„Die sind einfach nur geil!“

von | 8. Februar 2010

Fanszenen werden meist mit Fußball asoziiert. Doch auch andere Sportarten begeistern Unmengen von Menschen, die dann alles für ihr Hobby geben. So auch die Biathlon-Fans, was für die Sportler „einfach nur Wahnsinn“ ist.

Oberhof am 10. Januar 2009: Ein kleiner Ort in Thüringen befindet sich im Ausnahmezustand. 21.000 Zuschauer, die in der Kälte stehen und laut „Oh, wie ist das schön“ singen. Das kann nur eines bedeuten: Es ist wieder Zeit für den Biathlon-Weltcup in Oberhof. Die Stimmung ist unglaublich und wird von Jahr zu Jahr besser. Biathlet Christoph Stephan, Weltcup-Sieger im Massenstart, findet das unverständlich, wie er gegenüber dem ZDF zugab: „Ich versteh’s gar nicht, wie so viele Zuschauer kommen für ein paar Typen, die in Strumpfhose und Leggins hier rumrennen!“ Auch Trainer Frank Ullrich ist begeistert: „Das erinnert mich wirklich an die WM vor fünf Jahren. Es ist einfach grandios, was hier an Zuschauer, an Publikum, an Emotionen freigesetzt wird.“

„Die Fans trieben uns zu diesem Erfolg“

Einen hat diese Stimmung ganz besonders angeheizt. Michael Rösch, Olympia- und mehrmaliger Weltcup-Sieger, erlebt einen Weltcup im eigenen Land mit einem ganz persönlichen Happy End. Bis dahin hatte der Pirnaer in der laufenden Saison noch keinen Platz unter den ersten 20 erreicht, doch an diesem Samstag passte alles. Ohne Fehler, aber mit dem Antrieb tausender Fans holte sich der Sachse die Silbermedaille. Nach diesem Erfolg hob er im Interview mit dem ZDF vor allem die Bedeutung der Fans hervor: „Ich muss dem danken, der hier vorm letzten Schießen geschrien hat: Schnauze jetzt, der Rösch schießt! Und auf einmal war Totenstille und da hab ich mich innerlich noch mal gefangen und die Null geschossen.“ Ohne die Fans wäre all das nicht möglich gewesen und diese Stimmung treibt selbst einem alten Hasen, zu denen sich Rösch mit 25 bereits zählt, die Tränen in die Augen: „Ja was soll man dazu noch sagen, in der letzten Runde hab ich geheult, weil ich so viele Emotionen in mir hatte“, beschrieb Ebs, wie er von Fans und Freunden genannt wird, seine Gefühle, als ihn die Fans mit lauten Anfeuerungsrufen den Birxstieg hinauftrieben. Den Spitznamen hat er übrigens von seinem Vater Eberhard, selbst erfolgreicher Biathlet, „geerbt“.

Am Ende dieses Rennens standen vier Deutsche unter den besten acht Biathleten. Der Dank galt an diesem Tag aber immer wieder vor allem den Fans. „Hier musst du wirklich jedem Einzelnen im Stadion und am Birxstieg die Hand schütteln, denn die Leute hier sind einfach nur der Hammer. Egal ob sie besoffen sind oder ob sie nüchtern sind – die sind einfach nur geil. Also wie die dich da hochtreiben, das ist Wahnsinn. Also das macht so viel Spaß – genial!“, überschlug sich Rösch fast in gewohnt deutlichen Worten.

Das Besondere

Aber was macht die Biathlon-Fans so besonders? Es ist verblüffend, wie viele Menschen sich bei dieser eisigen Kälte jedes Jahr, nahezu jede Woche im Winter an die Strecke stellen, um ihre Biathleten anzufeuern – und das nicht nur hier in Deutschland. Manche Fans reisen um die ganze Welt, um ihre Sportler zu unterstützen. Letztes Jahr reichten die Austragungsorte von Schweden, über Korea bis Kanada, wo in diesem Februar die Olympia-Rennen stattfinden werden, und überall waren auch deutsche Fans mit dabei. Dieses Bild ist auch Michael Rösch in Erinnerung geblieben, wie er im Interview mit medien-mittweida.de berichtete: „Die Fans reisen wirklich teilweise bis Vancouver. Letztes Jahr war ein Fanclub von Christoph Stephan da. Die nehmen schon ganz schöne Reisen auf sich und das ist eigentlich schon cool zu sehen, dass die Leute da wirklich viel Geld investieren, um das zu sehen, was wir da machen.“

Das ist allerdings auch oft der Punkt, an dem viele Fans scheitern, wie Nadine Kießling, eine der beiden Vorsitzenden des „2. Michael Rösch Fanclubs“, erklärte: „Wir würden furchtbar gern mal mit nach Oslo oder zu Olympia nach Vancouver fahren, aber leider lässt das unser finanzieller Rahmen nicht zu. Aber in Oberhof sind wir natürlich wieder mit dabei.“

Keine Distanz zwischen Sportlern und Fans

Trotzdem hat der kleine Fanclub, dessen Mitglieder sich über ganz Deutschland verteilen, schon so einiges erlebt. „Wir bekommen viele Briefe vor allem aus Russland, die nach Autogrammkarten von Ebs fragen“, berichtet Nadine Kießling. Das lustigste Erlebnis sei allerdings ihr erstes Treffen mit ihrem Idol Michael Rösch gewesen: „Als wir im Sommer beim Bike-Biathlon waren, haben wir Ebs das erste Mal getroffen und er hat uns dann sofort begrüßt mit ‚Ihr seid doch die, die immer ins Gästebuch schreiben‘ und hat dann dabei gelacht. Er hat uns sofort erkannt, obwohl er uns noch nie vorher gesehen hatte.“

Auch das macht die Biathlon-Fanszene so besonders. Sportler und Fans stehen sich so nah wie in kaum einer anderen Sportart, wie Rösch erklärte: „Natürlich kann man nicht zu jedem Fan eine Beziehung aufbauen, dazu sind es einfach zu viele. Aber irgendwie ist doch jeder Fan einzigartig. Da fällt mir jetzt spontan ein Kollege ein, der ist fast bei jedem Rennen dabei. Der hat so einen Hut auf mit zig-tausend Pins, solche Hörner dran, Leverkusen-Schal – so ein etwas älterer Herr. Also den kennen wir jetzt schon über ein paar Jahre und das ist eigentlich ganz cool, wenn man den fast bei jedem Rennen wiedersieht.“ Dieser Fan bleibt Rösch natürlich besonders im Gedächtnis, denn Ebs ist, wie auch Christoph Stephan, selbst bekennender Bayer 04 Leverkusen-Fan. Diese Nähe zwischen Biathleten und Fans kann aber auch Nadine Kießling bestätigen: „Ja, die Sportler sind sehr offen den Fans gegenüber. Wir bekommen immer schnelle Antworten auf Fanbriefe oder wenn wir neue Autogrammkarten von Michael Rösch brauchen – das geht auch immer relativ schnell.“

Schade ist nur eines

Einzig und allein schade findet Rösch, dass er nie alle Autogrammwünsche erfüllen kann und einige Fans ihm das übel nehmen. Doch vor Wettkämpfen sei das einfach nicht möglich: „In Oberhof, wo von 20.000 Mann jeder ein Autogramm haben will – das geht einfach nicht.“ Doch auch für dieses Problem hat der Pirnaer schnell eine Lösung parat: „Man will schon irgendwo jedem was Gutes tun, aber am besten ist es ja, wenn man gute Leistungen bringt, da kann man den Fans die meiste Freude mit machen, denk ich mal.“ In einem sind sich jedenfalls alle Fans und vor allem Sportler einig: Ohne die Fans ist der Sport nur halb so viel wert.

<h3>Therese Galetzka</h3>

Therese Galetzka