichtsurteil, ein kontroverser Führungswechsel und ein Studiokauf Disneys damit zu tun?

Vor einen Monat war es endlich so weit. Marvel kündigte in einem fünfeinhalbstündigen Livestream den vorläufigen Cast und den Produktionsstart des neuen Avengers-Film an. Insgesamt generierte der Livestream über seine Laufzeit mehr als 275 Millionen Aufrufe. Damit ist er das mit Abstand erfolgreichste Live-Event, dass Marvel je veranstaltete.

Der Livestream zeigte nichts weiter als alle 13 Minuten einen Set-Stuhl, auf welchen sich jeweils die Namen der Schauspieler befanden. Die Fans kennen ihre Helden ja bereits. Dazu gehörten die alten Gesichtern aus dem Marvel-Cinematic-Universe (MCU) wie zum Beispiel Anthony Mackie (spielt Sam Wilson), Letitia Wright (Shuri), Chris Hemsworth (Thor), Tom Hiddleston (Loki) und Paul Rudd (Ant-Man). Aber auch neue Gesichter stellte man vor. Darunter waren zum Beispiel die Superheldenfamilie des neuen Fantastic-Four Reboots gespielt von Pedro Pascal (Reed Richards), Vanessa Kirby (Sue Storm), Ebon Moss-Bachrach (Ben Grimm) und Joseph Quinn (Johnny Storm), die die Zuschauer schon Ende Juli dieses Jahres auf der Kinoleinwand sehen werden dürfen. Des Weiteren werden Fans ein paar bekannte Gesichter der alten X-Men zu sehen bekommen. Darunter sind Patrick Stewart (Charles Xavier), Ian McKellen (Magneto) und James Marsden (Cyclops), welche Anfang der 2000er mit der X-Men-Reihe das Superheldenkino populär gemacht haben. Auf dem letzten Stuhl befand sich sogar der Schauspieler selbst. Mit Robert Downey Jr. kehrt eines der größten Gesichter Marvels zurück.

Die Kurzfassung des Livestreams findet ihr oben im Video, Quelle: Marvel Entertainment

Aus der Insolvenz zum Erfolg

Die Verfilmungsrechte der X-Men und Fantastic-Four gehörten zum Filmstudio 20th Century Fox. Die damals in der Insolvenz stehenden Marvel Studios verkauften die Verfilmungsrechte an ihren Helden an andere Filmstudios, um sich über Wasser halten zu können. Für knapp vier Milliarden US-Dollar kaufte schlussendlich Disney 2009 die Marvel Studios inklusive der verbliebenen Superhelden. Disney erkannte das Potenzial, welches in dem noch jungen Superheldengenre steckte. Ein Jahr zuvor hatte Marvel mit dem ersten Iron Man Film einen großen Hit an den Kassen gelandet und den Startschuss für das uns heute bekannte MCU gesetzt.

Von da an setzte Marvel unter Disney neue Maßstäbe im Blockbusterkino. Allein die Avengers Filme, die dramaturgischen Höhepunkte des zusammenhängenden MCUs nahmen zusammengerechnet über sieben Milliarden US-Dollar ein. Mit insgesamt über 31 Milliarden US-Dollar an Einspielergebnissen ist das MCU das mit weitem Abstand erfolgreichste Film-Franchise aller Zeiten – und das ganz ohne die damals bei Fans bekannteren X-Men und den Fantastic-Four. Diese hatten unter 20th Century Fox eigene Superheldenuniversen bekommen. Da die Filme aber mit der Zeit immer schlechter bei den Fans ankamen und das Studio in finanziellen Schwierigkeiten steckte, kaufte Disney 2019 20th Century Fox inklusive vieler dazugehörige Tochterfirmen für 71 Milliarden US-Dollar. Seitdem gehören wieder fast alle Helden zu Marvel und Disney. Nur Spider-Man und seine Bösewichte sind noch bei Sony beheimatet.

Vom Erfolg zum Absturz

2018 war es so weit. Mit Avengers: Infinity War und ein Jahr später mit Avengers: Endgame erreichte das MCU seinen dramaturgischen und Finanziellen Höhepunkt. Millionen von Fans wollten den finalen Kampf zwischen Thanos und den Avengers sehen. Über 10 Jahre an Handlungssträngen und Figurenentwicklungen der 22 zuvor erschienenen Filme gipfelten in diesen zwei Filmen. Insgesamt konnten beide Filme über 4,7 Milliarden US-Dollar einspielen, doch von da an ging es langsam immer mehr bergab. Sowohl die Einspielergebnisse als auch die, sonst immer sehr wohlwollenden, Kritiken wurden schlechter. Den Tiefpunkt erreichte der im vorletzten Jahr erschienene The Marvels. Mit einem Budget von über 370 Millionen US-Dollar ohne Werbekosten hätte der Film mindestens 700 Millionen US-Dollar einnehmen müssen, um sich zu rentieren. Er spielte jedoch nicht mal sein Budget wieder ein. Lediglich 206 Millionen US-Dollar hatte der Film weltweit erzielen können. Ein finanzielles Desaster für Disney und Marvel. Auch die, nach den beiden Avengers-Filmen neu angekündigten, Disney+ Shows verloren zunehmend an Beliebtheit. Nicht einmal eine Million Zuschauer in den USA schalteten in den ersten fünf Tagen nach Erscheinen der ersten Folge Secret Invasion ein. Als Vergleich, das Thor und Avengers Spin-Off Loki hatte rund 2,5 Millionen Zuschauer in den ersten fünf Tagen. Die Menschen scheinen also das Interesse am MCU verloren zu haben. Aber wie kam es dazu?

Führungswechsel und daraus resultierende Entscheidungen

Kurz vor Beginn der Corona-Pandemie Anfang 2020 kündigte der damalige Disney CEO Bob Iger seinen Rücktritt an. Sein Nachfolger wurde der Chef der Disney-Vergnügungsparks Bob Chapek. Unter ihm wurden viele der noch heute erscheinenden Marvel-Projekte vorgestellt und produziert – Zu viele. Insgesamt. Um in dem neuen Captain America: Brave New World die komplette Handlung mit jeder noch so kleinen Anspielung verstehen zu können hätte man vorher mindestens 5 Filme und eine Serie schauen müssen. Wie soll man als normaler Kinogänger da mitkommen? Chapeks Plan war es, während der Pandemie den neuen Streamingdienst mit so viel Inhalt wie möglich zu füllen. Qualität war zweitrangig. Das sorgte für überarbeitete VFX-Artists, deren Überlastung sich in wirklich grauenhaften Visuellen Effekten und drohenden Streiks bemerkbar machte.

Zu einem weiteren Eklat kam es bei Black Widow, mit Scarlett Johansson in der titelgebenden Hauptrolle. Dieser erschien gleichzeitig für einen Aufpreis exklusiv auf Disney+. Das war nicht nur ein Schlag in die Magengrube für die schon während der Pandemie geschwächten Kinos, sondern auch für die Schauspielerin, die eigentlich an den potenziell höheren Kinoeinnahmen beteiligt gewesen wäre. Sie sah darin einen Vertragsbruch und verklagte Disney. Zwar konnten sich beide Seiten außergerichtlich einigen, aber gute PR für ein Franchise ist das nicht. Auch danach erschienene Filme wurden zum Teil nicht mal einen Monat nach dem Kinorelease auf Disney+ veröffentlicht.

Nach den schwachen Einschaltquoten auf Disney+, den schlechten Einspielergebnissen im Kino und anderen fragwürdigen firmenpolitischen Entscheidungen außerhalb von Marvel wurde Bob Chapek vom Aufsichtsrat Disneys 2022 entlassen. Der neue alte CEO ist seitdem wieder Bob Iger. Dieser hat selbst verkündet von nun an auf Qualität statt Quantität zu setzten. So sollen etwa nicht mehr als 3 Marvel-Filme in einem Jahr erscheinen.

Der fehlende Faden

Es fehlt dem MCU eine übergeordnete Handlung. James Gunn, der Regisseur der drei Guardians of the Galaxy Filme, dachte sich die Story mit den Infinity Steinen als übergreifende Handlung in nicht einmal anderthalb Stunden aus. Diese pitchte er an den Chef-Producer von Marvel Studios, Kevin Feige. Dennoch hat diese als übergeordnete Handlung funktioniert. Seit der Conclusio in Endgame gibt es diesen roten Faden nicht mehr. Die Geschichte war zu Ende. Thanos war besiegt, Iron Man starb den Heldentod und Captain America ging in den Ruhestand. Eine neue Geschichte musste her. Größer, bombastischer, epischer. Statt ein Universum retten zu müssen sind es nun unendlich viele. So war nach der Infinity- die Multiverse Saga geboren. Mit Kang dem Eroberer sollte im dritten Teil der Ant-Man Filme auch der neue Bösewicht vorgestellt werden. Die Multiversale Bedrohung gespielt von Jonathan Majors kam bei den Fans auch sehr gut an – Bis kurz nach Release des Filmes Missbrauchsvorwürfe gegen ihn  an die Öffentlichkeit gelangten. Man reagierte und feuerte den Schauspieler. Statt die Rolle neu zu besetzten entschied man sich aber für einen ganz neuen Bösewicht aus den Comics. Obwohl man vorher schon angekündigt hatte mehrere Projekte mit ihm veröffentlichen zu wollen. Darunter befand sich auch Avengers: The Kang Dynasty, der Ursprüngliche Titel für Avengers: Doomsday. Die dadurch entstandenen Nachdrehs und Drehbuchänderungen können ebenfalls für den dramaturgischen Qualitätsabfall der letzten Projekte verantwortlich gemacht werden. Die Zuschauer können bis jetzt nur erahnen, wie die Handlung für Doomsday aussehen wird, außer das sie irgendwas mit dem Multiversum zu tun haben wird. Schließlich spielt wie bereits erwähnt die MCU-Legende Robert Downey Jr., der noch bis Endgame Iron Man verkörperte, den Bösewicht. Dies hatte man bereits letztes Jahr im Herbst bei der San Diego Comic-Con angekündigt. Im Gefüge des Multiversums ist schließlich alles möglich. Dank der Akquisition der Rechte an den neuen Helden und dem Multiversum kann jetzt jeder alte und neue Marvel-Held als Cameo einen Auftritt haben. Einen Vorgeschmack darauf haben die Zuschauer schon in Deadpool und Wolverine und in Doctor Strange in the Multiverse of Madness bekommen. Ob das jetzt nur Nostalgie-Bait oder einfacher Fanservice ist, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Ausblick

Auch wenn sich das alles nach bösen Omen für den kommenden Film anhört. Für das Bösewicht-Problem oder die Pandemie konnte Marvel nichts. Das Problem mit zu vielen Projekten ohne Inhalt ist aber keins, was nur Marvel als Franchise hat.  Man hat mittlerweile gemerkt, dass ein Umdenken stattfinden muss. Viele Projekte, wie ein Solo-Film über den Vampirjäger Blade, wurden bis auf weiteres auf Eis   gelegt. Auch Fortsetzungen zu Eternals oder eine zweite Staffel von She-Hulk sollten wir in nächster Zeit wohl nicht erwarten. Und das ist auch gut so! Es lässt mich optimistisch auf die Zukunft blicken. Ich hoffe   Marvel hat dazu gelernt, dass weniger manchmal mehr ist und wir mit Avengers: Doomsday und dem ein Jahr später folgendem Avengers: Secret Wars ein versöhnliches Finale bekommen werden. Denn eins steht fest: Die Fans sind noch da. Mit rekordbrechenden Zuschauerzahlen bei der Ankündigung des Casts und dem milliardenhohen Einspielergebnis von Deadpool und Wolverine im letzten Jahr sind die Fans noch immer gespannt, wie es weitergeht. Auch wenn böse Zungen behaupten, dass das Zurückbringen der alten X-Men nichts weiter als ein verzweifelter Hilferuf nach Aufmerksamkeit ist. Schließlich kehren auch hinter der Leinwand mit Anthony und Joe Russo zwei Marvel-Veteranen als Regisseure zurück. Die Brüder haben schon oft bei Marvel Regie geführt. Mit Thunderbolts*, der im Moment in den Kinos läuft und sehr positive Resonanz von Fans und Kritiken bekommt oder mit vielversprechendem Trailermaterial zu Fantastic Four: First Steps, können Fans auf die Zukunft gespannt sein. Bis sich jeder schlussendlich nächstes Jahr selbst überzeugen kann. Ob Marvel dem Hype gerecht werden kann oder die Ankündigung nichts weiter als heiße Luft ist…

Text: Nils Süchting, Titelbild und Video: Marvel Studios

<h3>Nils Süchting</h3>

Nils Süchting

Geboren 2004 und studiert Medienmanagement B.A. an der Hochschule Mittweida. Arbeitet hier als Redakteur und beschäftigt sich in der Freizeit mit der globalen Filmlandschaft und Sport.