Ein Mord. Ein Tatverdächtiger. Die entscheidende Aussage weist Lücken auf. Eine Geschichte wie aus einem Krimi. Bloß dass es kein Krimi ist, sondern ein wahrer Fall. Ein Fall, der in einem der wohl erfolgreichsten Podcasts neu aufgerollt wurde.
Noch immer ist der englischsprachige Podcast weltweit in den Top 10 der iTunes-Charts zu finden, obwohl es schon gut zwei Monate her ist, dass die zwölfte und somit letzte Episode von “Serial“ veröffentlicht wurde. Auch soll die Geschichte, die mit über fünf Millionen Downloads einen Rekord aufgestellt hat, verfilmt werden. Genaueres hierzu ist jedoch noch nicht bekannt.
In der Radioreportage, die als Audiodatei im Internet anhörbar ist, geht Sarah Koenig, Produzentin von “This American Life“ und ehemalige Reporterin der “Baltimore Sun“, Episode für Episode einem vor 15 Jahren geschehenen Mordfall nach.
Am 13. Januar 1999 verschwindet Hae Min Lee, eine Schülerin der Woodlawn High School in Baltimore County, Maryland, spurlos. Einen Monat später wird sie erwürgt in Leakin Park aufgefunden. Ihr Exfreund, Adnan Syed, wird innerhalb eines Jahres für den Mord zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Fall gegen den damals 17-jährigen baut größtenteils auf der Aussage eines Zeugen auf, der berichtete, er habe Adnan dabei geholfen, die Leiche zu vergraben. Doch die Ausführungen weisen Ungereimtheiten auf und der Verurteilte beteuert, nichts mit dem Mord an dem Mädchen zu tun zu haben, kann dies jedoch nicht beweisen.
Vor über einem Jahr hatte Koenig von dem Fall erfahren und begonnen, sich damit auseinanderzusetzen: Fallakten studiert, Aufnahmen des Gerichtsverfahrens und von Verhören angehört, relevante Orte besucht und Routen abgefahren, sowie mit jedem gesprochen, der sich möglicherweise an das erinnert, was vor 15 Jahren geschehen war. Dabei stieß sie auf viele Fragen und Ungereimtheiten, die sie versucht innerhalb des zwölfteiligen Podcasts zu klären. Hierbei setzte die erfahrene Reporterin zusammen mit ihrem Team auf einen wöchentlich Prozess bei der Produktion der einzelnen Episoden, um neu erhaltene Informationen zu berücksichtigen und auf Fragen der Zuschauer eingehen zu können. Aber genau darin lag auch eine große Herausforderung, wie Sarah Koenig dem “Guardian“ während der Produktion des Podcasts berichtete:
„It’s very weird to be revealing your work product to your sources and the characters in your story as it’s still under construction. It’s nerve-wracking. Some people are unhappy already with me, and I’m having to say to them “Don’t worry, we’ll get there, trust me,” but it’s really hard. I’ve never been in that position before. That’s a challenge that I’m figuring out now the hard way.“
Eine andere Tatsache, die diesen Podcast ausmacht, ist, dass der Mordfall ernsthaft betrachtet und nie als Entertainment dargestellt wird. Es gibt keine Cliffhanger, ironische Übergänge, keine Untermalung durch dramatische Musik oder Ähnliches. “ZEIT ONLINE“ zufolge ist diese Art der Umsetzung zusammen mit dem ungewöhnlichen Ansatz und der „drehbuchreifen Kriminalgeschichte“ ausschlaggebend für den Erfolg von Serial. Laut Prof. Dr. Markus Heinker, Medienmacher und Rechtsanwalt, mache “Serial“ viel von dem richtig, was eine Medienproduktion gut mache: Der Podcast sei handwerklich souverän gemacht, außerordentlich spannend und habe mit der Reporterin eine Identifikationsfigur.
Sarah Koenig lässt den Zuhörer an ihren Gedanken, Zweifeln und Emotionen teilhaben. Sie nennt Ungereimtheiten, die sie besonders verwirren, versucht Lösungsansätze zu finden und verwirft diese auch wieder. Damit zog sie, beziehungsweise zieht immer noch, viele Menschen in den Bann. Auch viele Medien berichteten vom Erfolg des Podcast und beschreiben ihn unter anderem als „Podcast auf den wir gewartet haben“, „süchtig machend“ oder auch als „neue Art der Audio-Dokumentation“.
Dabei sei es so eine einfache Idee, meint Koenig, und es sei auch keine originelle Idee. Auch Prof. Heinker denkt nicht, dass uns mit Serial etwas grundsätzlich neues begegne. Seines Erachtens nach liege die „kleine Renaissance“ dieser Darstellungsform darin begründet, dass die meisten Leute über entsprechende Hardware (Smartphone) und dazugehörige Distributionsinfrastruktur (beispielsweise iTunes) verfügen würden, die solche Inhalte unkompliziert und weitgehend unabhängig von allen Bindungen verfügbar machen würden.
„Hinzu kommt sicher auch, dass das Thema besonders einlädt, die ‚sozialen Medien‘ zur Interaktion zu nutzen und so anders als bei vielen Social Media-Inszenierungen eine echte zweite Ebene entsteht.“
Die Follower-Zahlen der entsprechenden Seiten auf den Social Media-Plattformen geben ihm diesbezüglich recht, außerdem wird Fans der Serie auf „Reddit“ ein Forum zum Diskutieren gegeben.
Laut der “New York Times“ hat die erste Staffel unmöglich hohe Erwartungen an die zweite Staffel gesetzt, die im Herbst dieses Jahres zu erwarten ist. Bevor diese jedoch beginnt, findet im Juni eine Anhörung im Fall Syed statt. Im Februar hatte der “Maryland Court of Special Appeals“ diese Anhörung beschlossen, bei der entschieden wird, ob der Fall um Adnan Syed wieder aufgenommen und neu verhandelt wird. Prof. Heinker hat bereits Erfahrungen bei der Nutzung der sogenannten „vierten Gewalt“ in Bezug auf Gerichtsverfahren gesammelt. Er meint daher:
„[Es] steht für mich außer Zweifel, dass der Podcast erhebliche Wirkungen auf alle Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Fall haben wird. Ob diese dann so spektakulär sind, wie sicher viele hoffen, ist eine andere Frage.“
Text: Lisa Mundt. Beitragsbild: Woman with Headphone ⒸSascha Kohlmann unter CC BY-SA 2.0, Bearbeitung: Louisa Bandura.