Wehrpflicht nur noch ein Relikt?

von | 2. November 2009

Ist die allgemeine deutsche Wehrpflicht noch sinnvoll? Diese Frage stellen sich viele junge Leute. Selbst Politiker sehen vor, die Periode der allgemeinen Wehrpflicht ab 2011 auf sechs Monate zu verkürzen.

Die neue Koalition steht und die Diskussion geht weiter. Wehrpflicht ist schon lange ein Streitthema unserer Politiker. Momentan konnte sich Schwarz-Gelb auf einen Kompromiss der Verkürzung des Grundwehrdienstes von neun, auf zukünftig sechs Monate einigen. Dieses Abkommen soll voraussichtlich ab 2011 gesetzlich verankert werden.

Ist der Grundwehrdienst unwichtig geworden? Die Bedeutung der Bundeswehr in Deutschland, im europäischen sowie im internationalen Bündnissystem ist unumstritten. medien-mittweida.de sprach mit Oberstleutnant Arne Collatz-Johannsen, Sprecher des Verteidigungsministeriums für die Angelegenheiten des Heeres, zum Thema Wehrpflicht.

Kann die Bundeswehr auf die allgemeine gesetzliche Wehrpflicht verzichten?

„Die Wehrpflicht hat sich für Deutschland und für die Bundeswehr bewährt, sie ist die richtige Wehrform für unser Land“, so Collatz. Zusätzlich verwies er auf ein Zitat des ehemaligen Bundesministers für Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung, welches er im Juli dieses Jahres gegenüber der FAZ äußerte: „Es wäre sehr klug, wenn wir an der Struktur der Wehrpflicht festhalten. Viele junge Menschen, die Wehrpflicht leisten, verpflichten sich weiter. 40 Prozent unserer Zeit- und Berufssoldaten waren Wehrpflichtige.“

Das Heer der Bundeswehr umfasst aktuell rund 250.000 Frauen und Männer, davon sind 187.500 Berufs- und Zeitsoldaten, 34.534 Grundwehrdienstleistende und 25.346 leisten freiwillig länger Wehrdienst. Eine weitere Frage stellt sich bei einem Blick auf die internationale Ebene. Deutschland hält neben der Türkei als alleiniger NATO-Mitgliedsstaat an der Wehrpflicht fest. Alle anderen militärischen Großmächte, wie die USA oder Frankreich haben längst auf ein Berufsheer umgestellt. Die Bundeswehr schildert diesen Fakt auf ihrer Website wie folgt: „Hoffnungen, auf diesem Wege Personalkosten zu sparen, haben sich nicht erfüllt. Erste Erfahrungen zeigen, dass die Aufgabe der Wehrpflicht unter anderem zu Einbrüchen bei der Nachwuchsgewinnung und zu Mehrkosten führen.“

Wehrpflicht abschaffen

Mit einer Verkürzung oder Abschaffung der Wehrpflicht, sind auch die damit verbundenen Ersatzdienste betroffen. Der Zivildienst, als primärer Wehrersatzdienst ist eine feste Größe im deutschen Sozialsektor. Dr. Jens Kreuter, Bundesbeauftragter für den Zivildienst, wies auf mögliche Probleme im Bezug auf die Verkürzung des Wehrdienstes hin: „Viele soziale Verbände und Einrichtungen werden in Zukunft rechnen müssen, ob sie überhaupt noch eine Zivildienststelle anbieten können.“ Kreuter selbst ist daran interessiert, den Zivildienst in seinen Rahmenbedingungen beizubehalten, genauere Planungen konnte er zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht erläutern. „Die abnehmende Attraktivität eines Zivildienstes im Lebenslauf eines jungen Mannes“ gibt Kreuter sehr zu denken. In einem Beispiel verdeutlicht er seine Bedenken: „Ein junger Mann beendet für gewöhnlich sein Abitur Ende Mai eines Jahres, im Anschluss leistet er sechs Monate seinen Zivildienst und hat anschließend zehn Monate zeit, bis er beispielsweise ein Studium im folgenden Oktober aufnehmen kann.“ Was macht ein junger Mann in dieser Zeit und wie ist er in dieser Zeit versichert? Diese und weitere Fragen hört der Bundesbeauftrage für den Zivildienst schon seit Tagen von vielen zukünftigen Zivildienstleistenden.

Bisher war für viele junge Männer der finanzielle Aspekt eine ausschlaggebende Tatsache. Nun wissen die Betroffenen noch nicht, wie es mit Kindergeldbezügen oder einer Krankenversicherung für die Absolventen des Zivil- oder Wehrdienstes aussieht. Die Zahlung von Kindergeld ist für die Zeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten nur auf eine Dauer von vier Monaten begrenzt, so entgehen den Dienstleistenden in den übrigen sechs Monaten mindestens 984 Euro Sozialleistungen. „Die Verkürzung des Zivildienstes ist ein Beschluss von Union und FDP, das ist Demokratie und so etwas muss man hinnehmen.“ so Kreuter im Bezug auf die neue Regelung.

<h3>Sarah Korzeniewski</h3>

Sarah Korzeniewski