Ein genialer Sonderling

von | 29. September 2010

Er zählt zu einem der bedeutendsten Astronomen der Neuzeit. Mit seinen Erfindungen im Bereich der astronomischen Optik, vor allem aber der des nach ihm benannten "Schmidt-Teleskops", ermöglichte die Erforschung völlig neuer Bereiche der Astronomie.

Geboren als Sohn eines estnischen Fischers und Lotsen entdeckte Bernhard Schmidt bereits in seiner frühen Jugend die Leidenschaft für Linsen und Kameras. Seine ersten Versuche auf dem Gebiet der Optik machte er, indem er Linsen aus Eis fertigte und sich bereits im Kindesalter eine „Camera Obscura“ bastelte. Seine Teenager-Zeit wurde von zwei schweren Schicksalsschlägen überschattet, die ihn für immer prägen sollten. Zum einen verstarb sein Vater, zum anderen verlor er im Alter von 15 Jahren seinen rechten Unterarm durch das Zündeln mit Schwarzpulver.

Vor allem Letzteres führte dazu, dass Schmidt zeitlebens sehr introvertiert und zurückhaltend war. Im Alter von 22 Jahren schrieb sich Schmidt am Technikum Mittweida für den Studiengang Elektronik ein und besuchte zudem Vorlesungen in Maschinenbau. Seinen für das Studium anfänglich aufgebrachten Fleiß investierte er nach dem zweiten Semester mehr und mehr in seine Leidenschaft, dem Schleifen und Herstellen von Linsen.

Die „Hexen-Küche“

Schließlich brach Schmidt als logische Konsequenz sein Studium in Mittweida ab, nachdem er zuletzt kaum mehr in den Vorlesungen anwesend war. Auf Zertifikate und Diplome in Maschinenbau oder Elektronik legte er ohnehin keinen Wert, da sie ihm beim Schleifen von Teleskoplinsen nicht halfen. Trotz seines jungen Alters, der Behinderung und der Tatsache, dass er in seinem Beruf sein Leben lang Autodidakt blieb, hatte er sich bereits in der Studentenzeit einen Namen als begnadeter Schleifer gemacht. Schmidts Werkstatt, die sich am Ende der Mittelstraße befand, wurde in Mittweida zu jener Zeit nur die „Hexen-Küche“ genannt. Denn trotz seines großen Talentes und seiner Willenskraft galt Schmidt in seinem Umfeld als Sonderling. Ursache hierfür waren unter anderem seine zahlreichen Wirtshausbesuche, die nach Fertigstellung einer Arbeit nicht selten über mehrere Tage gingen. Zudem trug er nahezu immer die selbe Kleidung, bis diese verschlissen war, um sich dann einen neuen Satz davon zu kaufen.

Die gute wirtschaftliche Lage änderte sich mit Beginn des Ersten Weltkriegs. Als Este wurde Schmidt als feindlicher Ausländer betrachtet und in ein Internierungslager gebracht, aus dem er erst nach sechs Monaten wieder frei kam. Unter ständiger polizeilicher Beobachtung stehend durfte er Mittweida nicht verlassen, was ihn in große finanzielle Bedrängnis brachte. Um neue Aufträge zu bekommen nahm er 1916 Kontakt mit der Sternwarte in Hamburg-Bergedorf auf und wurde vom dortigen Leiter, Richard Schorr, als freier Mitarbeiter eingestellt. Nach dem Krieg verlor Schmidt seine Anstellung aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage. Als das Geld knapp wurde und die Inflation immer weiter voranschritt floh Schmidt zurück in seine Heimat Estland.

Der Durchbruch

1927 folgte Schmidt der Einladung seines einstiegen Arbeitgebers Schorr, als fester Mitarbeiter am Observatorium in Hamburg tätig zu sein. Die dortigen Gerätschaften sowie zwei Sonnenfinsternis-Expeditionen, an denen er teilnahm, halfen ihm, seine Forschungen nach einem „fehlerfreien Fernrohr“ weiter zu verfolgen. Der wohl größte Durchbruch im technisch-optischen Bereich des 20. Jahrhunderts gelang ihm schließlich 1930 mit der Erfindung des „Schmidt-Spiegels“. Dieser beseitigte den Schärfefehler, genannt Koma, den damalige Teleskope unvermeidlich hatten, sowie die Abdunklung der Ecken eines Bildes, genannt Vignettierung. Zudem lieferte die Schmidt-Kamera ein schärferes Bild und ermöglichte einen größeren Bildwinkel als alle Geräte zuvor.

Trotz dieser genialen Erfindung, die teils heutzutage noch Verwendung findet, blieb der erhoffte Geldsegen aus. Ursache war die 1929 einsetzende große Depression, die die kommenden Jahre andauerte. Bis zu seinem plötzlichen Tod 1935 im Alter von 56 Jahren sollte Bernhard Schmidt kein einziges Exemplar seiner Erfindung verkaufen. Es war ihm auch nicht vergönnt den Siegeszug seiner größten Errungenschaft, nur wenige Jahre nach seinem Tod, noch selbst mitzuerleben.

<h3>David Maerkisch</h3>

David Maerkisch