Ein ganz normaler Abend in der Studentenkleinstadt Mittweida. Thomas hatte heute von 9.45 bis 17.15 Vorlesung, danach war er noch in der Bibliothek. Er lässt sich erschöpft auf die Couch in seinem WG-Zimmer fallen. „Jetzt erst mal entspannen“, denkt er sich. Das kann Thomas am besten mit Marihuana. Er schreibt dem Dealer, den er durch Freunde kennt. Eine Stunde später rollt Thomas seinen Joint und Rauch steigt in der Wohnung auf.
*Jeremy, 19 und Dealer
Jeremy dealt mit Cannabis in Mittweida und Umgebung, auch schon vor der Legalisierung. „Ich deale jetzt schon seit so nem dreiviertel Jahr“. Sein Kundenkreis ist klein aber treu, hauptsächlich Studenten, größtenteils Freunde und Bekannte. „Ich bin auch keiner, der in den Park geht, und sich da hinsetzt und irgendwie rum dealt“. Jeremy kifft selbst auch, mit dem Dealen kann er sich seinen Konsum gut finanzieren. Den Stoff besorgt er sich aus Großstädten, wie zum Beispiel Chemnitz. Er wiegt das Gras sorgsam ab und verpackt es für einen Kunden in einen kleinen Plastikbeutel.
Legalisierung, längst überfällig?
Bis zu 50 Gramm dürfen Privatpersonen seit dem 1. April in Deutschland besitzen und davon 25 Gramm in der Öffentlichkeit bei sich führen. Ökonomen gehen davon aus, dass durch die Legalisierung langfristig bis zu 4,7 Milliarden Euro an Justiz und Gerichtskosten gespart werden können. Außerdem wolle man verhindern, dass Menschen, die nur Gras ausprobieren wollen, kriminalisiert werden, sodass sich die Polizei besser auf härtere Drogen und schwere Delikte fokussieren kann. Viele sind der Meinung, dass die Legalisierung schon längst überfällig war. Zahlen zeigen: Kiffen ist mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen. So haben 42,5 Prozent der Erwachsenen in Deutschland zwischen 18 und 25 angegeben, in ihrem Leben schon einmal Cannabis konsumiert zu haben. Dies ist eine Verdopplung im Vergleich zu den Vorjahren. Das Gras selbst wird auch von Jahr zu Jahr stärker. Durch die Legalisierung soll auch die Qualität und die Stärke des Grases besser überprüft und reguliert werden, indem Menschen mehr Cannabis von ihren selbst angebauten Pflanzen rauchen, deren Samen sie legal gekauft haben.
Kritik an der Legalisierung
Doch das neue Gesetz hat auch viele Kritiker. Wie zum Beispiel Teile der Justiz, die wegen der neuen Regelung Tausende von alten Fällen wiedereröffnen müssen, um zu prüfen, ob durch die neue Gesetzeslage Menschen aus der Haft entlassen werden können. Cannabiskonsum bei jungen Menschen könnte auch zu einem Anstieg der psychische Erkrankungen führen, so Prof. Carlos Schönfeldt-Lecuona, der Oberarzt an der psychiatrischen Uniklinik Ulm ist. Andere sagen, dass die Legalisierung dem Schwarzmarkt in die Hände spielt, da es die Droge entkriminalisiert. So würde die Zahl der Gelegenheitskiffer steigen, eine Pflanze oder Mitgliedschaft in einem Club würde sich bei ihrem Konsum nicht lohnen. Aber weil sie die Droge nirgendwo direkt auf legalem Wege kaufen können, gehen diese auch zum Dealer, so Welt. „Leute, die Weed kaufen, werden auch weiterhin Weed kaufen, wenn es billig ist“, so Jeremy. Circa 200 Tausend Delikte gab es in Deutschland in Verbindung mit Cannabis im Jahr 2022, dies ist weniger als im Vorjahr 2021, aber über ein Drittel mehr als noch vor zehn Jahren.
Wird Cannabis einfach ersetzt?
Eine weitere Sorge ist, dass Dealer, die vorher mit Gras gedealt haben, nun nach der Legalisierung auf härtere Drogen umsteigen. Dieser Meinung ist Jeremy jedoch nicht.
Wird die Legalisierung rückgängig gemacht?
Auch Apotheker sind besorgt wegen der Legalisierung. Da ihrer Meinung nach jetzt auch Jüngere leichter an die Droge kommen könnten, für die Cannabis um einiges schädlicher ist, als für die Erwachsenen. Dieser Meinung teilt jedoch nicht jeder: “Die Erfahrungen aus Nordamerika zeigen das wir sehr wahrscheinlich keinen Anstieg bei den jüngeren Altersgruppen zu befürchten haben” so der Suchtforscher Jakob Manthey. Doch der wohl größte Gegner der Legalisierung ist die CDU/CSU. Die Partei hatte bis zuletzt versucht, das Gesetz zu verhindern. Jetzt will sie klagen. Laut CDU/CSU verstößt die Legalisierung gegen das Europa- und das Völkerrecht. Die Union hat auch bekannt gegeben, dass sie, falls sie die nächste Wahl gewinnen, alles geben werde, um die Legalisierung wieder rückgängig zu machen. Auch bei der Bevölkerung gibt es bei dieser Frage einen Generationenkonflikt. So sind 66 Prozent der über 60-Jährigen gegen die Legalisierung, während es bei den 18- bis 34-Jährigen nur 25 Prozent sind.
Kommt die totale Legalisierung?
Während einige der Meinung sind, dass die Legalisierung wieder rückgängig gemacht werden sollte, fordern andere das Gegenteil: eine komplette Legalisierung und Kommerzialisierung von Cannabis. Befürworter einer kompletten Legalisierung argumentieren, dass der Schwarzmarkt nur komplett ausgetrocknet werden kann, indem man die Droge in vielen Geschäften und Sorten, im ganzen Land, erhältlich macht. Aber auch diese Lösung bringt Probleme mit sich, wie man am Beispiel Kanada erkennen kann. Dort gab es auch im Oktober 2018 eine Teil-Legalisierung von Cannabis, was zur Folge hatte, dass die Cannabis bedingten Hospitalisierungen um 1,5 Prozent zurückgingen. Als dann jedoch im März 2020 Cannabis komplett legalisiert und kommerzialisiert wurde, stiegen diese wieder um über 27 Prozent an. Dies könnte durchaus auch in Deutschland passieren. Jeremy sagt über die komplette Legalisierung und Kommerzialisierung von Cannabis:
„Ist schon was Cooles, aber ich frage mich allgemein, ob so Drogen in den Supermarkt gehören, also auch Zigarette und Alkohol. Ich finde es könnte extra Läden dafür geben und so hätte ich das auch für Gras gemacht. Aber an sich, dass man in einen Laden geht und sich Gras kaufen kann, da wäre ich dafür.“
*Namen von Redaktion geändert