Bad News in den Medien

Mord und Todschlag

von | 9. Oktober 2018

Medien berichten viel öfter über schlechte als über gute Nachrichten. Steckt dahinter wirtschaftliches Kalkül oder ist die Welt wirklich so schlimm?

Mann stirbt bei Unfall auf der Landstraße“, „NPD hetzt gegen Flüchtlinge in Bergedorf“, „Laster bei Bologna explodiert“ – Jeden Tag aufs Neue hören und lesen wir bewusst oder unbewusst, was in der Welt vor sich geht. Meist sind es aber gerade  nur die schlechten oder schockierenden Nachrichten, die es in die Nachrichtensendungen von Radio, TV oder in die Zeitungen und Blogs schaffen.

Laut einer Forsa-Umfrage von RTL aktuell, finden fast die Hälfte der deutschen Bundesbürger die Fernsehnachrichten zu negativ. 45 Prozent der Befragten gaben an, TV-Nachrichten seien „zu problembeladen“ und 35 Prozent, dass ihnen die TV-Nachrichten sogar Angst machen. 33 Prozent sagten, beim Schauen von Nachrichtensendungen bekämen sie schlechte Laune. 

Geht es denn auch positiv?

Es gibt aber auch Medien die sich teils oder völlig von der negativen Berichterstattung abwenden. So berichtet die Bild-Zeitung am 24. Dezember eines jeden Jahres nur über positive Ereignisse und Themen. Zudem gibt es Blogs welche ausschließlich sowie ganzjährig positiv berichten. Dazu zählen unteranderem „nur-positive-nachrichten.de“ und „www.happytimes.ch“. Ebenso gibt es gedruckte Zeitungen, die sich ausschließlich den Good News widmen. So legt die italienische Tageszeitung Corriere della Sera, ihrer Ausgabe wöchentlich 40 Seiten gute Nachrichten mit dem Namen Buone Notizie bei.  Auch die ebenfalls italienische Zeitung L’Ottimista, auf Deutsch Der Optimist, mit Sitz in Rom, versorgt ihre Leser einzig und allein mit positiven Inhalten, distanziert sich jedoch weitgehend von politischen Themen und hat eine Auflage von rund 10 000 Exemplaren.

Steht es also um die Welt gar nicht so schlecht wie wir glauben?

Wenn die Medien es wollen würden, hätten sie genug Positives zu berichten – davon war der Professor für Internationale Gesundheit, Hans Gösta Rosling, der am 7. Februar 2017 verstarb, überzeugt. So gibt Rosling bekannt, dass die westlichen Menschen ins Unglück verliebt seien, dass der Zustand der Welt viel besser ist, als von den meisten angenommen und dass daran auch die Nachrichten mit ihrer Ignoranz gegenüber dem Positiven schuld sind. Bei seinen Untersuchungen kam er zu dem Ergebnis, dass sich die extreme Armut auf der Welt in den letzten 20 Jahren mehr als halbiert hat, dass bereits 80 Prozent der Weltbevölkerung lesen und schreiben können, dass die Kindersterblichkeit fast überall sinkt und dass der der Wohlstand sowie die Lebenserwartung, ebenfalls fast überall, steigt. Laut den Mitarbeitern der Stiftung Gapminder, ein gemeinnütziges Projekt, das in Stockholm sowie Schweden registriert ist und die nachhaltige globale Entwicklung fördert, sind diese Aussagen solide und lassen sich durch Zahlen der Vereinten Nationen, der Welternährungsorganisation (FAO) oder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) belegen. Doch woran liegt es dann, dass viel mehr Bad News als Good News in den Medien vertreten sind?

Gewinn durch Angst

Forscher der University of Chicago konnten belegen, dass negative Stimulationen, zum Beispiel durch schlechte Nachrichten, mehr Hirnaktivität auslösen als positive. Dies führt dazu, dass wir negativen Informationen unterbewusst mehr Gewicht geben. Ein ausgeprägtes Gefahrenbewusstsein sowie der Instinkt bedrohliche Situationen zu erkennen, war in der früheren Zeit für den Menschen überlebenswichtig. Diese Sensibilität führt dazu, dass wir zuerst die Gefahren bzw. das Schlechte und dann erst die Chancen bzw. das Positive sehen. Unternehmen in der Wirtschaft, zum Beispiel Verlage, machen sich genau diesen Gefahreninstinkt zu Nutze. Durch eine möglichst intensive Stimulation der Gefühle von Lesern durch negative Nachrichten, wird evolutionär bedingt unsere Aufmerksamkeit geweckt, was wiederum den Verkaufszahlen zu Gute kommt.

Größerer Nutzen …

Natürlich hat diese Verkaufsstrategie der Verlage auch noch andere Auswirkungen auf den Konsumenten.  Forscher der Washington State University kamen zu dem Ergebnis, dass negative Berichterstattung einen sehr viel höheren Nutzen für den einzelnen Konsumenten beherbergt als eine positive. Sie fanden heraus, dass Menschen mit Hilfe von Zeitungsartikeln versuchen, ihr Wohlbefinden zu steigern sowie Verluste oder Schäden zu vermeiden.  So versorgt eine schlechte Nachricht den Nutzer mit Informationen, wie ein negativer Vorfall oder Verlust vermieden werden kann und hat daher einen weitaus größeren Nutzen für ihn als eine positive Nachricht.

… aber schlecht für das Wohlbefinden?

Wie es scheint, kann die regelmäßige Versorgung mit schlechten Nachrichten jedoch auch negative Folgen für den Konsumenten haben: Für eine Studie des amerikanischen Radiosenders NPR in Zusammenarbeit mit der Robert Wood Johnson Stiftung und der Harvard School of Public Health wurden 2500 Amerikaner befragt. Demnach gab ein Viertel der Teilnehmer an, im letzten Monat gestresst gewesen zu sein und nannten als größte Ursache dafür den Konsum von Nachrichten. Ein Beispiel für die Auswirkungen von schlechten Nachrichten ist ein Anschlag im April 1995. Dabei detonierte eine Autobombe vor einem Kindergarten. Es starben 168 Menschen, darunter 19 Kinder. Die verschiedenen Nachrichtensender verpackten ihre News zu dem Vorfall immer sensationeller, um sich mit der Konkurrenz messen zu können. Das Ergebnis: Selbst Menschen, die kilometerweit entfernt waren, fürchteten plötzlich um ihre eigenen Kinder. Auch andere Wissenschaftler beschäftigen sich mit dem Phänomen: Nach dem Anschlag auf den Boston Marathon wurden 4500 Amerikaner nach ihrer Reaktion auf das Unglück befragt. Das überraschende Ergebnis: Wer sich nach dem Unglück sechs Stunden oder länger der Berichterstattung der Medien aussetzte, wies mehr akute Stresssymptome auf – sogar mehr als diejenigen, die sich zum Zeitpunkt der Explosion am Ort des Geschehen aufhielten.

Der Nachrichtenfaktor „Negativität“

Bei der Beantwortung der Frage, warum mehr Bad News als Good News in die Medien vertreten sind, spielen vor allem die von Johan Galtung und Mari Holmboe Ruge im Jahr 1965 herausgearbeiteten Nachrichtenfaktoren eine bedeutende Rolle. Sie beschreiben Merkmale, die für die Veröffentlichung in journalistischen Nachrichten ausgewählt werden und je nach ihrer Quantität, Intensität und Kombination den Wert einer Nachricht ausmachen. Dabei werden die Faktoren in „kulturunabhängige“ und „kulturabhängige“ unterteilt. Einer der kulturabhängigen Faktoren ist die „Negativität“. Aus ihm lässt sich schlussfolgern, dass Ereignisse die einen Konflikt, eine Kontroverse, Aggression, Zerstörung oder Tod beinhalten von den Medien mehr beachtet werden und aus diesem Grund auch eine höheren Stellenwert bei der Berichterstattung einnehmen. Auch der Konsument schenkt, evolutionär bedingt und um eventuelle Verluste oder negative Vorfälle zu vermeiden, schlechten Nachrichten mehr Aufmerksamkeit als guten. Dies wiederum spiegelt sich in den hohen Verkaufszahlen der Medien, welche Bad News verbreiten, wieder und begünstigt somit zunehmend den aktuellen Trend negativer Berichterstattung. Die Antwort auf die Frage, warum in den Medien mehr Bad News als Good News vertreten sind, lautet demnach: Weil Nachrichten, die auf Konflikt, Kontroverse, Aggression, Zerstörung oder Tod bezogen sind, stärker von den Medien sowie den Konsumenten beachtet werden.

Text: Judith Budai, Titelbild: Judith Budai
<h3>Judith Budai</h3>

Judith Budai

,geb. 1990, studiert Medienmanagement, in der Vertiefungsrichtung Media and Journalism, an der Hochschule Mittweida. Ebenso absolviert sie derzeit ein studienbegleitendes Volontariat an der Mitteldeutschen Journalistenschule. Zuvor war sie als freie Mitarbeiterin bei einer Zeitung in Heilbronn tätig und absolvierte davor verschiedene journalistische Praktika in Dresden.