Jugendsprache in sozialen Medien

Der Verfall der deutschen Sprache?

von | 16. November 2018

Kommunikation wird durch die neuen Medien deutlich beeinflusst. Leidet darunter auch die Sprache?

Am 16. November wurde der Begriff Ehrenmann beziehungsweise Ehrenfrau zum neuen Jugendwort 2018 gekürt. Zu den Nominierten gehören unter anderem Appler, Axelfasching, Borderitis, Sheesh und das Chinning. Selbst mit Anfang 20 fühlt man sich schnell alt, wenn man von den meisten Wörtern zum ersten Mal hört. Unsere Sprache scheint sich in einem rasanten Tempo zu entwickeln. 2016 wurde der Begriff fly sein zum Jugendwort des Jahres gewählt und im Folgejahr setzte sich I bims gegen die Konkurrenz durch. Hintergrund der Aktion ist eine jährliche Kampagne des Langenscheidt Verlages, der für sein Jugendwörterbuch wirbt. Neben dem Voting entscheidet eine Jury aus Schülern, Studenten, Sprachwissenschaftlern und Internetpersönlichkeiten, welcher Ausdruck gewinnt. Dabei geriet der Wettbewerb schon oft in die Kritik: Redet die Jugend von heute denn wirklich so?

Die Rolle der sozialen Medien

Kommunikation ist heutzutage leichter zugänglich als je zuvor. Wie kürzlich erst wieder aufgezeigt wurde, sind die Internetnutzerzahlen im vergangenen Jahr wieder gestiegen. Die Jugend von heute wird mit WhatsApp und Facebook groß und kommuniziert zum größten Teil über soziale Medien. Dabei kommt es zur Verschriftlichung der Sprache. Gestik, Mimik und Tonlage fallen weg. Die Kommunikation selbst wird ebenfalls kurzläufiger und informeller. Die begrenzte Zeichenanzahl auf Twitter war ursprünglich dazu da, Nachrichten so kurz und prägnant wie möglich zu formulieren. Heute ist es gängig, seine Meinung, egal wie komplex die Sachverhalte sind, auf 280 Zeichen herunterzubrechen. Auch in der alltäglichen Kommunikation über Messenger sind Abkürzungen, grammatikalisch unvollständige Sätze, das Ignorieren der Groß- und Kleinschreibung sowie der Verzicht auf Punkt- und Kommasetzung zur Normalität geworden, weil sie für das Verständnis nicht zwingend notwendig sind. In extremeren Fällen ersetzen Ziffern sogar Wortendungen oder ganze Worte (1 statt „ein“). Selbst die Verwendung von Verben ist eher optional. Ein weiterer Trend, dem mittlerweile nicht nur Medienmacher folgen, ist das Einbringen von Anglizismen.

Sprachverarmung oder -entwicklung?

Bei Linguisten ist die Entwicklung oft positiv belegt, da sie die sprachlich kreative Leistung der Jugendlichen anerkennen, wohingegen in der Presse oft von einem Verfall der Sprache die Rede ist. Dass eine Entwicklung normal ist, beweist das Jugendsprache-Ranking von Claudia Janetzko und Marc Krones der Universität Wuppertal. Demnach verwendete man um 1900 famos oder splendid als Ausdruck der Bewunderung. Zwischen 1900 und 1930 waren dafür knorke und fabelhaft beliebt. In den 60ern sagte man dufte, in den 70ern bombastisch und in den 80ern und 90ern oberaffengeil. Seit den 2000ern erfreut sich geil oder fett großer Beliebtheit. Demnach ist die Schuld nicht nur den Medien des 21. Jahrhunderts zuzuschreiben. Fragwürdig bleibt jedoch, ob die Entwicklung von famos zu fett wirklich erstrebenswert ist. Nicht nur unser Wortschatz, auch die Art wie wir schreiben hat sich verändert. Grund sind oftmals Trends die durch das Internet kommen, aber auch genauso schnell wieder gehen. Dies bewies zuletzt der Ausdruck „I bims“, welcher im Jahr 2017 noch ein gefeierter Insider war und heute nur noch müde belächelt oder unkommentiert und genervt hingenommen wird. Auch Ergänzungen wie *grins* oder *lach* sind im heutigen Schriftverkehr überholt. Stattdessen werden Smileys verwendet. Wer auf diese verzichtet, wird schnell verdächtigt, schlecht gelaunt, gestresst oder gar wütend auf den anderen zu sein.

Jeder kennt es und dennoch entstehen häufig Missverständnisse. (Bild: A. Lê)

Die eigentliche Bedeutung unserer Sprache

Es stimmt also: Der alltägliche Umgang mit sozialen Netzwerken wirkt sich auf unseren Sprachgebrauch aus, die mediale Zielgruppe zwischen 14 und 25 wird durch den Gebrauch stärker beeinflusst. Doch bei der Diskussion vergessen wir oftmals die eigentliche Bedeutung der Sprache und diese besteht nach wie vor in der Informationsübertragung. Solange die Verständigung noch generationsübergreifend funktioniert, kann der „Verfall“ unserer Sprache noch nicht schlimm genug sein, als dass er tatsächlich besorgniserregend wäre. Wichtig ist auch, dass die formale Sprache von der umgänglichen unterschieden werden kann und trotz der veränderten Schreibweise in Social Media Sätze grammatikalisch richtig gebildet oder Bewerbungen geschrieben werden können. Wer das Jugendwort des Jahres nicht in seinem Wortschatz verwendet, muss sich aber nicht zwangsläufig alt fühlen. Die Jury des Jugendwortes 2017 bestätigte, dass sie das Wort fly zwar schon gehört, jedoch noch nie benutzt hätten.

Text und Bilder: Annika Lê
<h3>Annika Lê</h3>

Annika Lê

studiert Medienmanagement mit der Vertiefung Media and Economics und ist seit Februar 2018 Redakteurin bei medienMITTWEIDA.