Wie viele Wölfe kannst du in diesem Bild sehen? Und kannst du sie auch sehen, ohne deine Augen zu benutzen? In dieser Doppel-Rezension geht es um zwei Filme des letzten Jahres, die unterschiedlicher nicht sein könnten: „The killers of the flower moon“ und „ich sehe was, was du nicht siehst“. Tauche mit Wes Anderson in das bunte und symmetrische London der 1950er ein und werde dann in Martin Scorseses dreckiges, raues Oklahoma der 1920er geworfen.
„the killers of the flower moon“
„Gier ist ein Tier, das nach Blut hungert“, so heißt es im Trailer zu „the killers of the flower moon“, der im Herbst letzten Jahres herauskam. Im Film geht es um Ernest Burkhart, der, nachdem er aus dem Ersten Weltkrieg wiederkommt, zu seinem Onkel William Hale nach Oklahoma zieht. Dort heiratet er Mollie, eine amerikanische Ureinwohnerin des Stammes der Osage. Die Osage sind zu enormem Reichtum gelangt, da auf ihrem Land Öl gefunden wurde. Doch schon bald beginnt eine Epidemie, und viele Osage sterben auf mysteriöse Weise. Behörden vermuten, dass Ernest etwas damit zu tun hat.
In diesem düsteren Spätwestern behandelt Martin Scorsese die Motive Gier und Schuld. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Buch, das die wahre Geschichte der Osage-Morde erzählt. Die Charaktere im Film basieren auf wahren Personen. Scorsese benutzt große Panoramaaufnahmen, um dieses düstere Kapitel der amerikanischen Geschichte zu zeigen. Dabei lässt er sich viel Zeit, was den Film auf eine stolze Länge von drei Stunden und 26 Minuten bringt. Trotzdem ist er nie langweilig, da der Film, meiner Meinung nach, diese Länge braucht.
Quellenverweis: https://www.apple.com/tv-pr/originals/killers-of-the-flower-moon/images/
Scorsese überzeugt auch in diesem Film wieder mit einer grandiosen Besetzung, bestehend aus gleich mehreren Oscar-Preisträgern. Allen voran Leonardo DiCaprio, der schon mehrere Filme mit dem Star-Regisseur gedreht hat. Er spielt Ernest Burkhart. Dann natürlich Robert De Niro, der den diabolischen William Hale spielt. De Niro hatte zuletzt mit „The irishman“ und „Joker“ bewiesen, dass er auch mit Ende 70 noch einer der größten Schauspieler der Gegenwart ist. Auch Brendan Fraser ist mit dabei, um den es die letzten Zehn Jahre eher ruhig war.
Die weibliche Hauptfigur wird von Lily Gladstone gespielt, die selbst indigene Vorfahren im Volk der Osage hat. Abgerundet wird dieser brillante Cast von Jesse Plemons, der den FBI-Ermittler Tom White spielt. Ursprünglich sollte DiCaprio diese Rolle spielen, jedoch tauschte Scorsese die Besetzung kurz vor der Produktion. Grund dafür war die Entscheidung, die Geschichte aus der Täterperspektive zu erzählen und mehr auf die Opfer einzugehen. Auch der restliche Cast und die Extras sind perfekt besetzt. Viele Nebenrollen wurden mit Darstellern besetzt, deren raue und harte Gesichtszüge sie so wirken lassen, als seien sie direkt aus dieser Zeit entsprungen. Auch die Kostüme sind detailgetreu und akkurat und bereichern durch ihre satten Farben das Bild.
Obwohl der Film an der Kinokasse und bei den Oscars kein großer Erfolg war, würde ich den Film jedem, der sich für Western, historische Filme und Drama begeistert, wärmstens empfehlen. Jeder, der an „the killers of the flower moon“ mitgearbeitet hat, hat viel Zeit und Mühe investiert. So haben zum Beispiel Leonardo DiCaprio und Robert De Niro extra für den Film die traditionelle Sprache der Osage gelernt. Auch Regisseur Martin Scorsese hat bei seiner Recherche eng mit Nachfahren des Osage-Stammes zusammengearbeitet, um einen respektvollen Umgang mit dem Material zu garantieren. Der Film ist derzeit auf Apple-TV erhältlich oder auf Amazon Prime käuflich zu erwerben. Wer also düsteren Film mit starken Bildern sehen möchte, sollte auf jeden Fall „The Killers of the flower moon“ eine Chance geben.
„Ich sehe was, was du nicht siehst“
Indien, Ende des 19. Jahrhunderts, einige Ärzte stehen vor einem Krankenhaus. Sie schauen fassungslos auf einen älteren Mann, der im Hof einige Runden mit dem Fahrrad fährt. Der Grund, warum die Ärzte so schockiert sind, ist, dass sie dem älteren Mann nur wenige Minuten vorher den Kopf mit dicken Bandagen komplett verbunden haben, nachdem er sie darum gebeten hatte. Diese kuriose Szene ist aus dem Film: „Ich sehe was, was du nicht siehst“, welcher Ende letzten Jahres auf Netflix erschienen ist. In diesem geht es um Henry Sugar, einen jungen englischen Aristokraten, der noch keinen Tag in seinem Leben arbeiten musste. Er langweilt sich oft und versucht seinen Reichtum durch Glücksspiele zu vermehren. Eines Tages findet er ein kleines Heft. In diesem schreibt ein Doktor über einen Mann, der die Fähigkeit hat, ohne seine Augen zu sehen. Ein Zirkuskünstler namens Imdad Khan hat diese Fähigkeit durch jahrelange Meditation erlernt. Henry Sugar ist von dieser Geschichte fasziniert und will diese Fähigkeit auch erlangen, um beim Kartenspiel immer zu gewinnen. So begibt er sich auf eine spirituelle Reise.
Quellenverweis: https://benedict-cumberbatch.com/photos/displayimage.php?album=1847&pid=192804
„Ich sehe was, was du nicht siehst“ ist einer von vier Kurzfilmen, die Regisseur Wes Anderson direkt auf Netflix veröffentlicht hat. Obwohl der Film mit 39 Minuten nicht besonders lang ist, schafft er es trotzdem, einen Spannungsbogen aufzubauen und eine interessante Geschichte zu erzählen. Dies gelingt ihm mit besonderen Bildern und liebevoll gestalteten Sets. Der ganze Film hat ein Retro-Feel, das Aspect-Ratio ändert sich zum Beispiel während des Films und die Bilder haben einen körnigen Effekt. Die Farben sind sehr stark und harmonisch. Von Szene zu Szene werden die Sets durch die Schausteller verschoben, sodass es wirkt, als würde man ein Theaterstück sehen. Dieser Effekt wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass die Schauspieler mehrere Charaktere spielen. Dies ist von Regisseur Wes Anderson extra so gewollt, da er möchte, dass sich der Film wie ein alter britischer Fernsehfilm anfühlt. Der Dialog wurde direkt aus dem gleichnamigen Buch übernommen, sodass die Charaktere nach ihren Sätzen oft „sagte ich“ oder „dachte ich“ sagen. Auch der Off-Text wird immer von den Charakteren selbst gesprochen. Dies funktioniert erstaunlich gut und fügt sich perfekt in die anderen Stilelementen des Films ein. Auch die Besetzung lässt nicht zu wünschen übrig, mit Schauspiel-Legenden wie Ralph Fiennes, Ben Kingsley und Benedict Cumberbatch.
Die meisten Regisseure versuchen, uns in die Welt des Films eintauchen zu lassen, sodass wir vergessen, dass wir einen Film sehen. Aber nicht Wes Anderson, er erinnert uns jede Minute daran, dass wir einen gespielten Film sehen. Und trotzdem werden wir von seiner Welt verzaubert. Vielleicht auch gerade deswegen. „Ich sehe was, was du nicht siehst“ ist kein gewöhnlicher Film, und ich würde jedem empfehlen den Film zu streamen. Verfügbar ist er auf Netflix.