BlackRock, der größte Vermögensverwalter der Welt, ist kaum bekannt und dennoch allgegenwärtig. Wie ein Spinnennetz ist der US-Konzern in nahezu allen denkbaren Wirtschaftssektoren verwoben. Vom Wohnungs- und Immobilienmarkt bis hin zu Pharmakonzernen hält BlackRock an vielen großen Unternehmen der Welt beachtliche Anteile. Die Verbindungen in der Politik reichen von Parteien über Behörden bis hin zu bekannten Regierungsvertretern.
Anna* ist 20 Jahre alt und lebt in der Nähe von Köln in einer kleinen 1-Zimmer-Wohnung. In ihrer Freizeit engagiert sie sich politisch für die SPD. Nach ihrem Studium in Mittweida hat es sie als Pharmareferentin bei der Bayer AG in die Rheinmetropole verschlagen. Um sich bald einen Traum vom Eigenheim zu erfüllen, legt sie seit ihrem zwanzigsten Lebensjahr jeden Monat einen gewissen Teil ihres Einkommens zur Seite. Einen weiteren kleinen Betrag investiert sie für ihre private Altersvorsorge, um später nicht in Altersarmut zu verfallen. Ohne es zu wissen, trifft sie in all diesen vier Lebenssituationen auf einen unsichtbaren Akteur namens BlackRock.
Kurzes Glossar mit wichtigen Begriffen; Quelle: eigene Darstellung
Wer oder was ist BlackRock?
Im Jahr 1988 startete BlackRock in New York mit gerade einmal acht Mitarbeitenden unter der Leitung des heute immer noch aktiven CEO Larry Fink und verwaltete zunächst festverzinsliche Vermögenswerte. Ihre Geschäftsidee war es, Marktführer im Bereich des Anleihen- und Risikomanagements zu werden. Mit dem Aufstieg der Exchange Traded Funds (ETF) Anfang der 1990er-Jahre begann auch BlackRocks Wachstum. Bei ETFs handelt es sich um Anteile an börsengehandelten Indexfonds, die die Werteentwicklung eines Börsenindex möglichst originalgetreu abbilden. Solche Indizes sind etwa der deutsche Aktienindex (DAX) oder der S&P 500, welcher die Werteentwicklung der 500 größten börsennotierten US-Unternehmen abbildet.
BlackRock bot nicht nur institutionellen Anlegern eine breite Produktpalette an Finanzdienstleistungen an, sondern erfüllte auch die Bedürfnisse von Privatanlegern wie Anna. Mithilfe von zugeschnittenen Anlageprodukten wie Anleihen, Aktien oder eben ETFs gibt BlackRock Anna die Möglichkeit, ihr Geld in die Hände des Vermögensverwalters zu geben.
Hätten Annas Eltern vor etwa 25 Jahren Aktienanteile im Wert von 100 Euro von BlackRock erworben, könnten sie ihrer Tochter deren Traum vom Eigenheim problemlos mitfinanzieren. Denn die Verlaufskurve der untenstehenden Grafik verdeutlicht nochmals das enorme Wachstum und die Machtstellung des New Yorker Finanzverwalters. Die Aktie startete mit einem Wert von 14 US-Dollar pro Stück und liegt nun rund 25 Jahre später bei etwa 1000 US-Dollar. Somit liegt die erzielte Rendite für eine BlackRock-Aktie seit dem Börsengang im Jahr 1999 bis heute bei über 10.000 Prozent.
Verlaufskurve der Entwicklung von BlackRock im Laufe der letzten zwei Dekaden; Quelle: eigene Darstellung auf Datenbasis von macrotrends.net und BlackRock Jahresbericht
Vermögender als ganz Deutschland
Neben seiner Rolle als Fondsmanager agiert BlackRock zusätzlich als Investor bei fast allen wichtigen börsennotierten Unternehmen in Deutschland. Bei etwa der Hälfte der 40 DAX-Unternehmen hält BlackRock mindestens fünf Prozent der Aktien, in acht dieser Konzerne fungiert es sogar als größter Aktionär. Hierzu zählen etwa Firmen wie Allianz und die Commerzbank – aber auch Annas momentaner Arbeitgeber, die Bayer AG. Globale Akteure wie etwa Microsoft, Google, Nvidia oder Apple sind ebenfalls im Portfolio des Finanzverwalters vertreten und verdeutlichen somit das gigantisch verteilte Netzwerk von BlackRock.
Die Summe der Vermögenswerte, die BlackRock zurzeit verwaltet, beläuft sich auf etwa zwölf Billionen US-Dollar. Zum Vergleich: Das Vermögen der gesamten deutschen Bevölkerung liegt in etwa bei neun Billionen Euro. Bei ersterem handelt es sich jedoch lediglich um die Summe, die der Kapitalverwalter für seine Kunden beaufsichtigt und managt.
Zahlen, Daten und Fakten zu BlackRock; Quelle: eigene Darstellung auf Datenbasis von BlackRock Jahresbericht 2024, morningstar.net, FinancialTimes, und fintel.io
Anteile von BlackRock an großen Unternehmen weltweit; Quelle: eigene Darstellung auf Datenbasis von fintel.io
Neben den zwölf Billionen US-Dollar an verwaltetem Vermögen für seine Kundschaft betreut BlackRock indirekt rund 21 Milliarden US-Dollar. Das hauseigene „Betriebssystem“ Aladdin wird von Kunden weltweit für deren Risikomanagement genutzt und schafft dadurch eine gewisse Abhängigkeit gegenüber BlackRock.
Was steckt hinter dem System Aladdin?
Früh erkannte BlackRock die Notwendigkeit der Implementierung von innovativen Technologien und den enormen Wert von Informationen in Form von Daten. Durch die Entwicklung der Analysesoftware Aladdin (Asset, Liability, Debt and Derivative Investment Network) gelang dem Unternehmen eine Innovation, die ihm ein einzigartiges USP verschaffte. Die Analyse der Finanzdaten erfolgt in Echtzeit und soll Institutionen weltweit bei ihrem Risikomanagement helfen, intelligentere und schnellere Anlageentscheidungen treffen zu lassen.
Vereinfacht gesagt kann Aladdin voraussagen, was passiert, wenn etwa der Ölpreis steigt und sich solche Änderungen auf die Werte von Aktien oder Anleihen von Unternehmen auswirken.
Informationsvideo zur Software Aladdin von BlackRock; Quelle: Neue Züricher Zeitung (NZZ)
Besonders im Zuge der Finanzkrise im Jahr 2008 galt die Analyse-Software für viele Finanzexperten und Regierungen als Retter in der Not. In dieser Phase wandte sich sogar die US-Notenbank (Federal Reserve Bank, (FED)) an BlackRock und nutzte deren Software als Entscheidungshilfe, wenn es um die Analyse der Komplexität hinter dem Finanzdesaster ging.
Die Zahlen und Fakten wirken beeindruckend, aber lassen auch gleichzeitig in einigen Kreisen Misstrauen und Zweifel aufkommen. Wie konnte sich ein einziges Unternehmen im Laufe der Zeit so eine große Machtstellung aufbauen?
Anna wagt einen Einblick hinter die Kulissen des Unternehmens und nimmt dessen Geschäftsmodell unter die Lupe. Sie kommt zu einigen überraschenden Erkenntnissen. Gerade in Bezug auf den Immobiliensektor findet sie interessante Fakten heraus, die nicht nur für Anna, sondern auch für alle anderen Bundesbürger von Bedeutung sein könnten.
Wem gehört dein Zuhause wirklich?
Der deutsche Wohnungsmarkt ist seit Jahren von stetig steigenden Mietpreisen betroffen. In Großstädten wie Hamburg, München oder Berlin sind die Kosten für eine Wohnung massiv gestiegen. In der bayerischen Landeshauptstadt ist der Mietspiegel in den letzten vier Jahren um etwa 30 Prozent auf etwa 15 Euro pro Quadratmeter gestiegen. Nur was hat BlackRock mit den deutschen Mietpreisen zu tun? Das Unternehmen hält an allen im DAX notierten Unternehmen Aktienanteile. Erweitert man jedoch den Blick außerhalb des bedeutendsten deutschen Aktienindex (DAX) auf weitere deutsche Unternehmen, an denen BlackRock Anteilseigner ist, wird schnell deutlich, dass der Kapitalverwalter auf dem deutschen Immobilienmarkt ebenfalls aktiv ist.
Zwischen sieben und acht Prozent von Vonovia, dem größten Immobilienkonzern Deutschlands, hat BlackRock in Form von Aktienfonds zurzeit inne. Vonovia verwaltet in Deutschland knapp 475.000 Wohnungen. Allein in der Hauptstadt entspricht deren Anteil am dortigen Wohnungsmarkt rund einem Drittel. Weiterhin hält BlackRock ca. zehn Prozent Anteile am größten Wohnungsunternehmen in Nordrhein-Westfalen, der Landesentwicklungsgesellschaft NRW mbH (LEG).
Übersicht der Beteiligungen an den vier größten deutschen Wohnungsanbietern; Quelle: eigene Darstellung auf Datenbasis von bundestag.de
Die Wohnungsknappheit im gesamten Bundesgebiet spielt nicht nur den Immobilienkonzernen in die Karten, sondern auch deren Aktionären. Die steigende Nachfrage nach Wohnräumen lässt die Preise in die Höhe schnellen.
Am Beispiel des Wohnungsmarkts wird deutlich, dass die Macht von BlackRock, gerade bei jungen Menschen wie Anna oder Studenten in Großstädten, spürbare Folgen hinterlässt. Letztere mussten zuletzt im Bundesdurchschnitt 479 Euro Miete für ein WG-Zimmer aufbringen, in München sogar bis zu 720 Euro. Mit durchschnittlich 13 € pro Quadratmeter bildet auch Annas Kölner Wohnung somit keine Ausnahme.
Stimmrechte und ihre Auswirkungen
Auch wenn sich BlackRock größtenteils aus dem täglichen Geschäft des Immobilienmarktes heraushält, hat das Unternehmen durch seine große Streuung von Anteilen an deutschen Immobilienkonzernen ein Stimmrecht. Dieses könnte dazu führen, dass BlackRock Einfluss auf wichtige Unternehmensentscheidungen und Preise auf dem deutschen Wohnungsmarkt nimmt. Wenn junge Menschen wie Anna beispielsweise auf Wohnungssuche sind, können auf Vorstandsebene getroffene Entscheidungen ihren Alltag unmittelbar betreffen.
Dasselbe Prinzip gilt auch in anderen Branchen, etwa im milliardenschweren Markt der Pharmaindustrie. Millionen von Menschen weltweit sind durch gesundheitliche Einschränkungen auf Medikamente angewiesen. Auch im Gesundheits- und Medikamentensektor sitzt BlackRock mit am Entscheidungstisch und kann seine Stellung nutzen, um strategische Entscheidungen und Preisentwicklungen in eine gewisse Richtung zu lenken. Zunehmende Krankenversicherungsbeiträge oder Preissteigerungen in der Apotheke wären spürbare Auswirkungen auf Menschen wie Anna.
Wie beeinflusst BlackRock den Gesundheitssektor?
Rückblickend kamen im Zuge der Corona-Krise immer wieder Firmennamen wie Moderna, Pfizer oder AstraZeneca in den Nachrichten auf. Diese Impfstoffhersteller und weitere große Pharmaunternehmen wie etwa die Bayer AG und Johnson & Johnson sind ebenfalls Teil des weltweiten Beteiligungsnetzwerks von BlackRock.
Anteile von BlackRock an deutschen Pharmaunternehmen (Stand: August 2025); Quelle: eigene Darstellung, Datenquelle Yahoo Finance & Investing.com
Die obigen Zahlen verdeutlichen nochmals die Stellung von BlackRock im Gesundheitssektor. Braucht Anna etwa ein Medikament, entscheidet am Ende nicht ihr Arzt über den Preis, sondern ein Konzern, an dem BlackRock beteiligt ist. Schaut man sich den Zeitraum der folgenden Grafik genauer an, zeigt sich eine gewisse Korrelation. Es wird deutlich, dass der Wert der BlackRock-Aktie gerade in Pandemiezeiten eine enorme Wertsteigerungen verzeichnen konnte und scheinbar ein lukratives Geschäft für den US-Konzern war.
Wert der BlackRock-Aktie im Laufe der letzten 5 Jahre mit Fokus auf die Corona-Zeit; Quelle: eigene Darstellung, Datenquelle: comdirect Aktienkurs
Durch Anteile an den großen Pharmakonzernen besitzt BlackRock neben dem Anspruch auf Dividende auch hier ein Stimmrecht. Dieses gibt ihm die Möglichkeit, Einfluss auf Preisstrategien oder Forschungsschwerpunkte der jeweiligen Anbieter zu nehmen. Gerade dort, wo es um den Zugang zu Medikamenten und somit um Menschenleben geht, wird der Konflikt zwischen Gewinnstreben und gesellschaftlicher Verantwortung deutlich. Es stellt sich die Frage, ob Konzerne wie BlackRock in solch wichtigen Lebensbereichen eine zentrale Rolle einnehmen sollten. Eine Debatte, welche sich zukünftig weiterhin verschärfen dürfte.
Wirft man einen Blick auf die Unternehmensphilosophie und Grundsätze von BlackRock, ist ein Zielkonflikt direkt erkennbar. Hohe Medikamentenpreise und ein fairer Zugang für alle Menschen stehen dem Bekenntnis des Unternehmens für Nachhaltigkeit und Verantwortung entgegen.
Ein Widerspruch, der bei Anna einen inneren Konflikt auslöst. Sie möchte Nachhaltigkeit fördern und gleichzeitig, dass Medikamente weiterhin für alle bezahlbar bleiben. Doch solche Entscheidungen werden dort getroffen, wozu sie keinen Zugang hat. In Bereichen, die die Öffentlichkeit kaum zu Gesicht bekommt, wie etwa dem politischen Einfluss von BlackRock.
Lobbyismus in höchsten Kreisen und die Rolle des Friedrich Merz
Neben den Beratungsdiensten für die amerikanische Notenbank im Zuge der Finanzkrise aus dem Jahr 2008 lassen sich noch eine Vielzahl weiterer Verbindungen von BlackRock in politische Kreise nachweisen. Bereits mehrere Male hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Dienste des Finanzverwalters aus den USA in Anspruch genommen. Beispielsweise nahm die EZB 2014 die Dienste von BlackRock für einen Banken-Stresstest in Anspruch. 39 Großbanken aus der Eurozone wurden anhand von Risikoanalysen bewertet, um potenzielle Schwächen im Bankensektor zu identifizieren. Offiziell gilt diese Beratertätigkeit als unabhängige Beobachtung und Analyse. Jedoch verschafft sich BlackRock dadurch gleichzeitig tiefe Einblicke in vertrauliche Markt- und Bankdaten.
Kreislauf des Interessenkonflikts von BlackRock; Quelle: eigene Darstellung
Dieser Umstand ist paradox, wenn man bedenkt, dass der Vermögensverwalter auch Anteile an deutschen Finanzinstituten wie der Deutschen Bank oder der Commerzbank besitzt und somit auf deren Geschäftspolitik Einfluss nehmen kann, wobei gerade die EZB als Regulator solcher Institute tätig ist.
Verflechtung zwischen Finanzsektor und Politik
Die Grenzen zwischen politischer Einflussnahme und unternehmenstypischen Interessen scheinen hier klar zu verschmelzen. Die politische Lobbyarbeit von BlackRock und des aktuellen Bundeskanzlers Friedrich Merz stehen sinnbildlich für diese Verbindung. Merz war von März 2016 bis März 2020 als Vorsitzender des Aufsichtsrats der deutschen Niederlassung von BlackRock tätig. Laut eigenen Aussagen habe er sehr gerne für BlackRock gearbeitet. Als Aufsichtsratsvorsitzender von BlackRock Deutschland erhielt er hierfür ein Jahresgehalt von knapp 125.000 Euro . Kritiker sehen in Merz‚ früherer Tätigkeit einen möglichen Interessenkonflikt zwischen Politik und Finanzsektor. Weiterhin würde er vorrangig die Interessen der wohlhabenden Schicht vertreten und nicht die der mittleren Einkommensbezieher. Dieses Spannungsfeld macht deutlich, wie eng politische Entscheidungen und die wirtschaftlichen Interessen von Finanzakteuren wie etwa BlackRock miteinander verflochten sein können.
Wenn Altersvorsorge zum Geschäft wird
Von Gesetzentwürfen, welche die Steuersätze von Besserverdienern begünstigen, bis hin zu Forderungen nach der verpflichtenden Privatisierung der Altersvorsorge in Deutschland. Merz‘ Vorschläge würden dem Vermögensverwalter aus New York City erheblich in die Karten spielen, da das Unternehmen laut eigenen Angaben etwa die Hälfte des verwalteten Kapitals für Altersvorsorgezwecke verwaltet.
Darstellung eines Verlaufs, wie BlackRock durch die Privatisierung der Rente Profit machen könnte; Quelle: eigene Darstellung
Gerade junge Menschen sorgen sich laut einer Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2025 um ihren Lebensstandard im Alter. Ein finanzielles, zweites Standbein durch eine private Altersvorsorge in Aktienfonds ist daher bei knapp zwei Dritteln der 20- bis 29-Jährigen ein aktuelles Thema. Laut einer Studie von Scalable Capital investieren knapp drei Viertel der 18- bis 26-Jährigen in ETFs. Wer ähnlich wie Anna in Deutschland für das Alter spart, landet somit oft unbemerkt beim weltweit größten Vermögensverwalter. Dies wiederum hat zur Folge, dass ein erheblicher Teil der deutschen Altersvorsorge, und auch der von Anna, in die Produkte von BlackRock fließt. Dadurch wird deren Einfluss auf Märkte und Politik weiter verstärkt.
Neben der Diskussion der Privatisierung der Altersvorsorge wird seit Mitte des Jahres 2025 im Bundestag über eine Frühstart-Rente für Kinder ab sechs Jahren debattiert. Ein kleiner Betrag soll hierbei jeden Monat vom Staat auf ein separates Konto eingezahlt werden und mit einer gewissen Rate, wie etwa 5-6 Prozent, verzinst werden. Mit der Vollendung des 18. Lebensjahres soll darüber frei verfügt werden können.
Mögliches System der geplanten Frührente für junge Menschen Beispielrechnung bei 5 % jährlicher Rendite und Reinvestition bis zum Rentenalter (ohne Inflation); Quelle: eigene Darstellung, Berechnung basierend auf Zahlen von bundestag.de
Der Gesamtverband der Versicherer bietet auf seiner Webseite einen Frühstart-Rechner an, welcher speziell für junge Menschen interessant sein dürfte. Potenzielle Sparer können sich einen groben Überblick über die langfristigen Effekte ihrer frühzeitigen Vorsorge für das Alter verschaffen.
Rentereform oder Rendite?
Unklarheit herrscht zurzeit noch über die Art der Investition dieser Summen, sprich über deren Verwaltung durch fremde Institutionen oder Unternehmen. Laut dem Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung soll das Geld in ein „individuelles, kapitalgedecktes und privatwirtschaftlich organisiertes Altersvorsorgedepot“ investiert werden. Würde Anna nun etwa ihr erspartes Geld in einen ETF-Sparplan von BlackRock anlegen, kommt dies dem Vermögensverwalter wiederum zugute. Denn mit ihrer hauseigenen Marke „iShares“ und einem Marktanteil von mehr als 40 Prozent weltweit ist BlackRock führend in Sachen börsengehandelter Fonds wie ETFs. Kunden erhalten ein unkompliziertes Standardangebot von gebündelten, börsengehandelten Aktien und können darin ihr Erspartes investieren. Die Gelder dieser Pakete fließen laut BlackRock in Aktien, die die Interessen der Kunden widerspiegeln sollen. Diese können als Ziel das Thema Nachhaltigkeit betreffen, eine gezielte Investition in bestimmte Branchen beabsichtigen oder auch einfach nur dazu dienen, die Streuung des Anlagerisikos zu minimieren.
Nachhaltigkeit auf dem Prüfstand
Wenn es jedoch um das Versprechen von Investitionen in nachhaltige Produkte geht, scheint es BlackRock mit diesem nicht allzu ernst zu meinen.
Anna verfolgt mit ihrem ETF-Sparplan das Ziel, möglichst nachhaltig zu investieren. Tatsächlich fließt ihr Geld jedoch in Wertpapiere von Shell oder Exxon Mobile, die nachweislich den Ausbau fossiler Energien fördern. Somit investiert Anna unwillentlich und unbewusst ihr Erspartes in Aktienpakete, die nicht ihrem eigentlichen Interesse von Nachhaltigkeit entsprechen. Auf Anfrage bei der Umweltorganisation urgewald, welche 2024 zwei tiefgreifende Analysen von Fonds auf dem europäischen Markt zum Thema Greenwashing durchgeführt hat, betonte die Organisation, dass BlackRock hierbei eher schlecht abgeschnitten habe.
„Wir sehen Fonds, die nach außen hin Nachhaltigkeit suggerieren, diese aber in ihrer Investmentpraxis nicht erfüllen“, erklärte urgewald auf Anfrage. „Mit Stand August 2024 fanden wir bei BlackRock-Fonds mit unklaren Nachhaltigkeitsansprüchen rund 8,3 Milliarden Euro an Investitionen in Kohle-, Öl- und Gasunternehmen – teils sogar in Fonds, die sich ausdrücklich als nachhaltig bezeichnen.“
Beispielsweise stockte BlackRock im Juli dieses Jahres seine Anteile am größten deutschen Rüstungskonzern RheinMetall AG auf etwas mehr als sieben Prozent auf, wodurch der Vermögensverwalter vom andauernden Ukraine-Krieg profitiert.
„Statt das Geld dafür zu nutzen, um Unternehmen zu unterstützen, die ihre Geschäfte bereits nachhaltig ausgerichtet haben, fließen so große Teile davon in umwelt- und klimaschädliche oder anderweitig kontroverse Unternehmen – und damit auch das Geld privater Anleger aus Deutschland.“
Hinterfragen statt Hinnehmen
BlackRock ist kaum sichtbar, aber in fast allen Lebensbereichen von uns wirksam. Ein Wort, welches den Finanzverwalter treffend beschreiben würde, wäre „Allgegenwärtigkeit“. Für einen neutralen Beobachter entsteht der Eindruck, als würden viele Handlungen des Unternehmens einen bitteren Nachgeschmack haben. Mithilfe von hochkomplexen Verzweigungen in allen Wirtschaftssektoren ist es für Anleger kaum nachvollziehbar, was mit ihrem Geld tatsächlich passiert. Bei vielen Konzernen, wie auch im Falle von BlackRock, ist anscheinend nicht alles Gold, was glänzt.
Gerade für junge Menschen ist es wichtig, zu verstehen, welche Auswirkungen gewisse Kräfte im globalen Finanzsystem auf deren Alltag haben können. Wenn Menschen wie Anna beginnen ihr Erspartes in ETFs zu investieren oder auf der Suche nach einer neuen Wohnung sind, spüren sie Entscheidungen großer Unternehmen in ihrem Alltag. Sei es bei ihrer Miete, beim Kontostand oder ihres Sparplan. Anna entscheidet zwar nicht über diese Finanzströme, muss jedoch mit den Folgen leben. Wer aber versteht, wohin sein Geld fließt, kann die Kontrolle über den eigenen Geldfluss behalten und in Finanzfragen selbstbestimmter handeln.
Abschließend stellt sich die Frage: Wie viel Macht und Einfluss ein einziges Unternehmen ausüben darf, welches niemand gewählt hat und trotzdem die Welt- und Gesundheitspolitik und den Alltag von vielen jungen Menschen wie Anna tagtäglich mitgestaltet?
Text, Titelbild: Jörn Schröder, Grafiken: Jörn Schröder, fintel.io (Datenanalysen aus: siehe entsprechende Grafik)
