„Die Grünen, die heuchlerischste, abgehobenste, verlogenste, inkompetenteste und gefährlichste Partei, die wir aktuell im Bundestag haben“, sagt Sahra Wagenknecht. Mit dieser Meinung scheint sie nicht allein zu sein, die Umfragewerte der Partei sind derzeit mit gerade mal zwölf Prozent auf einem Tief. Trotzdem bleiben die Grünen optimistisch und haben mit Robert Habeck auch schon ihren eigenen Kanzlerkandidaten gestellt. Doch wieso gibt es so viel Hass auf die Partei und ist dieser gerechtfertigt?
Wer Politik machen und mitentscheiden will, der hat meistens auch viele Feinde. Kaum eine Partei hat ein so großes Maß an Hass und Wut auf sich gezogen wie die Grünen. Besonders im Osten ist der Missmut über die Partei groß, was aus den jüngsten Landtagswahlen abgeleitet werden kann. Doch wer hat Schuld daran? Die sozialen Netzwerke, die Weltpolitik, die Populisten, die Ampel oder die Partei selbst?
Wie ist die Partei zu diesem Punkt gekommen?
In den neuesten Umfragen liegen die Grünen derzeit bei nur zwölf Prozent, in manchen Bundesländern wie Sachsen-Anhalt liegt die Partei sogar bei nur drei Prozent. Weit weg von den 14,7 Prozent, welche das Bündnis 90/Die Grünen bei der letzten Bundestagswahlen 2021 noch hatte. Die Bevölkerung ist unzufrieden, das merkt auch die Politik, sonst hätte Kanzler Scholz auch nicht die Vertrauensfrage gestellt. Doch während andere Parteien wie die FDP nur still am Wahltag bestraft werden, gibt es gegen die Grünen weit mehr verbale und zunehmend auch körperliche Angriffe. Von den Angriffen auf Politiker 2023 waren knapp 43 Prozent der Opfer Mitglieder der Grünen.
Doch das war nicht immer so. Während es die Grünen bis Ende der 2000er Jahre nie geschafft haben, in den zweistelligen Bereich zu kommen, hatten sie Ende der 2010er Jahre einen Höhenflug. Gerade in der zweiten Hälfte des letzten Jahrzehnts trafen die Grünen genau den Zeitgeist. Klimaschutz hatte für die Jugend eine große Bedeutung, was auch an Bewegungen wie „Fridays for Future“ zu erkennen war. Doch diese Euphorie wurde während der aktuellen Legislatur abrupt ausgebremst. Die Corona-Pandemie, die darauf folgende Wirtschaftskrise und Inflation sowie der Angriff Putins auf die Ukraine führten dazu, dass für junge Menschen andere Dinge zur Priorität wurden. Dieser Trend ist auch an den Wahlergebnissen zu erkennen. Während bei der Europawahl 2019 noch 34 Prozent der 16- bis 24-Jährigen die Grünen wählten, waren es bei der Wahl 2024 nur noch elf Prozent. Dazu kommt die „Letzte Generation”, eine Aktivistengruppe, die 2021 in Deutschland gegründet wurde. Diese stand durch ihre teilweise radikalen Aktionen stark in der Kritik. Beispielsweise wenn Mitglieder sich an Gemälden festklebten oder Straßen blockierten. Auch aus der Gesellschaft gab es nur wenig Verständnis.
Jedoch lässt sich die sinkende Popularität nicht nur allein auf den veränderten Zeitgeist zurückführen. Auch die Grünen selbst tragen durch ihre unzureichende Kommunikation einen Teil der Verantwortung. Teile der Bevölkerung sehen die Kommunikation der Grünen als „elitär und von oben herab”. Immer wieder wird der Partei vorgeworfen, realitätsfremd zu sein und sich nicht auf das Wesentliche zu konzentrieren. Des Weiteren gibt es auch an den Personen der Spitze Kritik: Sie werden beschuldigt, nicht genug Lebenserfahrung zu haben, da diese größtenteils nicht außerhalb der Politik tätig waren.
Mittlerweile haben die Grünen außerdem das Image der Verbotspartei, da sie sich gegen Umweltrisiken wie Verbrenner und Kernergie aussprechen. Besonders ihr Heizungsgesetz hat bei älteren Menschen für viel Unmut gesorgt. Dieses Image versuchen andere Parteien und Populisten zu verstärken, indem sie behaupten, dass die Grünen Dinge, wie zum Beispiel den Fleischkonsum, verbieten wollen, die so nicht im Parteiprogramm stehen. So schaffen es Populisten, die Wut und Angst gegenüber den Grünen in der Bevölkerung noch zusätzlich zu schüren. Parteien funktionieren immer gut, wenn sie ein Feindbild haben und einige Parteien haben sich die Grünen als dieses herausgesucht.
Zu radikal oder nicht radikal genug?
Stark in der Kritik stehen die Grünen des Weiteren wegen ihrer Politik, die von allen Seiten angegriffen wird. Von links gibt es Missbilligung, da die Partei in ihrer Zeit in der Regierung zu viele Kompromisse eingegangen ist. Eine radikale Öko- und Friedenspartei waren die Grünen zwar spätestens seit den 90ern nicht mehr, dennoch empfinden viele Wähler das Liefern von Waffen in ein Kriegsgebiet als einen Verstoß gegen grundlegende Prinzipien. Auch viele Umweltschützer sind von der Partei enttäuscht, da sie ihrer Meinung nach nicht genug für das 1,5-Grad-Ziel tun. Vor allem Lützerath und der Deal mit RWE haben dazu geführt, dass sich zahlreiche Aktivisten von der Partei distanziert haben, darunter auch Greta Thunberg. Die Klimabewegung „Fridays for Future” übt ebenso Kritik an den Grünen und ihren Kompromissen in der Bundesregierung aus. In Lützerath ging es schließlich so weit, dass Mitglieder der Grünen gegen die Beschlüsse ihrer eigenen Partei protestierten.
Andere Parteien jedoch werfen den Grünen vor, zu radikal zu sein. Die Veränderungen würden zu schnell und plötzlich passieren. In ihrer Politik gehe es zu stark um Ideologie und sie würden zu wenig Kompromisse eingehen. „Die Grünen stehen für den wirtschaftlichen Niedergang Deutschlands“, so CSU-Chef Markus Söder. Diese Meinung teilen auch viele Menschen in seiner Partei. Besonders am rechten politischen Rand gelten die Grünen oft als Untergangspropheten, die durch Angst an die Macht gelangen wollen. Dort ist die Ansicht weit verbreitet, dass der menschengemachte Klimawandel eine Lüge sei.
Außerdem sind viele Menschen aus der Landwirtschaft gegen die Grünen. Sie sind davon überzeugt, dass Vorschriften und Einschränkungen der Partei ihre Lebensgrundlage gefährden würden. Dies führte zu vielen Bauernprotesten gegen die Grünen – unter anderem in Biberbach. Dort schloss sich 2023 ein Mob wütender Bauern mit teils aggressiven sowie gewalttätigen Motiven beim politischen Aschermittwoch der Grünen zusammen. „Wir sind ja im Moment Prügelknabe der Nation, alles wird auf uns abgeladen, ob es nun stimmt oder nicht“, so Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg und Mitglied der Grünen.
Die Chancen der Grünen im Februar
Trotz der geringen Umfragewerte herrscht bei den Grünen scheinbar Optimismus. Siegessicher verkündete Robert Habeck seine Kanzlerkandidatur auf dem Parteitag im November. Aber wie stehen seine Chancen wirklich? Böse Zungen bezeichnen seine Kanzlerkandidatur als Himmelfahrtskommando, doch die Partei steht geschlossen hinter Habeck. Die Grünen bauen jetzt auf einen klaren Kurs und versuchen, Uneinigkeiten innerhalb der Partei zu vermeiden. Die Kanzlerkandidatur von Robert Habeck wird damit begründet, dass die Partei von 2018 bis 2021 unter seiner Führung als Vorsitzenden ihre erfolgreichste Phase hatte. Diese Beliebtheit versuchen sie jetzt zurückzugewinnen. Doch Robert Habecks Beliebtheit hat auch Schäden genommen. Er stellte in den letzten zwei Jahren über 700 Anzeigen wegen Hassnachrichten. Sein Ziel für die nächste Wahl ist es, enttäuschte Wähler der Merkel-CDU, die sich von Friedrich Merz abgewendet haben, für die Grünen zu gewinnen. Dafür setzt er auf weniger Ideologie und Symbolpolitik, um eine breitere Zielgruppe anzusprechen. Es bleibt abzuwarten, ob dies die Wut und Ablehnung, mit der die Partei derzeit konfrontiert ist, lindern wird.