Essays

Brauchen wir noch Journalismus?

von | 2. November 2018

Zwischen „Lügenpresse“ und „Fake News“: Der Journalismus ist unter Druck. Doch wie sehen wir seine Zukunft?

Der Journalismus hat die Aufgabe, die Nutzer unvoreingenommen, gleichberechtigt und verständlich über Geschehnisse aufzuklären, sodass diese sich eine fundierte Meinung bilden können. Aber erfüllen die Redaktionen diese Aufgabe aktuell noch oder hat der Journalismus ausgedient?

Zwei Autoren, zwei Artikel, zwei Meinungen.

Contra: Warum wir den heutigen Journalismus momentan nicht benötigen
 

„Auf gesellschaftlicher Ebene charakterisiert sich der Journalismus durch professionelle Fremdbeobachtung verschiedener Gesellschaftsbereiche.“ – Wikipedia

Es gab einmal eine Zeit, da war einfach alles in Ordnung: Journalisten arbeiteten entweder bei einer Zeitung, beim Radio oder Fernsehen. Journalisten schrieben mal gutes und mal schlechtes über Wirtschaft und Politik. Journalisten kannten sich in der Welt aus, hatten einen guten Ruf und selbst heikle Themen wurden durch unseren Rechtstaat und die aufgeklärte Bevölkerung nie zur persönlichen Gefahr für das Medium oder den Journalisten. Sie waren eben gute Fremdbeobachter, immer zwischen den Fronten unterwegs und von fast allen Seiten respektiert.

Diese Zeit ist längst vorbei. Denn viele Journalisten oder auch ganze Medienhäuser haben ihre Rolle als „Fremdbeobachter“ aufgegeben. Es gibt kaum ein Medium in Deutschland, das die AfD oder andere rechte Gruppierungen mit dem nötigen Respekt behandelt. Nicht nur die Berichterstattung ist einseitig, sie ist auch zu oft meinungsgeladen. Dann ist es kein Wunder, dass aus diesen Lagern Schimpfwörter wie „Lügenpresse“ und „Systemmedien“ zurückhallen. Der Zusammenstoß eines ZDF-Teams mit einem „Hutbürger“ ist dabei nur die Spitze des Eisberges. Bei dem großen Erfolg der rechten Bewegung bleibt es eine Frage der Zeit, bis die aktuelle Arroganz und Blindheit der Medien ihren eigenen Untergang einläutet. Eine neue Art von Journalismus dreht sich aktuell eher um die eigene Existenz, anstatt um neutrale, abwechslungsreiche Berichterstattung: Es dreht sich um die Erhaltung der etablierten Ordnung und somit auch um die Legitimierung der freien Presse in Deutschland. Journalisten sind längst keine Fremdbeobachter mehr, sondern kämpfen an vorderster Front um ihr eigenes Überleben.

Einen Journalismus, der sich wie ein angeschossener Bär im Todeskampf verhält, benötigen wir momentan nicht. Dazu sind die Zeiten zu ernst und die Medien in unserer Gesellschaft zu wichtig. Wenn sich der Journalismus also nicht bald aus seiner Blase befreit und an die Realität anpasst, wird ihn die Realität noch bitter einholen.

Autor: Nicolai Hackbart

 

 

Pro: Der Journalismus braucht einen Schutzpanzer
 

Der Journalismus, der zwischen so vielen Instanzen vermittelt – sei es die Politik, Gesellschaft, Kultur, Wirtschaft oder auch Einzelpersonen – bekommt im momentanen Alltag so einiges ab. Anschuldigungen und Lügenvorwürfe können das Vertrauen der Menschen in den Journalismus zerstören und ihn damit langsam aber sicher umbringen.  Er braucht also einen möglichst stabilen Schutzpanzer. Den bekommt er aber nur, wenn er sich das Vertrauen der Leute sichern kann.

Wenn Donald Trump sich auf Twitter einloggt, eine unliebsame Nachricht als „Fake News“ abstempelt und seine Follower ihm glauben, dann kann dieser Schutzpanzer momentan nicht allzu stark sein. Auch hier in Deutschland wird der Begriff „Lügenpresse“ oft leichtfertig in den Mund genommen, wie zuletzt bei den Protesten in Chemnitz sichtbar wurde. Daran ist auch unser immer schneller werdender Alltagsrhythmus schuld. Wir wollen Nachrichten möglichst direkt nach einem Ereignis lesen. Oftmals fehlen zu diesem Zeitpunkt noch die genauen Informationen, Spekulationen können sich später jedoch als unwahr erweisen. Durch solche Unsicherheiten bekommt der Panzer Risse.

Sollte er wirklich seine Glaubwürdigkeit verlieren, was wäre die Welt dann ohne den Journalismus, wie wir ihn kennen? Die Hauptinformationsquelle wären wohl die sozialen Netzwerke. Doch wonach gehe ich dann, wenn es um Zuverlässigkeit geht? Jeder kann veröffentlichen, was er will, solange es gegen keine Gemeinschaftsrichtlinien verstößt. Dann kann man sich nur noch danach richten, wer das sympathischste Profilbild oder die witzigste Profilbeschreibung auf Twitter, Facebook und Co. hat. Wenn der Journalismus mit seinem Schutzpanzer nicht mehr existiert, dann würden wohl viele wichtige Ereignisse in der Filterblase untergehen.

Autorin: Julia Walter

 

 

Text: Nicolai Hackbart, Julia Walter, Julia Scholl; Titelbild: rawpixel (Pixabay.com), CC0-Lizenz
<h3>Julia Scholl</h3>

Julia Scholl

ist 22 Jahre alt und studiert im 5.Semester Medienmanagement an der Hochschule Mittweida. Sie arbeitetet als Redakteurin bei medienMITTWEIDA. Parallel zum Studium absolviert sie ein Volontariat und arbeitet beim Social-Media-Nachrichtenportal Light up News.