Pornoindustrie

Living in a fancy prison

von | 27. Januar 2023

Einen runterholen und dazu einen Porno schauen? Für die meisten normal, doch wie tickt diese Industrie?

Trigger-Warnung: Dieser Text enthält explizite Schilderungen von sexualisierter Gewalt, die unter Umständen retraumatisierend sein können. 

Twitch- und Onlyfans-Darstellerin Amouranth hat in einem Live-Stream auf Twitch verraten, dass sie verheiratet ist und von ihrem Ehemann emotional und verbal misshandelt und zum Streamen gezwungen wurde. In ihren Streams zeigt sie sich meist in der Kategorie Just Chatting oder Hot Tubs. Ihr Ehemann hat außerdem gedroht, ihre Hunde zu töten und kontrollierte die Finanzen und Accounts. In einem Clip sprach Amouranth davon, in einem „fancy prison”(schickes Gefängnis) zu leben. Mittlerweile hat sich die Situation geklärt, Amouranth hat sich von ihrem Ehemann getrennt und hat wieder Zugriff auf all ihre Accounts und Finanzen.

Amourant ist damit jedoch nicht alleine, auch in Deutschland gab es im Jahr 2021 291 Verfahren wegen sexueller Ausbeutung, mit steigender Bedeutung der Wohnungsprostitution und der Ausbeutung von Minderjährigen. Eine Studie der International Labour Organization (ILO) schätzt, dass weltweit 6,3 Millionen Menschen Opfer von sexueller Ausbeutung durch Menschenhandel sind. Dabei sind über 1,6 Millionen Menschen davon Kinder. Insgesamt sind vier von fünf Menschen, die in solchen Situationen stecken, Mädchen oder Frauen. So alarmierend wie die Zahlen zwar jetzt schon sind, muss man dazu sagen, dass die Dunkelziffer wohl bedeutend höher ist. Die ILO geht weltweit von jährlichen Gewinnen aus der Zwangsarbeit gehandelter Menschen über 31,6 Milliarden US-Dollar aus, wobei davon knapp 28 Milliarden auf die kommerzielle sexuelle Ausbeutung entfallen.

Menschenhandel in der Pornoindustrie

Opfer von Menschenhandel werden oft gezwungen, in der Pornoindustrie zu arbeiten, und haben keine Wahlmöglichkeiten. Unter dem Einfluss von Drohungen und Gewalt haben sie keine Möglichkeit zu entkommen. Europol geht von „Hunderttausenden“ Opfern aus, die jährlich zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und der Arbeitsausbeutung in die Staaten der Europäischen Union gehandelt werden und stellt in den letzten Jahren deutlich steigende Opferzahlen fest. 

Opfer werden oft von ihren Peinigerinnen isoliert und haben keinen Zugang zu Hilfe. Auch die Verwendung von Online-Plattformen hat dazu beigetragen, dass der Menschenhandel in der Pornoindustrie schwerer zu verfolgen ist. Eine Studie des Polaris Project aus dem Jahr 2016 ergab, dass mindestens 8.000 Websites illegalen Handel mit erwachsenen Opfern anbieten. 

Laut einer Studie des Deutschen Institut für Menschenrechte ist es problematisch, Aussagen über das Ausmaß von Menschenhandel zu treffen. Einigkeit herrscht darüber, dass Kriminalitätsstatistiken, die das Hellfeld von Fällen wiedergeben, wenig aussagekräftig sind. Angaben über Schätzungen des tatsächlichen weltweiten oder regionalen Ausmaßes erfolgen häufig auf unklarer definitorischer und methodischer Grundlage.

https://polarisproject.org/wp-content/uploads/2017/03/Typology-of-Modern-Slavery-Summary.pdf 
Data from operating: National Human Trafficking Hotline (12/07/07 – 12/31/16) 
                                         Polaris’s BeFree Textline (03/28/13 – 12/31/16)

Kann man es vermeiden?

Einige Organisationen arbeiten daran, Opfer von Menschenhandel zu unterstützen und zu schützen. Gesetze werden erarbeitet, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Es gibt einige Schritte, die man als Konsument unternehmen kann, um sicherzustellen, dass die Inhalte, die man konsumiert, von Erwachsenen freiwillig produziert wurden und dass keine Form von Ausbeutung dahinter steht.  

Es gibt viele wichtige Richtlinien für die ethische und verantwortungsvolle Produktion von erwachsenem Inhalt. Eine davon ist, dass alle Darstellerinnen über 18 Jahre alt sein müssen und dass sie nur das tun, wozu sie aktiv ihre Zustimmung gegeben haben. Außerdem die faire Bezahlung der Darstellerinnen mittels Verträgen. Es ist auch wichtig, dass die Darstellerinnen repräsentativ für verschiedene Geschlechter, Vorlieben und Menschen ausgewählt werden. So, dass Stereotypen und andere Formen der Diskriminierung nicht reproduziert werden. Eine Vielfalt von Sexualpraktiken sollte so authentisch wie möglich dargestellt werden.

Kinderpornografie

Kinderpornografie ist eine schwere Verletzung der Menschenrechte von Kindern und eine Straftat. Es bezieht sich auf jegliche Art von Material, das sexuelle Handlungen oder sexuell explizites Verhalten von Personen unter 18 Jahren zeigt. Dazu gehören Fotos, Videos und andere digitale Medien. Laut den Daten des US National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC) wurden im Jahr 2021 über 29 Millionen Bilder und Videos von Kindesmissbrauch im Internet gemeldet. Dies ist ein Anstieg von 35 Prozent im Vergleich zum vorherigen Jahr. 

 Opfer von Kinderpornografie leiden oft unter langfristigen psychischen und emotionalen Problemen, wie Depressionen, Angstzuständen und posttraumatischen Belastungsstörungen. Zudem auch unter Scham und Schuldgefühlen, die durch die Tatsache verstärkt werden, dass ihr Missbrauch oft für immer im Internet verfügbar bleibt. Wer selbst davon betroffen ist, dass Bilder im Netz sind oder wer sich für das Thema interessiert, kann hier erfahren, was man dagegen tun kann.

 Regierungen und Strafverfolgungsbehörden arbeiten weltweit zusammen, um Kinderpornografie im Internet zu bekämpfen. Dazu gehören Maßnahmen wie die Überwachung von Online-Aktivitäten, die Schließung von Websites, die Kinderpornografie hosten und die Verfolgung und Verhaftung von Täterinnen. Es gibt auch internationale Bemühungen, um die Zusammenarbeit und den Austausch von Informationen zwischen Strafverfolgungsbehörden zu verbessern. Leider sind die Täterinnen oft schneller als die Behörden und laden die Bilder und Videos auf anderen Seiten wieder neu hoch. Dazu gibt es auch eine spannende Reportage von STR_F: Nach Razzia: Missbrauchsbilder weiter im Netz | STRG_F

Es ist wichtig, dass jede Form von Verdacht auf Kinderpornografie sofort an die Polizei gemeldet wird. Es gibt auch zahlreiche Organisationen, die Opfern von Kinderpornografie Unterstützung und Hilfe anbieten, sowie Aufklärungsarbeit leisten. Rund 14.500 Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch wurden im Jahr 2020 in Deutschland angezeigt. Das Dunkelfeld soll aber viel größer sein. Laut der Weltgesundheitsorganisation sollen bis zu einer Million Kinder und Jugendliche sollen in Deutschland durch Erwachsene sexuelle Gewalt erfahren haben.

Machen die das freiwillig? 

Es gibt keine definitive Antwort darauf, wie freiwillig die Pornodarstellerinnen letztendlich in der Branche sind, da es verschiedene Faktoren gibt, die das Erleben und die Motivation jeder Person beeinflussen können. Einige Pornodarstellerinnen berichten, dass sie sich freiwillig und positiv für die Branche entschieden haben und es als lukrative Karrieremöglichkeit sehen. Sie genießen die Aufmerksamkeit und das Feedback von Fans und sehen ihre Arbeit als kreatives Ausdrucksmittel. Andere berichten jedoch von Druck von Agentinnen oder Regisseurinnen, in bestimmte Rollen oder Praktiken einzuwilligen oder von finanziellen oder sozialen Verpflichtungen, die sie dazu veranlasst haben, in die Branche einzusteigen. Manche berichten auch von negativen Erfahrungen während oder nach ihrer Karriere im Pornogeschäft, wie zum Beispiel psychischen Problemen oder Schwierigkeiten bei der Suche nach einer anderen Arbeit. Stoya, eine ehemalige Pornodarstellerin, hat öffentlich darüber gesprochen, dass sie von James Deen vergewaltigt worden sei und von Produzentinnen ausgenutzt wurde. Wichtig zu betonen ist hierbei, dass die Erfahrungen nicht repräsentativ für alle Pornodarstellerinnen sind.  

Es gibt leider nicht viele verlässliche Statistiken über die Arbeitsbedingungen von Pornodarstellerinnen.

 

Organisationen für weiter Informationen: 

https://beauftragte-missbrauch.de/ 

https://www.kok-gegen-menschenhandel.de/startseite 

https://www.missingkids.org/ 

https://polarisproject.org/ 

Text, Titelbild Foto/Illustration/Grafik – Luna Meißner, https://polarisproject.org/wp-content/uploads/2017/03/Typology-of-Modern-Slavery-Summary.pdf
<h3>Luna Meißner</h3>

Luna Meißner

ist 22 Jahre alt und studiert derzeit im 5. Semester Medienmanagement an der Hochschule Mittweida. Bei medienMITTWEIDA engagiert sie sich seit dem Wintersemester 2022/23.