Tierische Helfer

Der Weg zum Blindenführhund

von | 1. Januar 2021

medienMITTWEIDA begleitet Blindenführhunde beim Spaziergang. Was zeichnet diese aus?

Köpfchen durch und „click“ . Der Führbügel sitzt. Collie-Rüde Obelix Maximus weiß genau, was das bedeutet: Arbeitsmodus on. Bitte nicht stören. Ich bin nun für ein Menschenleben verantwortlich! Zügig aber souverän führt Obelix seine Ausbilderin durch die belebte Stadt. Dabei zeigt er gewissenhaft unebenen Boden, zu überquerende Straßen und Höhenhindernisse an. Doch nach einiger Zeit: Schnell den Bügel wieder ab. Mit aufkommender Unkonzentriertheit ergibt das Training keinen Sinn.

Speziell ausgebildete Blindenführhunde unterstützen sehbehinderte Menschen bei der Bewältigung ihres Alltages. Sie helfen bei der Orientierung und bieten Sicherheit in gewohnter und fremder Umgebung. Selbstbestimmtheit, Mobilität und die Integration in die Gesellschaft werden durch den Helfer Hund ermöglicht.

Der Weg zum Blindenführhund ist lang. Ausbilderin Manuela Kroma hat dabei ihre eigene Devise: „Qualität statt Masse.“ Individuell vom Hund abhängig, dauert die Ausbildung bei ihr etwa zwölf Monate. Seit ihrer Kindheit interessiert sich Kroma für Tiere. 2005 erhielt sie den ersten Kontakt zu einer Blindenhundeschule. Dort erlernte Kroma ihr theoretisches und praktisches Wissen über die Ausbildung von Blindenführhunden. Seit 2013 geht sie ihre eigenen Wege.

Einblicke in das Blindenführhund-Training. Video: Melanie Rothe

Die Qual der Wahl

Kroma bezieht die zukünftigen Blindenführhunde von Züchtern, die sie bereits selbst gut kennt. Diese kennen die speziellen Anforderungen und empfehlen ihr passende Welpen. „starke Nerven, Ausdauer, Umwelt- und Sozialverträglichkeit, angemessene Triebstärke sowie Unterordnungsbereitschaft sind dabei die wesentlichen Kriterien“, so Kroma. Die Triebstärke kennzeichnet Hunde, die eine große Affinität zu einer bestimmten Sache haben. Diese wird dann mit viel Energie gesucht. In der Ausbildung zum Blindenführhund sind ein hoher Jagd- und Wehrtrieb unerwünscht. Dagegen ist beispielsweise ein Futter- oder Spieltrieb gern gesehen, um beim Training den Hund zu motivieren. Die sogenannte Leichtführigkeit, bei der es einfacher wird, mit den Hunden umzugehen und diese auszubilden, stellt ein weiteres Kriterium dar. Kroma gibt den Hunden zwar die Chance, diese Eigenschaften im Laufe der Zeit noch zu entwickeln, der Kern muss jedoch bereits vorhanden sein. Natürlich spielt auch die gesundheitliche Verfassung des Tieres bei der Auswahl eine wichtige Rolle.

Achtung Reizkonfrontation

Am heutigen Tag ist die Ausbilderin Kroma mit den Hunden Cap, Obelix und Idefix unterwegs. Schäferhund Cap ist bereits mit seiner Trainingseinheit fertig und wartet mit Obelix im Auto. 

Der sieben Monate alte Idefix vom Albatros (Zuchtname, Anm. d. Red.) ist ein sehr fröhlicher und nervenstarker Hund. Der schwarze Großpudel befindet sich in der Sozialisierungsphase und hat seine Ausbildung noch nicht begonnen. „Während der Sozialisierung werden die Hunde mit verschiedenen Reizen konfrontiert, von der Begegnung mit Laufenten bis hin zum Stadtleben. Dabei dürfen die Hunde sich alles in Ruhe anschauen und kennenlernen. Es gibt hierbei noch keine Anforderungen, wie beispielsweise bei Fuß zu laufen“, erzählt Kroma. Idefix zeigt sich auf dem kurzen Spaziergang in der Stadt und durch das Shopping-Center sehr neugierig, aber auch sicher. Er läuft wie selbstverständlich an Autos, anderen Hunden und Kinderwagen vorbei. Es stört ihn ebenfalls nicht, über ein Metallgitter zu laufen.

                                                          Idefix steht unbeeindruckt auf einem Metallgitter. Bild: Melanie Rothe

Idefix will gefallen und staubt gerne das ein oder andere Leckerli von seiner Ausbilderin ab. Sie weist darauf hin, dass es insbesondere in der Sozialisierungsphase wichtig sei, dass die Hunde möglichst keine negativen Erfahrungen sammeln. Dafür umgeht sie vorausschauend potenzielle Gefahrenquellen. „Die Hunde sollten also beim Training mit sich selbst im Reinen sein, sprich beispielsweise nicht durch den Zahnwechsel oder die Läufigkeit (Geschlechtsreife der Hündin, Anm. d. Red.) abgelenkt sein.“

Idefix, Obelix und Cap genießen ihre Freizeit. Bild: Manuela Kroma

Bügel drauf – Los gehts

Nach dem Spaziergang mit Idefix findet die Trainingseinheit von Obelix statt. Dafür gibt es am Auto einen schnellen Wechsel zwischen den beiden.

Collie Obelix Maximus vom Kaltwassertal (Zuchtname, Anm. d. Red.) ist nicht zu übersehen. Mit seiner Schulterhöhe von ungefähr 68 Zentimeter und einem kräftigen Körperbau macht er seinem Namen alle Ehre. Mit eineinhalb Jahren ist Obelix ausgewachsen und hat bereits seinen Gesundheitscheck bestanden. Dieser ist eine Grundvoraussetzung für die Ausbildung zum Blindenführhund und muss dementsprechend positiv ausfallen. Augen, Ohren, Blut, Gelenke, Wirbelsäule – Obelix wurde auf Herz und Nieren getestet. Auch in anderen Bereichen wie Sozial- und Umweltverträglichkeit schnitt er gut ab. Seiner Ausbildung stand nichts im Wege. Inzwischen hat er schon erste Ausbildungsinhalte erlernt und kann sie nun in der Stadt unter Beweis stellen.

                                                          Stehenbleiben und Belohnung an der Ampel. Bild: Melanie Rothe

Obelix tritt sehr souverän und ausgeglichen auf. Neben den Unterordnungs-, Führungskommondos und solchen zur Richtungsänderung, beherrscht er bereits auch sogenannte Suchelemente. „Zu den Suchelementen gehören beispielsweise Bus, Bank oder auch Treppe. Die gesuchten Objekte werden dann von Obelix mit dem Kopf angezeigt“, sagt Kroma. Doch bevor Obelix den Bügel angezogen bekommt, darf er eine kleine Runde entspannt an der Leine laufen und seine Geschäfte verrichten. Es ist wichtig, Freizeit von Arbeit zu trennen. 

Am Bügel weist Obelix ein schnelles Lauftempo auf. Demzufolge sei es erforderlich, dass sein zukünftiger Besitzer ebenso schnell läuft. Neben den Kommandos sei es außerdem wichtig, dass Obelix lernt, seine Umgebung einzuschätzen und Gefahrenquellen anzuzeigen. So hält er beispielsweise sicher an der Straße an und weist auf Bodenunebenheiten hin, indem er langsamer wird. Höhenhindernisse, wie zum Beispiel Schranken, sind ebenso Ausbildungsinhalt.

Achtung Höhenhindernis. Bild: Melanie Rothe

Obelix muss dabei einschätzen, ob es seinem geführten Menschen möglich ist, dieses Hindernis zu überwinden oder nicht. So soll Obelix vor der Schranke anhalten und wird dann aufgefordert, einen alternativen Weg zu finden. Zwischendurch nimmt Kroma Obelix den Bügel ab, da er unkonzentriert wird. Das Training ergibt keinen Sinn, wenn der Hund nicht aufnahmefähig ist. Deshalb sollte es den Hund weder unterfordern noch überfordern, um einen positiven Lerneffekt zu erreichen.“ Nach der Trainingsrunde ist Obelix sichtlich ausgelastet. Hechelnd legt er sich zu Kromas Füßen und schmiegt sich an.

Obelix weiterer Weg

Obelix hat zwar schon einiges gelernt, ist jedoch noch mitten im Lernprozess. Er muss noch weitere Suchelemente, wie „Schalter“ und “Post”, erlernen. Danach folgt die Phase der Festigung. Kroma meint: „Ich gebe keinen Hund unter zwei Jahren ab. So wird Obelix frühestens nächsten Sommer übergeben.“ Die Ausbilderin erhält die Anfragen von den Blinden, beziehungsweise deren Betreuungspersonen, persönlich. Bisher gibt es eine Frau, von der sie glaubt, dass „Obelix“ gut zu ihr passen könnte. Dies wird sich aber erst noch im Laufe der Zeit zeigen. 

Generell dauert die Einarbeitung zwischen Hund und erblindeten Menschen sechs bis zwölf Wochen. In dieser Zeit wohnt der Blindenführhund bereits in seinem neuen Zuhause. Lektionsweise wird dann die Zusammenarbeit erlernt. „Für den Hund ist es eine große Umstellung, jemand anderen zu führen, insbesondere während ich noch dabei bin. Die Blinden berichten meist, dass es viel besser läuft, wenn ich nicht dabei bin.” Aus diesem Grund ist Kroma bei der sogenannten Gespannprüfung am Ende nicht dabei. Hierbei wird geprüft, wie gut Hund und Blinder miteinander zurechtkommen. Die Schwerpunkte sind dabei von Team zu Team unterschiedlich. So braucht ein Gespannteam, welches auf dem Land lebt, nicht alle Elemente, die Teams aus einer Großstadt aufweisen müssen.

Obelix führt seine Ausbilderin zügig über die Straße. Bild: Melanie Rothe 

Einfluss von Corona auf die Ausbildung

Die Corona-Pandemie beeinflusst auch die Ausbildung zum Blindenführhund. „Insbesondere die Maskenpflicht erschwert die erforderliche Kommunikation zwischen Mensch und Hund“, erklärt Kroma. Auch können die Hunde nicht einordnen, weshalb auf einmal alle vermummt sind. Dies führt zunächst zu Unsicherheiten. Die Einhaltung des vorgeschriebenen Mindestabstandes stellt ein weiteres Problem dar. Der Blindenführhund hat eine individuelle Distanz, die er beim Führen seines Menschen einhält. Jedoch ist es nur schwer möglich, dem Hund die geforderten anderthalb Meter Mindestabstand näherzubringen.

Hinweise

Um die Arbeit für den Blindenführhund zu erleichtern und die Sicherheit des blinden Menschen zu gewährleisten, sollte auf Folgendes geachtet werden:

  • Abstand zum Hund halten
  • nicht anfassen oder ansprechen
  • Kommunikation sollte, wenn notwendig, nur über den Hundeführer erfolgen
Text, Titelbild, Video: Melanie Rothe, Beitragsbilder: Melanie Rothe; Manuela Kroma
<h3>Melanie Rothe</h3>

Melanie Rothe

ist 21 Jahre alt und studiert in Mittweida Medienmanagement. Seit diesem Semester ist sie Teil von medienMITTWEIDA und unterstützt die Bildredaktion. Ihre persönlichen Interessen liegen neben der Fotografie im Bereich der Tiere und dem Erkunden von neuen Orten.