Der deutsche E-Book-Markt startet noch immer nicht durch. Während auf derLeipziger Buchmesse jeder Papierbuch-Interessent etwas für seinen Geschmack fand, scheiterte die Branche mit Ausnahme weniger Einzelfälle in der Verbreitung von digitalen Inhalten. Obwohl von den Veranstaltern als Neuheit gepriesen, fand das Thema Digitalisierung kaum Beachtung. Hauptsächlich präsentierte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels wie in den vergangenen Jahren seinen E-Book-Shop „Libreka!“ und ein paar Lesegeräte.
Einen Blick wert war dagegen das iPhone-Programm des Mosaik-Steinchen-Verlags. Das monatlich erscheinende Heft mit den Abenteuern der Digedags und Abrafaxe begeistert mit einer vertonten Comicauflage. Diese ist durch eine ausgeklügelte Interaktion sogar auf einem kleinen Bildschirm leicht zu bedienen. Von solch positiven Ideen können die großen Zeitschriftenverleger nur träumen. Ihre Ausgaben werden hauptsächlich als unhandliche, überteuerte PDFs vertrieben. Lesefreude kam hier jedoch auf keinem der ausgestellten Geräte auf.
Verlage zögern immer noch mit E-Book-Ausgaben
Im Gespräch mit Patrick Michels, Vertriebsverantwortlicher für den Online-Bücherladen „Libreka!“, wurde auch schnell der Schwarze Peter den Verlagen in die Schuhe geschoben. Diese würden immer noch lediglich einen Bruchteil ihrer Bücher dem Portal zur Verfügung stellen. Alle Versuche, E-Books am Markt zu etablieren, würden als Nischengeschäfte abgestempelt. Statt die Branchenrevolution im vollen Tempo anzugehen, beschränke man sich auf wenige Probeexemplare und Experimente. Wie vor zehn Jahren in der Musikindustrie, herrscht heute in den Chefetagen der Verlagshäuser Angst vor der Digitalisierung. Das Schreckszenario heißt Buchpiraterie. Der digitale Umbruch wird so lange wie möglich herausgezögert.
Lesergeduld gefordert: 35 Klicks bis zum eigenen Buch
Von der Bedienbarkeit erwies sich „Libreka!“ als sehr problematisch. Beim Praxistest auf der Buchmesse mussten selbst die Verantwortlichen nach mehreren verstrichenen Minuten schmunzeln. Bevor man das Buch überhaupt auf dem Endgerät lesen kann, fordert der Prozesstechnische Meisterleistungen vom Endbenutzer und ist auf keinen Fall mit Amazons Kindle vergleichbar. Hier kann der Nutzer bequem vom Sofa aus in wenigen Schritten ein neues E-Book hinzufügen. Ebenso kann die interne Volltextsuche von „Libreka!“ nicht von Suchmaschinen genutzt werden und es stellt sich die Frage, warum der Nutzer für die Bestellung einen Buchhandel in seiner Nähe auswählen muss.
Dass der Börsenverein des Deutschen Buchhandels bei der Umsetzung des Buchportals seine Hausaufgaben nicht machte, zeigt die eiskalte Nutzerstatistik. In einem aus internen Quellen stammenden Dokument heißt es, dass in einem Monat gerade mal 32 Bücher verkauft wurden. Die „Verkaufszahlen liegen […] stabil bei knapp über Null“, heißt es in dem Papier. Warum die Bücherpreise fast exakt auf dem Preisniveau der Printausgaben liegen, konnte keiner der Vertriebsverantwortlichen erklären. Der angestrebte Imagewandel auf der Buchmesse überzeugte leider nicht.
Warten auf Amazon und Apple
Wer an anderen Messeständen nach weiteren Gründen für das Zögern der deutschen Buchhändler fragte, wurde hinter vorgehaltener Hand auf die aktuelle Wartesituation verwiesen. Nachdem Amazon wegen Lizenzschwierigkeiten im Oktober vergangen Jahres nicht mit seinem Kindle-Angebot in Deutschland starten konnte, erweiterte Apple seinen iTunes-Store mit der Präsentation des iPads um einen vielversprechenden Bücherladen. Scheinbar wird bewusst auf die Preispolitik der amerikanischen Anbieter gewartet, erst dann werden die (Preis)-Karten bei den deutschen Verlegern neu gemischt.
Leipziger Buchmesse schließt mit positiver Bilanz
Dennoch war die Leipziger Buchmesse laut Veranstalter mit 156.000 Besuchern, davon 45.000 Fachbesucher, ein voller Erfolg. Zu einem regelrechten Besucheransturm kam es am Samstag zu dem „Blauen Sofa“ des ZDF, wo namenhafte Autoren wissenswerte Hintergründe über ihre veröffentlichten Bücher preisgaben. Die nächste Buchmesse findet vom 17. bis 20. März 2011 statt.