Wenige Klicks auf der Internetseite des Digitalen Organspende-Registers, eine sichere Anmeldung mit der eID-Funktion des Personalausweises und innerhalb von zehn Minuten kann die eigene Erklärung zur Organspende digital hinterlegt werden. Seit dem 18. März 2024 ist dies in Deutschland möglich. Ein Meilenstein für die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens, auch wenn der ursprüngliche Start des Registers bereits für März 2022 geplant war. Welche alten Probleme das elektronische Organspende-Register jetzt löst und warum es ein kleiner Schritt auf dem Weg zum Ziel ist, die Zahl der gespendeten Organe zu erhöhen.
Organspenden retten Leben
153.103 Transplantationen – das ist die Zahl der Transplantationen in Deutschland von 1963 bis 2023, die Menschen, deren eigene Organe versagten, eine neue Chance gaben. Organspenden sind eine wichtige Voraussetzung für die Behandlung kranker Menschen und nach Unfällen oder Krankheiten oft die einzige Möglichkeit. Auch wenn die Zahl der Transplantationen hoch erscheint, ist die aktuelle Situation angespannt. Dem Bedarf von mehr als 8.000 Patienten*innen, die auf ein Spenderorgan hoffen, standen 965 Spender*innen gegenüber, die im Jahr 2023 insgesamt 2.877 Organe spendeten. Dazu kommt eine im europäischen Vergleich eher geringe Anzahl von zehn Organspender*innen pro einer Million Deutschen im Jahr 2022. Im Vergleich zum europäischen Spitzenreiter Spanien: Hier waren es rund 42 Menschen pro einer Million. Die gute Nachricht: 2023 stieg die Zahl in Deutschland leicht auf 11,4 an.
Was und wann wird gespendet?
Als Spenderorgane gelten nur Organe, die auch erfolgreich transplantiert wurden. In Deutschland können die Organe Herz, Lunge, Niere, Leber, Bauchspeicheldrüse und Darm gespendet werden. Am häufigsten wird die Niere gespendet, am seltensten der Darm.
Medizinische Voraussetzung für eine Organspende in Deutschland ist der irreversible Hirnfunktionsausfall (IHA). Dieser wird von zwei qualifizierten Ärzten unabhängig voneinander festgestellt. Beide dürfen mit der Organspende nichts zu tun haben.
Entlastung für Angehörige
Emotional belastete Angehörige von verstorbenen Patient*innen sind häufig der schwierigen Situation gegenübergestellt worden, zu entscheiden, ob die eigenen Angehörigen ihre Organe spenden wollten oder nicht. Denn die bisher einzige Möglichkeit, seine Erklärung auf einem kleinen Papierausweis niederzuschreiben, birgt einige Probleme. Verloren oder in der ganzen Wohnung nicht auffindbar – so konnten wichtige und willige Spender*innen verloren gehen. Wenn die Angehörigen eines Verstorbenen ohne Spendeerklärung selbst entscheiden mussten, kam es nur in zehn Prozent der Fälle zu einer Zustimmung zur Organspende. Da die analoge Variante, seine Erklärung zur Organspende festzuhalten, mit einigen Unsicherheiten verbunden war, bietet das neue digitale Organspende-Register eine gute Lösung für alte Probleme. Ab dem 1. Juli 2024 startet die zweite Phase der Einführung des Registers und damit wird ab dann die Abrufbarkeit der hinterlegten Erklärung möglich sein. Zukünftig wird das Register in den Entnahmekrankenhäusern für berechtigte Ärzt*innen zugänglich sein. Die Erklärung des verstorbenen Patienten kann abgerufen werden, ohne die Angehörigen mit schwierigen Fragen konfrontieren zu müssen. Das sorgt nicht nur für mehr Sicherheit, sondern entlastet auch das Krankenhauspersonal von schwierigen Gesprächen.
Schnell und sicher mit eID
Die Erklärung zur Spendebereitschaft kann nur über die Internetseite Organspende-register.de abgegeben werden. Das Portal ist ein Angebot des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte. Die Registrierung ist innerhalb weniger Minuten möglich. Für die Registrierung wird zum jetzigen Stand die Online-Funktion des Personalausweises „eID” akzeptiert. Dadurch werden die erforderlichen persönlichen Daten direkt vom Personalausweis übernommen und müssen nicht händisch eingetragen werden. Wer allerdings die eID-Funktion seines Personalausweises noch nicht freigeschaltet hat, kann sich derzeit nicht registrieren. Erst in der dritten Stufe der Einführung des Registers, von Juli bis spätestens September 2024, wird der Zugang zum Register in den Krankenkassen-Apps und über die GesundheitsID möglich sein. In den weiteren Schritten der Registrierung werden außerdem die Krankenversichertennummer sowie eine E-Mail-Adresse benötigt. Am Ende der Registrierung erhält jeder eine Bestätigungsmail inklusive einer Erklärungs-ID. Diese Erklärungs-ID muss sorgfältig aufbewahrt werden, da sie für eventuelle Änderungen unbedingt erforderlich ist. Geht die Erklärungs-ID verloren, lässt sich die alte Erklärung nicht mehr bearbeiten. In diesem Fall kann nur eine weitere Erklärung abgegeben werden. Es wird immer die jüngste Erklärung als Grundlage genutzt.
Die digitale Barriere
Mit dem Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende hat die Bundesregierung den Weg frei gemacht, um den Bürger*innen mehr Informationen zur Organspende bereitzustellen. Die Aufklärung über Organspende in Erste-Hilfe-Kursen, bei Hausärzt*innen sowie Aufklärungsmaterial und Beratungsmöglichkeiten in den Ausweisstellen stellen eine wichtige Begleitung zum digitalen Organspende-Register dar. Bei den Registrierungsmöglichkeiten wurden jedoch Abstriche gemacht, welche die Barrierefreiheit einschränken. So wurde die ursprünglich in Bürgerämtern angedachte Möglichkeit der Registrierung verworfen, da die technische Infrastruktur fehlte und die Finanzierung unklar war. Klar ist, dass der Zugang und die Nutzung des Internets mit zunehmendem Alter der Menschen in Deutschland abnehmen. Dies kann dazu führen, dass die selbstständige Abgabe einer digitalen Organspendeerklärung für diese Menschen erschwert oder sogar unmöglich wird. Dennoch ist es wichtig, diese Personen im Register zu erfassen, da sie einen wichtigen Anteil der Spender*innen ausmachen. Das Medianalter der Organspender lag im Jahr 2023 bei 58 Jahren.
Spender*innen in anderen Ländern
In anderen europäischen Ländern ist die Organspende unterschiedlich geregelt. Während wir in Deutschland die „Entscheidungslösung” haben, setzen Länder wie Spanien, Großbritannien oder die Niederlande auf die „Widerspruchslösung”. Auch in der deutschen Politik hat es bereits Debatten über die Einführung dieser Regelung gegeben. Die Widerspruchslösung, bei der jeder als Spender*in registriert wird und nur durch einen aktiven Widerspruch nicht als Spender*innen zählt, hat es nicht durch den Bundestag geschafft. So muss weiterhin jeder Spender*innen eine Erklärung abgeben. Weitere Unterschiede liegen in den medizinischen Voraussetzungen für eine Organspende: In einigen europäischen Ländern ist eine Organspende auch nach Feststellung eines Herz-Kreislauf-Stillstandes möglich und macht teilweise einen entscheidenden Anteil der Spender*innen aus. In Spanien, dem Spitzenreiter bei der Organspende, hatten im Jahr 2023 mehr als 40 Prozent der Spender*innen einen Herz-Kreislauf-Stillstand. In Deutschland ist eine Organspende erst nach einem irreversiblen Hirnfunktionsausfall möglich. Neben den unterschiedlichen Handhabungen bei den Organspenden gibt es jedoch auch einen Zusammenschluss der Länder, um die Organspende über Landesgrenzen hinweg zu organisieren. Die Stiftung Eurotransplant sorgt für eine Zuteilung von Spenderorganen in acht europäischen Ländern nach medizinischen und ethischen Gesichtspunkten.
K(l)eine Lösung des Problems
Das digitale Organspende-Register ist eine gute Erneuerung für die Erfassung der Spendenbereitschaft. Daraus lässt sich jedoch nicht schließen, welchen Einfluss es auf die Anzahl an Organspendern haben wird. Betrachtet man die Entwicklung in anderen Ländern ist schnell erkennbar, dass eine steigende Anzahl an Organspendern durch viele Faktoren bedingt wird. Selbst nach dem Wechsel einiger Staaten von der Entscheidungslösung hin zur Widerspruchslösung, also genau dem selben Wechsel, der im Bundestag vorgeschlagen wurde, hat es laut einer Studie des Max-Planck-Institutes für Bildungsforschung keine signifikante Auswirkung auf die Spenderzahlen gegeben. Laut Dr. med. Axel Rahmel, dem medizinischen Leiter der Deutschen Stiftung Organtransplantation, sei kein starker Anstieg der Spenderzahlen zu erwarten. „Dieser Effekt wurde bisher international noch in keinem Land beobachtet” – erklärt er in seiner Stellungnahme zur Veröffentlichung des Registers. Und trotzdem sei das Register ein wichtiger Schritt. Insbesondere helfe „die begleitende Aufklärungskampagne und die mediale Berichterstattung” so Rahmel und setze das Thema mehr in den Fokus der Bürger*innen.
Kurzkommentar des Autors
Das digitale Organspende-Register ermöglicht es erstmals, zuverlässig niederzuschreiben, wie die eigene Haltung zur Organspende ist. Dabei ist der messbare Fortschritt erst einmal gering und fraglich ist, ob wir für diesen kleinen Schritt wirklich mehr als 25 Jahre länger als unsere Nachbarn benötigen mussten. Klar ist jedoch, dass die Arbeit an dieser Stelle erst anfängt. Die Leute müssen über das Thema Organspende mehr informiert werden und in behördlichen Vorgängen nach ihrer Entscheidung gefragt werden. Wichtig ist, dass jedem klar ist, dass ein Gesetz, ein Register oder ähnliches nie die Lösung bringen wird – denn die Gesellschaft muss für das Thema sensibilisiert werden und das braucht Zeit. Jeder kann sich in der Situation wiederfinden und mit Angehörigen und seinem Umfeld einmal über das Thema sprechen. Denn wer selbst auf ein Organ angewiesen ist, darf nicht allein gelassen werden und sollte von der Gesellschaft aufgefangen werden. Es ist also ein zweiseitiges Interesse für gesellschaftliches Engagement und jeder sollte die zehn Minuten aufbringen, um seine Erklärung zur Organspende zu hinterlegen.
Text, Titelbild: Paul Frommann