Erst vor einiger Zeit wurde Deutschlands schönstes Mädchen gekürt, doch jetzt beginnt schon wieder die Suche nach neuen Talenten. Auch „DSDS“ lädt zum Casting ein, um den nächsten Superstar zu finden. Doch was zeichnet Castingshows genau aus und wie viel Wahrheit und Fake steckt wirklich dahinter?
Die Ursprünge der Castingshow gehen auf das Jahr 1999 zurück, als die erste Staffel von „Popstars“ in Neuseeland gedreht wurde. Der Begriff der Castingshow steht für die Idee, dass scheinbar jeder zum Superstar werden kann, sofern die Person bereit ist, sich einem klaren Erfolgsprinzip unterzuordnen. Für viele ist es der ganz große Traum, auf der Bühne zu stehen. Egal ob „Deutschland sucht den Superstar“, „Das Supertalent“ oder „Germanys Next Topmodel“ – alle wollen im Rampenlicht ihr Können unter Beweis stellen und oft erscheint dieser Wunsch so greifbar. Man nehme in die Auswahl der Teilnehmer Menschen mit emotionalen Geschichten, bauscht sie mit dramatischer Musik und zahlreichen künstlichen Tränen auf und erweckt so beim Zuschauer ein Gefühl der Vertrautheit.
Als zweite „goldene“ Regel stehen die Emotionen, von der die Show lebt. Bestimmte Typen von Teilnehmern werden herausgepickt und abseits der Veranstaltung mit der Kamera begleitet. „Mit jeder neuen Folge wird die Fortführung einer Geschichte erzählt. Im Grunde eine Art modernes Märchen. Aber auch Comedyelemente und immer wieder neue visuelle Reize sind wichtig. Die Zuschauer möchten ganz einfach gut unterhalten werden, wenn sie DSDS einschalten“, so DSDS-Expertin Anke Eickmeyer von RTL gegenüber medienMITTWEIDA. Heidi Klum drückte in einer Spezialsendung auf die Tränendrüse und zeigte sich als mitfühlende Freundin „ihrer Mädchen“, um damit ihr Image aufzubessern. Das Topmodel geriet in den vergangenen Staffeln immer häufiger in die Kritik, da sie ihrer Vorbildfunktion für tausende junge Mädchen nicht gerecht werde. Oft wurde penibel das Maßband bei superschlanken Mädchen angelegt. Mit der neuen Kampagne „Show yourself“ wollte Klum die neunte Staffel dieses Jahr persönlicher und individueller wirken lassen.
„Ich habe die Fernsehaufnahme abgesagt.“
Ob zickiges Blondchen, aufreizende Sexbombe oder der nette Junge von nebenan – als dritter Faktor stechen die verschiedenen Rollenbilder heraus, die häufig aneinander geraten und damit für Spannung sorgen. „Rollen sind zwar nicht direkt vorgegeben, aber da man keinen Einfluss darauf hat, was letztlich im TV ausgestrahlt wird, hat RTL die Möglichkeit, nur gewisse Dinge von dir zu zeigen oder alles so zurecht zu schneiden, dass du eben in eine bestimmte Rolle hineinpasst“, so DSDS-Teilnehmer Felix Hahnsch gegenüber medienMITTWEIDA. Er war unter den letzten fünfzehn Teilnehmern im Jahr 2011. Obwohl es in der Begründung der Jury für den Rauswurf häufig heißt: „Du hast dir einfach den falschen Song ausgesucht, der passt nicht zu dir“, sind Kleidung und Lieder größtenteils vorgegeben, so Hahnsch weiter. Das kann sogar in den Teilnahmebedingungen von DSDS nachgelesen werden:
„Der Produzent behält sich das Recht vor, den Teilnehmer nach Rücksprache mit dem Vocal Coach dazu zu verpflichten, ein bestimmtes Lied zu singen oder ein Lied aus einem bestimmten Genre vorzutragen.“ Und: „Das Styling für die Mottoshows erfolgt durch den Produzenten.“
Bei „Das Supertalent“ gibt es noch schärfere Maßnahmen: Alexander Betz erreichte mit seinen Zaubertricks die nächste Runde nach dem Casting. „Ich bekam eine Zusage für die Show, aber sie wollten mir vorgeben, welches Kunststück ich vorführen soll, obwohl sie nicht wirklich Ahnung von der Materie haben. Deswegen habe ich den Termin für die Fernsehaufnahme abgesagt. Die hätten zu viel Macht gehabt mit ihren Requisiten. Wer weiß, ob sie nicht einen Fehler im Requisit einbauen und dich als Vollidioten hinstellen.“
Der Zuschauer als Einflussfaktor
Als vierten Punkt spielt der Zuschauer eine ganz wichtige Rolle für die Produktion von Castingshows, berichtet Eickmeyer: „DSDS ist ein Erlebnis, in das ich als Zuschauer ganz stark involviert werde. Ich bestimme durch meinen Anruf den weiteren Fortgang der Show, habe sozusagen eine gewisse Macht, kann mich identifizieren, etwas gut finden, bin emotional berührt oder rege mich auf. All das sind wichtige Faktoren.“ Oft entwickelt sich einer der Kandidaten zum Liebling eines Zuschauers. Mit der Cross-Channel-Konzeption bekommt der Zuschauer die Möglichkeit, für seinen Favoriten per Telefon abzustimmen und gleichzeitig verdient der Sender an den kostenpflichtigen Anrufen. Komisch ist nur, dass die Mädchen bei GNTM Fanpost in der Model-Villa erhalten, obwohl die Sendung schon einige Wochen vor Ausstrahlung gedreht wird. Zu dem Zeitpunkt waren sie also noch gar nicht bekannt.
Oftmals werden die Teilnehmer von Castingshows zu Vorbildern für viele junge Menschen, was der letzte Punkt auf der Liste der „goldenen“ Regeln wäre. Das hat zumeist negative Auswirkungen zur Folge, vor allem bei Germanys Next Topmodel. Das meint auch Expertin Prof. Dr. Barbara Wedler im Interview mit medienMITTWEIDA:
„Extreme Schlankheit wird mit Schönheit gleichgesetzt, der gesunde und normale weibliche Körperbau führt zur Ablehnung von Bewerberinnen, im Ergebnis bekämpfen Zuschauerinnen und potentielle Teilnehmerinnen ihren Körper.“
Das Selbstbild der Teilnehmerinnen wird damit verschoben und eine negative Bewertung der Jury oder ein Rauswurf ist für sie gleichzusetzen mit persönlichem Versagen. Wedler folgert, dass die Mädchen zu Kleiderständern werden, ihre Persönlichkeit interessiert überhaupt nicht: „Die Außenwirkung ist ebenso einseitig, denn ein Mädchen wird bzw. ist erfolgreich, wenn sie dünn und folgsam ist. Dieser Blick widerspricht der Gleichberechtigung der Frau, ihrer Autonomie und stellt die widerstrebende Persönlichkeit sogar unter Strafe.“
Castingshows sind zwar in erster Linie Unterhaltungssendungen, die angeblich junge, talentierte Menschen fördern sollen, doch einige Tatsachen sprechen für sich. Vielmehr geht es um möglichst hohe Einschaltquoten. Darstellungen sollten daher immer kritisch hinterfragt werden, bevor den Aussagen vor der Kamera Glauben geschenkt wird.
Text: Natalie Scheffler. Foto: Sarah Krause.