Am Mittwoch startet die Frankfurter Buchmesse. Dort geht es vor allem um die zunehmende Digitalisierung der Buchbranche. E-Books verbreiten sich immer mehr. Doch wo liegen die Unterschiede zwischen Papier und Elektronik für den Leser? Und haben gedruckte Bücher noch eine Zukunft? medienMITTWEIDA lässt Experten und Bücherwürmer urteilen.
Gedruckte Bücher oder doch lieber E-Books? Bei dieser Frage scheiden sich die Geister. Während die einen an der Printausgabe festhalten, sind die anderen von E-Books überzeugt – oder beide Buchformen werden angenommen. Das zeigt sich auch in den Verkaufszahlen: Wie eine Studie des Börsenvereins des deutschen Buchhandels e.V. belegt, machen E-Books inzwischen knapp vier Prozent des Umsatzmarktes aus. Durchschnittlich kaufen Leser 6,4 E-Books im Jahr. Insgesamt gibt es 3,4 Millionen deutsche E-Book-Käufer. Zum Vergleich: 2010 waren es nur 700.000. Amazon reagiert darauf und führte am Dienstag die E-Book-Flatrate „Kindle Unlimited“ auch in Deutschland ein.
Dabei gibt es E-Books schon weitaus länger als man bei diesen Zahlen vermuten würde. Denn bereits im Jahr 1965 entwickelte der Informatiker Andries van Dam das Hypertext-System „HES“, das erstmals eine elektronische Datenverarbeitung ermöglichte. Biologie- und Poesietexte konnten so digitalisiert werden. Der Begriff „Electronic Book“ wurde damit geprägt. Doch erst im Jahr 1990 gab es den ersten E-Book-Reader in Japan, ein Jahr später dann auch in anderen Ländern. Die Firma Sony hatte ein Gerät namens „Data Discman“ entwickelt, das auf Mini-CD-ROMS gespeicherte „Electronic Books“ lesen konnte. Seitdem wurde die Technik kontinuierlich weiterentwickelt.
Dass E-Books mehr und mehr an Bedeutung gewinnen, zeigt sich auch daran, dass sie zunehmend neben Film- und Musikdateien in illegalen Online-Tauschbörsen heruntergeladen werden. Diese Tatsache stellt jedoch keine Gefahr für die Verlage dar, stellt eine Sprecherin des Börsenvereins des deutschen Buchhandels e.V., Ute Lütkenhaus, fest: „Die Konsumenten sind nach wie vor bereit, Geld für Bücher auszugeben.“
Günstig, praktisch und mit vielen Extras
Doch was macht den Reiz von E-Book-Readern und E-Books aus? Sie sind praktisch, handlich, leicht und der Lesestoff ist überall verfügbar. Auf den Geräten können mehrere tausend Bücher gespeichert und gelesen werden. Nachschub kann der Leser jederzeit über die integrierte Internetverbindung beziehen. In Deutschland wird dies bei den Tolino-Shine-Readern durch einen Vertrag mit der Deutschen Telekom realisiert. Außerdem ist die E-Book-Version oft für etwas weniger Geld als die entsprechende Printausgabe erhältlich. So kostet beispielsweise der aktuelle „SPIEGEL“-Bestseller „Mr. Mercedes“ von Stephen King als E-Book 18,99 €, während die Printausgabe mit 22,99 € zu Buche schlägt. Größere Preisdifferenzen sind in Deutschland allein aus rechtlichen Gründen nicht möglich – sowohl gedruckte als auch digitale Bücher unterliegen der gesetzlich festgelegten Preisbindung.
Zudem werden im Netz viele E-Books kostenlos angeboten – prominentes Beispiel ist die digitale Bibliothek „Project Gutenberg„. Dieses wurde 1971 von dem US-Amerikaner Michael S. Hart gegründet. Dabei hat es sich eine Gruppe Freiwilliger zur Aufgabe gemacht, historische Bücher der breiten Öffentlichkeit unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Denn da bei diesen Büchern in der Regel bereits das Urheberrecht abgelaufen ist, ist eine Weitergabe der eingescannten Seiten gesetzlich erlaubt. Auch bieten neue, noch unbekannte Autoren ebenfalls häufig ihre Bücher als kostenlose Downloads an. Des Weiteren überzeugen die vielen Zusatzfunktionen der aktuellen Reader: So lassen sich unbekannte Wörter per Fingertipp nachschlagen, wichtige Textstellen markieren und mit Notizen ergänzen. Kurzum: Digitale Bücher machen das Lesen komfortabel. Sie bieten vieles, was Leser an gedruckten Ausgaben vermissen.
Der Kampf mit der Technik
E-Books sollen dem Leser ein stressfreies Leseerlebnis bieten. Doch inwieweit entspricht das der Realität? Fest steht: E-Book-Reader ohne E-Books sind quasi nutzlos. Um das Gerät nutzen zu können, muss sich der Leser erst einmal ein digitales Buch herunterladen. Doch nicht jeder Reader unterstützt jedes E-Book-Dateiformat. So kann das am meisten verbreitete Format „epub“ beispielsweise nicht auf den Kindle-Readern von Amazon gelesen werden. Abhilfe schafft die Software „Calibre„– sie wandelt die Formate entsprechend um. Anschließend muss das E-Book vom Computer auf den Reader geladen werden – je nach Betriebssystem kann es auch dort zu Kompatibilitätsproblemen kommen. Auch der Akku- bzw. Stromverbrauch spielt eine Rolle – eine Sorge, die beim Lesen eines gedruckten Buches entfällt. Es kann also mitunter zu einem hohen technischen Aufwand kommen.
„Der Umstieg ist eine Kopfsache“ – auch für die Generation online?
Print oder Digital – wie steht die Jugend von heute dazu? medienMITTWEIDA war mit zwei Bücherbloggern im Gespräch. Anja kommt aus Mönchengladbach und bezeichnet sich selbst als „verrückt nach Büchern“. Ihre Leidenschaft teilt sie auf ihrem Blog „Der Bücherblog – Immer noch kreatief ohne Namen„. Jonas ist aus Bayern und liest am liebsten Fantasybücher. Auf seinem Blog „Stille Feder“ veröffentlicht er viele eigene Buchrezensionen.
medienMITTWEIDA: Bücher oder E-Books – was bevorzugst du und warum?
Anja: „Obwohl ich einen E-Book-Reader besitze, lese ich immer noch hauptsächlich gedruckte Bücher. Zum einen ist es wohl immer noch eine Sache der Gewohnheit, zum anderen mag ich einfach kein Geld für E-Books ausgeben. Wenn ich ein gedrucktes Buch kaufe, habe ich etwas in der Hand. Bei einem E-Book kaufe ich für meist nur unwesentlich weniger Geld eine Datei und erwerbe damit nur das Nutzungsrecht daran. Das gefällt mir nicht.“
Jonas: „Sowohl Bücher auch als E-Books und E-Reader haben ihre Vor- und Nachteile. Bei gedruckten Büchern liebe ich es, das Buch in meinen Händen halten zu können: Cover, Umschlag, Prägung… Wenn es um das reine Lesegefühl geht, so würde ich jedoch viel lieber zu E-Books greifen, weil das Handling einfach viel besser ist, besonders wenn man viele dicke Schmöker liest.“
medienMITTWEIDA: Für die, die noch nie einen E-Book-Reader in der Hand hatten: Was ist das für ein Gefühl und wie gewöhnungsbedürftig ist das?
Anja: „Ich empfinde es als sehr angenehm. Der Reader ist leicht, das Display sieht dank E-Ink-Technologie aus wie ein Buch und bei dem Modell, das ich besitze, ist sogar Licht dabei. Mir gefällt es auch sehr gut, dass ich die Schriftgröße auf dem Reader ändern kann.“
Jonas: „Der Umstieg von gedruckten Büchern zu E-Books ist nur eine Kopfsache und wenn man sich mal von dem Gedanken verabschiedet hat, jedes Buch danach in das Regal stellen zu müssen, dann kann man von der neuen Technologie nur profitieren.“
medienMITTWEIDA: Ist der E-Book-Reader inzwischen ein Must-have?
Anja: „Ein Must-have? Nein. Es geht auch gut ohne. Aber ein E-Book-Reader hat auf jeden Fall Vorteile. Für den Urlaub ist es – natürlich vor allem für Vielleser – unglaublich praktisch, eine ganze Bibliothek dabei und trotzdem noch Platz im Koffer zu haben.“
Von Buch-Streaming bis Lese-Flat
Dass E-Books neue Möglichkeiten eröffnen, haben inzwischen auch kleine Unternehmen erkannt. Es gibt immer mehr Angebote – von E-Book-Reader-Schutzhüllen über Zusatzsoftware bis hin zum E-Book-Streamingdienst. Letzterer ist unter dem Namen „Readfy“ in Deutschland am 7. Februar dieses Jahres an den Start gegangen. E-Book-Riese Amazon bietet seinen Kunden jetzt für 9,99 Euro im Monat eine E-Book-Flatrate namens „Kindle Unlimited“ an – bislang war diese nur Kunden in den USA vorbehalten.
Das zeigt: Ähnlich wie Musik und Film hat das Medium Buch also den Sprung in die digitale Welt geschafft. Im Zuge dessen wird häufig diskutiert, ob digitale Bücher ihre gedruckten Vorgänger eines Tages ablösen werden. Ute Lütkenhaus vom Börsenverein des deutschen Buchhandels e.V. meint dazu:
„Das E-Book ist ein sinnvolles Zusatzangebot auf dem Buchmarkt, es erweitert die bestehenden Editionsformen, wird das Print-Buch jedoch nicht ersetzen. Die Statistiken und Zukunftsprognosen deuten darauf hin, dass die Akzeptanz für das E-Book in Deutschland steigt, gleichzeitig jedoch eine hohe Affinität für das Print-Buch bestehen bleibt: Die Leser wollen die Wahl zwischen den Editionsformen haben. Wir gehen davon aus, dass in Zukunft eine zunehmende Anzahl von Konsumenten je nach Situation die Vorteile beider Formate nutzen wird.“
Letztendlich bleibt es jedem selbst überlassen, für welche Buchform er sich entscheidet, denn sowohl E-Books als auch gedruckte Bücher haben ihre Vorzüge.
Text: Ann-Kathrin Bertenrath. Bild: Sarah Krause.