Im Juni veröffentlichte die linksliberale Zeitung „El Pais“ Fotos, die das Italienische Volk nicht zu sehen bekommen sollte. Regierungschef Silvio Berlusconi im Garten seiner Villa auf Sardinien mit vielen spärlich bekleideten, jungen Frauen. Unter ihnen die damals noch Minderjährige Noemi Letizia. Bis heute weiß keiner genau um die Beziehung der beiden zueinander. Um die Wirkung dieser Fotos war er sich anscheinend bewusst, da er die Veröffentlichung gerichtlich stoppen lies. Kurze Zeit später folgte der Rückzug. Die pikanten Bilder werden doch zugelassen, weil sie laut FOCUS Online „nichts Unanständiges zeigen“ würden.
Daraufhin veröffentlichte die regierungskritische Tageszeitung „La Repubblica“ einen an Berlusconi gerichteten Fragenkatalog. Eine dieser Fragen sei laut FOCUS Online „wann Berlusconi die junge Noemi Letizia kennengelernt hat und ob er Kontakt zu anderen Minderjährigen gehabt habe“. Auch die Tageszeitung der Italienischen Linken „L’Unità“ berichtete in dieser Zeit äußerst kritisch über diesen ausschweifenden Aspekt seines Privatlebens. Über den römischen Rechtsanwalt Fabio Lepri ließ der Ministerpräsident verkünden, dass er sich durch derartige Berichterstattung in seiner Würde verletzt fühle.
Großdemonstrationen gegen die Einschränkung der Pressefreiheit
Aus diesem Grund reichte Berlusconi Klagen gegen beide Zeitungen ein, die hohe Schadensersatzforderungen beinhalteten. Dieses Vorgehen wurde seitens Journalisten, Gewerkschaften und Linksparteien als Einschüchterungsversuch gegenüber der Presse gewertet. Es scheint, als agiere der Staatschef frei nach dem Motto: „Wer zu kritisch über mich berichtet, den treibe ich in den Ruin“. Der Slogan der Großdemonstration, bei der auch Vertreter von „Reporter ohne Grenzen“ (ROG) protestierten, lautete deshalb „Nein zum Informations-Maulkorb“. Der Protestmarsch am 3. Oktober sei mit über 100.000 Teilnehmern laut dem ROG-Generalsekretär Julliard „die größte Demonstration zum Schutz der Pressefreiheit, die die Welt je gesehen hat“.
Wie unfrei ist der Sonnenstaat?
Diese Frage konnten auch die Abgeordneten des EU-Parlamentes am 21. Oktober nicht eindeutig beantworten. Ziel der von den Europäischen Liberalen eingereichten Resolution war es, den durch Berlusconi hervorgebrachten Konflikt zwischen Staat und Medien zu lösen. Durch die durch Personalunion hervorgerufene indirekte Kontrolle über den staatlichen Fernsehsender RAI, würde, so schreibt netzeitung.de, Berlusconis Medienpolitik eine Gefahr für die EU Grundrechte darstellen. Die Resolution scheiterte jedoch, da drei Stimmen für seine Regierung die Mehrheit ausmachten.
Die Organisation Freedom House hingegen findet klare Worte für den Medienmissbrauch der Regierung. „Italien fiel zurück in die ‚teilweise frei‘-Kategorie durch gerichtlich beschränkte Redefreiheit, Verleumdungsgesetze, die verstärkte Einschüchterung von Journalisten durch organisierte Verbrechen, durch politisch weit rechts stehenden Gruppen und durch Konzerne, die in Besitz medialer Konzentration sind.“
Auf der achten Rangliste zur weltweiten Situation der Pressefreiheit landete Italien dieses Jahr auf Platz 49. Unter den EU-Staaten steht Italien somit vor Rumänien auf dem vorletzten Platz, was eine ziemlich schlechte Position für einen europäischen Industriestaat ist. Des Weiteren fügte ROG-Generalsekretär Julliard in einer Pressemitteilung Anfang Oktober hinzu, dass Berlusconi kurz davor stünde in die „Liste der Feinde der Pressefreiheit“ aufgenommen zu werden.
Da kann der Staatschef die Presse Italiens als noch so frei bezeichnen, die Realität ist eine andere. Vielmehr hat Berlusconi die Macht, die Veröffentlichung pikanter Informationen zu stoppen und andererseits die Informationen, welche für ihn gute Publicity bedeuten, via Zeitungen und Fernsehen im Land zu verstreuen. Solange Silvio Berlusconi Inhaber einer solchen Macht ist, wird sich an der Presse- und Meinungsfreiheit Italiens nicht viel ändern.