Konsumenten sind die Gewinner

von | 30. April 2012

Das Podium der Medientage Chemnitz diskutierte Werbeformen der digitalen Gesellschaft. Neue Formate und Kanäle sind demnach keine Selbstläufer, sondern eine Herausforderung. Provokante Thesen und vage Aussagen prägten die Podiumsdiskussion „Moderne […]

Bei den Chemnitzer Medientagen wurde über die Zukunft der Werbung diskutiert.

Bei den Chemnitzer Medientagen wurde über die Zukunft der Werbung diskutiert.

Das Podium der Medientage Chemnitz diskutierte Werbeformen der digitalen Gesellschaft. Neue Formate und Kanäle sind demnach keine Selbstläufer, sondern eine Herausforderung.

Provokante Thesen und vage Aussagen prägten die Podiumsdiskussion „Moderne Werbung: Transmedial, personalisiert oder gamifiziert?“ der 8. Studentischen Medientage Chemnitz. Unter dem Titel „Medien. Macht. Zerfall.“ fanden dabei vom 27. bis 29. April Workshops, Vorträge und Diskussionen statt.

Die von Renè Falkner moderierte Podiumsdiskussion sollte klären, wie sich Werbung im Zeitalter digitaler Vernetzung verändert. Eine kritische, vernetzte Gegenöffentlichkeit verlange Informationen statt Phrasen, so der erste Konsens des Podiums. Die Konsumenten sieht Nina Janich, Professorin für Deutsche Linguistik an der TU Darmstadt, als Gewinner. „Sobald du einen Artikel auf den Markt wirfst, der nicht funktioniert, bist du am Arsch“, pflichtet ihr Hartmut Kozok bei. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Hamburger Werbeagentur „Grabarz & Partner“.

Eines der fünf Hauptthemen war die „Gamification“. Die tat André Richter, Geschäftsführer der Dresdner Online-Marketingagentur „Mindbox“, auch gleich als „Bullshit“ ab. Ein Beispiel wurde dabei lebhaft diskutiert: „’Foursquare‘ wird als Marke nicht überleben“, schätzte Gregor Blach, geschäftsführender Gesellschafter von „WE DO communication“. Tatsächlich ergab die Probe, dass nur fünf der gut siebzig Zuhörer den Dienst nutzen, der spielerische Elemente in ein soziales Netzwerk integriert. Scheitern werde das Konzept laut Richter aber nicht unbedingt an Desinteresse, sondern an Konkurrenz. Schließlich bietet auch „Facebook“ inzwischen die Möglichkeit des „check-ins“.  

Schlechte Werbung funktioniert auch

Uneinig zeigten sich die Referenten beim Thema „Transmediales Storytelling“. „Das musste man bisher nur dreimal pro Kreativbriefing verwenden, aber nicht machen“, beschreibt Tino Lang von der Chemnitzer Werbeagentur „zebra“. Mittlerweile komme der Markt aber langsam in Bewegung.

Für Transmediales Storytelling braucht es mindestens drei Kanäle, über die Teile der gesamten Geschichte publiziert werden. Die Einzelelemente ergeben für sich genommen keinen Sinn und enthalten keine zwingende Werbebotschaft. Eine große Zukunft werde diese Art Storytelling aber nicht haben. „Die Menschen, die Puzzle spielen wollen, sind in der Minderheit“, glaubt zumindest Lang. Er vertraut auf klassische Werbeelemente. Für etablierte Produkte gäbe es so zunächst wenig Grund zur Sorge vor einer kreativeren Konkurrenz: „In gewissem Maße tolerieren wir bei bekannten Marken sogar richtig schlechte Werbung.“

Tino Lang prophezeite einen Netzwerkskandal: „Facebook ist ein privater Raum, aber Transparenz ist die naive Seite des Internets.“ Der gläserne Mensch gebe seinem Smartphone in Zukunft alles Preis. Diese Daten würden laut Gregor Blach dann auch im öffentlichen Raum abgerufen – und zu Werbezwecken genutzt. Die Folge: Werbetafeln, deren Inhalte sich den Interessen des Betrachters anpassen.

Typisierung ist von gestern

Die sozialen Netzwerke haben die Arbeit der Marketingagenturen in den Augen des Chemnitzer Geschäftsführers verändert: „Das ist keine Selbstverwirklichung mehr, es geht um Effizienz.“ Beispiele dafür seien demnach die sozialen Netzwerke selbst. Sie seien ohne große Werbekampagnen in eine beherrschende Marktposition gekommen. Die vermeintlich kostenlose Werbung sei aber eine Herausforderung für Agenturen und Marken.

Ohnehin habe sich die Werbebranche verändert, die oft so gelobte Individualisierung der Inhalte sei nach heutigen Standards nicht umsetzbar. Werbung müsse stets zielgruppenorientiert sein. Etablierte Modelle zur Typisierung der Konsumenten verlieren jedoch ihre Gültigkeit. „Sinusmilieus funktionieren nicht mehr“, verdeutlichte Werbefachmann Kozok.

Form folgt Funktion

Bei den vielen Spekulationen über Erfolgsmodelle und kommende Flops blieb dem Podium schließlich eine Gewissheit: Professionelles Marketing wird auch in Zukunft gebraucht. Die Schlussfolgerung: Werbung schafft einen Mehrwert. Ein Beispiel: „VW“ positioniere sich seit einigen Jahren als Publikumsliebling in der Fernsehwerbung. Inhalte rücken dabei hinter die Ästhetik zurück, beurteilt Lang: „Mir hat die ‚Star Wars‘ Werbung vermittelt, dass der ‚Passat‘ eine Zentralverriegelung hat und da muss ich schon sagen: Respekt!“

Text: Tim Jungmittag, Bild: medienMITTWEIDA, Chemnitzer Medientage, Fotograf: Tim Jungmittag, Bearbeitung: Désirée Triemer

<h3>Tim Jungmittag</h3>

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