„China strebt nach weltweiter Medien-Hegemonie“ – diese Überschrift prangte Ende März 2019 über einer Pressemitteilung des weltweit agierenden Vereins Reporter ohne Grenzen. In diesem Länderbericht heißt es, dass China eine neue Weltordnung der Medien schaffen möchte. Ein ambitioniertes Projekt, das bisher aber weniger Aufmerksamkeit im Ausland erhält. medienMITTWEIDA beschreibt Chinas Mediensystem, dessen neue Ziele und erste Umsetzungen.
Die Staatspartei, die Kommunistische Partei Chinas (KP), hält demokratische Werte, wie die Pressefreiheit, für erzwungene Konzepte des Westens, wie Reporter ohne Grenzen in ihrem Länderbericht beschreiben. Demnach gelten Journalisten als Erfüllungsgehilfen der staatlichen Propaganda und sollen sich der Führung und den Zielen der Staatspartei unterordnen. Wer dies nicht tut, hat mit Konsequenzen zu rechnen. Derzeit sitzen laut Reporter ohne Grenzen 60 Blogger und Journalisten im Gefängnis. Dementsprechend schlecht fällt die Einordnung Chinas in der Rangliste der Pressefreiheit 2018 aus. Im internationalen Vergleich liegt China gerade auf Rang 176 von 180 Ländern. Nur Syrien, Turkmenistan, Eritrea und Nordkorea schneiden schlechter ab. Ein Kennzeichen der chinesischen Medienpolitik, welches zu dieser schlechten Bewertung der Pressefreiheit beiträgt, ist sicherlich die staatliche Zensur der Medien. Die erfolgt in verschiedenen Formen und Instanzen.
Zensur durch die Cyper Space Administration
Die Cyper Space Administration wurde 2015 ins Leben gerufen. Mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping an der Spitze, soll sie den Inhalt des Internets organisieren. „Ich mache mir Sorgen über den zunehmenden Einfluss der Inhalte des Internets auf die politische und soziale Entwicklung“, begründet dieser die Gründung jener Organisation. Sie ist übergreifend für alle Ministerien, die für das Internet relevant sind. Wie Weishan Miao und Wie Lei von der chinesischen Akademie für soziale Wissenschaften in ihrer Review zusammenfassen, sollen sich demnach die Inhalte nach der zentralistischen Führung richten und deren Richtlinien folgen. Ob diese eingehalten werden, überprüft die Regierung höchstpersönlich. Hauptaufgabe der Administration ist es beispielsweise, Falschmeldungen und Gerüchte aufzuspüren, zu löschen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Ermöglicht wird dies mit der Klarnamenpflicht die im Oktober 2017 eingeführt wurde. Wie Spiegel online berichtet, müssen sich User bei Anbietern mit ihrem vollen Namen oder mit klar zuordenbaren Pseudonymen anmelden, bevor sie Kommentare posten dürfen. Des Weiteren darf die Administration jederzeit Accounts aufrufen, um die Inhalte zu kontrollieren. Außerdem werden vor allem Studierende mit Hilfe von Kampagnen dazu aufgerufen, politisch positive Kommentare zu posten, die chinesische Ideologie zu unterstützen und widersprüchliche Kommentare zu melden, berichten Weishan Miao und Wie Le.
Social Media unter Kontrolle
Die wichtigste chinesische digitale Plattform mit monatlich 446 Millionen Nutzern heißt Sina Weibo und ist ein Mix aus Facebook und Twitter, da beide uns bekannten sozialen Netzwerke in China gesperrt sind. Ähnlich wie auf Twitter können Texte mit einem Limit von 140 Zeichen, Video- und Audiodateien sowie Fotos als öffentliche Posts oder private Nachrichten versendet werden. So können sich Nutzer über Nachrichten aus dem Leben von Prominenten und Trends informieren. In einer Studie der Computerwissenschaftler Jed Crandall und Dan Wallach wurden 3.500 Nutzer von Weibo 30 Tage lang beobachtet. In dieser Zeit wurden von diesen Nutzern insgesamt 300 Postings gelöscht, was eine Quote von zwölf Prozent ergibt.
Auch auf WeChat werden Beiträge nach Keywords untersucht und geblockt. Der Chatdienst, den 75,9 Prozent der Chinesen nutzen, funktioniert ähnlich wie WhatsApp. Er hat aber noch erweiterte Funktionen, wie eine Timeline, die Nachrichten von Sportereignissen und Stars sowie private Postings aus dem Bekanntenkreis anzeigt. Ebenso hat es ein Bezahlsystem, welches in China in fast allen Lebensbereichen eingesetzt wird. So können beispielsweise Flugtickets erworben, Stromrechnungen beglichen und Lebensmittel im Supermarkt bezahlt werden. Die versendeten Nachrichten werden jedoch nicht von Ende zu Ende verschlüsselt, sondern zunächst auf einen Server geleitet und dort auf Beweise für politisch unerwünschten Themen untersucht.
In Nachrichtenredaktionen regiert eine andere Form der Zensur: Hauptakteur hierbei ist die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua. Diese ist ein staatliches Organ, das sich als Sprachrohr der Regierung versteht. Es ist unmittelbar dem chinesischen Staatsrat unterstellt. Die primäre Aufgabe der Agentur ist das Versenden von Informationen über aktuelle Ereignisse an die Nachrichtenredaktionen. Um sicher zu stellen, dass die Texte nach den Richtlinien der Regierung verfasst werden, dürfen Redakteure bei politisch brisanten Themen nur auf die Berichte von Xinhua zurückgreifen. Eigene Recherchen sind in diesen Fällen nicht erlaubt. Ebenso dürfen keine eigenen Auslandskorrespondenten entsendet oder ausländische Nachrichtenberichte einkaufen werden, erklärt Kim-Björn Becker in seinem Buch „Internetzensur in China“.
China möchte in die Köpfe der Welt
Innenpolitisch scheint die Medienpolitik Chinas gut organisiert und strukturiert zu sein. Nun verlagert sich der Fokus ins Ausland. Doch warum ist es der chinesischen Regierung so wichtig, dass sie, laut der Süddeutschen Zeitung jährlich 1,3 Milliarden Euro, in die internationalen Netzwerke investieren? Das erste herausragende Ziel sei die Expansion der eigenen staatlichen Medien und die Erweiterung deren Reichweite, wie die Hannoversche Allgemeine annimmt. So sendet der Staats-TV-Sender CGTN bereits fünf Kanäle in fünf Sprachen in 140 Länder und auch der Radiosender CRI sendet in 65 Sprachen in 140 Länder. „Ich vermute, dass China künftig nicht nur eine wirtschaftliche Macht sein möchte, sondern auch immer mehr politisch präsent sein will. China will, meiner Meinung nach, positiv im Gespräch bleiben und die chinesische Kultur mit Werten wie Gehorsam und Obrigkeitsdenken platzieren”, erklärt Susanne Günther, Dozentin an der Medienfakultät der Hochschule Mittweida. Die Neue Zürcher Zeitung sieht das ähnlich. China wolle in die Köpfe der Ausländer dringen und das Bild eines friedlichen Landes zeichnen, dessen wirtschaftlicher Erfolg gut für alle sei.
Um diese Ziele zu erreichen, investiert China in ausländische Verlage und übt Druck auf Medienhäuser aus, die nicht dem Kurs folgen. So wurde, nach Berichten der Süddeutschen Zeitung, Anzeigenkunden der australischen Zeitung Vision China Times gedroht. Sie müssten Konsequenzen für das eigene Geschäft in China fürchten, wenn sie die Zeitung weiter mit ihren Anzeigen unterstützen würden. Auch chinesische Vertreter in Botschaften üben Druck aus. In Stockholm fällt die chinesische Botschaft beispielsweise immer wieder mit öffentlicher Kritik bezüglich der China-Berichterstattung der schwedischen Nachrichtenmedien auf, wie Reporter ohne Grenzen beschreibt. Damit chinesische Vorstellungen über den Journalismus von ausländischen Journalisten erlernt werden, lädt die chinesische Regierung auch immer wieder Journalisten zu Lehrgängen ein. Susanne Günther sieht dabei aber auch einen Versuch, von den Journalisten zu lernen, um den Bedürfnissen der eigenen Bevölkerung nach Unterhaltung nachzukommen. „China will nicht mehr von der amerikanischen Filmproduktion abhängig sein, selbst Blockbuster produzieren und damit die eigene Bevölkerung noch mehr abschotten”, vermutet sie. Weitere Mittel der Staatspartei KP, um ihre Vorstellungen von Pressefreiheit durchzusetzen, sind außerdem das Erstellen kostenloser Beilagen für renommierte Zeitungen und eigene Medienkongresse.
Internationale Medien unter Druck
In Afrika möchte China das Bild eines solidarischen großen Bruders erzeugen, der gemeinsam mit den Ländern im afrikanisch-chinesischen Interesse handelt. So waren China und seine Kommunikationsunternehmen rechtzeitig zur Stelle, als 2015 die Umstellung vom analogen auf das digitale Fernsehsignal erfolgte. Dieser Termin wurde von der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) für Länder in Europa, Teilen des Nahen Ostens und Afrikas festgelegt, um die Umstellung vom analogen zum digitalen abzuschließen. Diese sah eine Umstellung des Signals als Möglichkeit, eine breitere Anzahl an Fernsehsendern anzubieten. In vielen Ländern war das Fernsehen jedoch noch nicht terrestrisch, also flächendeckend digital, ausgebaut. Vor allem das Unternehmen StarTimes, welches eine enge Bindung zur chinesischen Staatspartei pflegt, baut auf Anfrage der afrikanischen Regierungen, die nationalen Netzwerke aus, bietet Pay-TV Dienste an und agiert als Signalverteiler durch Partnerschaften mit nationalen Rundfunkanstalten. Das Argument von StarTimes ist immer die Bezahlbarkeit, die es dank langfristigen zinsgünstigen Finanzierungen durch die chinesische Exim Bank ermöglichen kann. Diese Arbeit der chinesischen Telekommunikationspolitik erfüllt laut Afrika Heute fünf verschiedene Kernaktivitäten als Teil der chinesischen „Going Out“-Politik, darunter die Verbreitung von chinesischen Inhalten beispielsweise in Fernsehsoaps und Direktinvestitionen. Die 20-prozentige Beteiligung einer chinesischen Investorengruppe am südafrikanischen Medienhaus Independent Media ist hierbei beispielhaft. Eine Investition, die nicht ohne Folgen für die Redakteure blieb. Nachdem Azad Essa, ein Kolumnist der Zeitung, einen kritischen Bericht über die Verfolgung muslimischer Minderheiten in China schrieb, hielt er laut der Süddeutschen Zeitung zwei Stunden später seine Kündigungspapiere in der Hand. Außerdem zählt ein Journalistenprogramm zu den Aktivitäten. Afrikanische Journalisten können zehn Monate lang unter Top-Bedingungen, wie freier Unterkunft und 650 Euro Monatslohn, von den chinesischen Journalisten lernen, obwohl eine freie Recherche freilich nicht gestattet wird, wie die Frankfurter Allgemeine berichtet.
Auch in Deutschland wird China medienpolitisch bereits aktiv. Laut Business Insider Deutschland ist es nicht neu, dass autoritäre Regime über eigene Medienkampagnen versuchen, Einfluss auf die öffentliche Meinung auszuüben. In Folge dessen tauchten 2018 im Handelsblatt Broschüren der chinesischen und regierungsnahen Tageszeitung China Daily auf. Darin versucht China, sich möglichst positiv darzustellen und die Leser von sich zu überzeugen. Wie die Deutsche Welle berichtet, gab es diese Beilagen auch in der Süddeutschen Zeitung. Diese hat die Veröffentlichung jedoch inzwischen eingestellt. „Dies könnte auch ein Versuch sein, die chinesische Berichterstattung im Westen zu verbessern”, vermutet Susanne Günther. Sie mutmaßt, dass eine positive Berichterstattung eine Eindämmung chinesischer Demokratiebewegungen in Folge der wirtschaftlichen Öffnung Chinas bedeuten könne. Wenn chinesische Werte wie Gehorsam und Obrigkeitsdenken im Ausland positiv gesehen werden, könne dies außerdem auch deren Berechtigung bei vielen Chinesen erhöhen. Nicht nur Tageszeitungen, auch die Deutsche Presse Agentur ist auf dem Radar der chinesischen Politiker. So bietet die dpa seit Juli 2018 neben eigenen Nachrichten auch einen Nachrichtenticker von Xinhua auf ihren Vertriebskanälen an. Sie dient also als technischer Dienstleister für die Verbreitung des Silk Road Information Service. Dort werden die Leser über das Prestigeprojekt der Seidenstraße informiert, welches chinesische Handelswege bis nach Duisburg und noch weiter ermöglichen soll, erklärt Spiegel online. Auf Nachfrage der Deutschen Welle betont der dpa-Pressesprecher Jens Peterson, dass es sich hierbei um ein reines Handelsprodukt handle und in keinem Zusammenhang mit der eigenen Berichterstattung über China stehe. Die Artikel seien als separater Dienst gekennzeichnet worden und würden auch in technischer Hinsicht getrennt angeboten werden. Bei Spiegel online bewertet Thorsten Benner vom Global Public Policy Institute in Berlin diese Geschäftsbeziehung dennoch als Widerspruch zum eigenen Anspruch an Journalismus und Glaubwürdigkeit.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Chinas Medien und Medienunternehmen von der Kontrolle durch die Regierung geprägt sind. Dies ruft in der westlichen Welt, die andere Vorstellungen von Pressefreiheit hat, immer wieder Kritik und Ablehnung hervor. Um zu einer politischen und wirtschaftliche Weltmacht heranzuwachsen, müssen sie jedoch ihre internationale Position ändern. Der Kauf von Anteilen an internationalen Medienhäusern, die technische Ausstattung der afrikanischen Länder und Nachrichtenticker, die China in einem positiven Licht erscheinen lassen sind hierbei Wege, ihr Ziel zu erreichen.
Text: Luise Geck, Titelbild: Caroline Lindner