Datenjournalismus: Unentdecktes Potenzial

von | 12. Juli 2012

Die Kunst, aus Datensätzen eine Geschichte zu formen, nennt sich Datenjournalismus. Diese Verwertung von Datenmengen verbirgt noch immer Potenzial, gerade für junge Journalisten.

Datenjournalismus ist ein Medientrend - und eine große Chance für den Nachwuchs.

Datenjournalismus ist ein Medientrend – und eine große Chance für den Nachwuchs.

Die Kunst, aus Datensätzen eine Geschichte zu formen, nennt sich Datenjournalismus. Diese Verwertung von Datenmengen verbirgt noch immer Potenzial, gerade für junge Journalisten.

Das Wetter, die Auswertung eines Fußballspiels oder Statistiken aus der Finanzwelt – mit Zahlen werden Medienkonsumenten und Journalisten jeden Tag konfrontiert. Zwischen dieser nüchternen Zahlenwelt und dem neuen „In-Begriff“ Datenjournalismus gibt es einen großen Unterschied: Der Datenjournalismus versucht Geschichten zu erzählen.

Und dennoch liegt hier noch großes Ausbaupotenzial, weiß Christina Elmer. Sie ist Redakteurin im Ressort „Investigative Recherche“ beim Wochenmagazin Stern, hauptberuflich beschäftigt sie sich mit Statistiken aller Art. „Diese Datengrundlagen können auf vernachlässigte oder verschwiegene Missstände in Politik oder Wirtschaft aufmerksam machen“, sagt sie, es gäbe unzählige Möglichkeiten. Aufgrund der Beweislast von Statistiken würden sie sehr gut zu Anfragen und Konfrontationen dienen.

Immer mehr Projekte auch in Deutschland erfolgreich

Die Arbeit der Datenjournalisten ist erst seit wenigen Jahren im Gespräch. In Deutschland ist derzeit das Know-How von „OpenDataCity“ gefragt. Das Berliner Unternehmen hat sich auf Anwendungen rund um große Datensätze spezialisiert. Zum Portfolio gehören die App „Zugmonitor“ auf „Sueddeutsche.de“, die die Pünktlichkeit deutscher Züge überwacht, oder das „Parteispenden-Watch“ für „taz.de“. Beide Projekte waren für den diesjährigen „Grimme Online Award“ nominiert.

Bis allerdings eine umfangreiche Auswertung abgeschlossen und veröffentlicht ist, müsse viel Mühe investiert werden. Oft erfolgt die Arbeit auch umsonst, weiß Stern-Redakteurin Elmer. „Datenrecherchen haben keine Erfolgsgarantie, da vor allem der Zeitfaktor sehr hinderlich ist“, erklärt die Datenjournalistin. Auch wenn immer mehr Daten öffentlich zugänglich seien, ist das Erlangen der Daten in den meisten Fällen kompliziert. „Aber  selbst mit den wenigen Daten sollte ein Journalist zudem auch umgehen können, damit zentrale Quellen nicht vernachlässigt werden“, erklärt die Stern-Redakteurin. 

Chance für Pioniere

Die freie Medienjournalistin Ulrike Langer beobachtet die Entwicklung seit vielen Jahren: „Datenjournalismus ist auch im Allgemeinen eine sehr komplexe und schwierige Angelegenheit“, erklärt sie. Die neue Darstellungsform biete gute Berufschancen für den Nachwuchs: „Für Journalisten, die 20 oder 30 Jahre im traditionellen Journalismus unterwegs sind, ist der Datenjournalismus eher ein hinderliches Gebiet. Daher gibt es Chancen für junge Journalisten im besonderen Maße.“

„Gerade für junge Kollegen sehe ich hier viele Möglichkeiten, da sie in der Regel mit dem Computer groß geworden sind und ein ganz anderes technisches Verständnis mitbringen“, sagt auch Christina Elmer. Nachwuchsjournalisten falle es somit leichter, sich in die Werkzeuge einzuarbeiten; auch seien junge Kollegen offener, überhaupt an umfangreiche Datensätze heranzugehen.

Statt Mathematik helfen einfache Tools

Datenjournalismus klingt nach viel Rechnen – ist es aber nicht unbedingt, weiß Bloggerin Langer: „Viele Journalisten stehen mit Zahlen und Mathematik eher auf Kriegsfuß, daher sind erweiterte Programmierkenntnisse nicht nötig.“ Langer selbst hat gute Erfahrungen mit simplen Programmen wie „Datawrapper“ gemacht, die nur beschränkte Funktionen bieten. Einsteigern empfiehlt sie, einschlägige Blogs wie „Datenjournalist“ zu verfolgen. Auch das „Data Journalism Handbook“ bilde eine gute Grundlage.

Potenzial im Lokaljournalismus

Bei vielen Verlagen ist Datenjournalismus bisher jedoch noch ein Fremdwort, im Lokalbereich sogar noch vollkommen unterrepräsentiert. „Dabei enthalten lokale Geschichten per se Daten, siehe Ortsdaten“, kritisiert Medienjournalistin Langer. Die Anwendungsbereiche seien also vielfältig – nur im Feuilleton schließt Langer die Auswertung umfangreicher Daten eher aus.

Text: Julia Schwalbe. Bild: medienMITTWEIDA, Bearbeitung: Nicole Schaum.

<h3>Julia Schwalbe</h3>

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