Die Letzte Generation

„Es lohnt sich immer, für Gerechtigkeit zu kämpfen“

von | 28. Juni 2024

Persönliche Einblicke, schockierende Momente und ein ungebrochener Wille.

Die Angst vor der Klimakatastrophe, gewaltsame Erfahrungen bei Protesten und die ständige Gefahr verurteilt zu werden – Mitglieder der Letzten Generation müssen einiges durchstehen. Angeführt von einem Ziel, Menschen eine lebenswerte Zukunft zu geben. In einem exklusiven Interview mit medienMITTWEIDA gewähren uns zwei Mitglieder der Letzten Generation aus Chemnitz Einblicke in ihren Alltag als Aktivisten.

Hans und Simi sind jeweils 26 und 28 Jahre alt. Beide führen ein scheinbar „normales“ Leben. Sie studieren und gehen einem Job nach. Der einzige Unterschied: Sie sind Mitglieder der Letzten Generation und werden dadurch mit so einigen Erlebnissen konfrontiert, die Nicht-Aktivisten oft verborgen bleiben.

Wie seid ihr zum Aktivismus innerhalb der Letzten Generation gekommen?

Simi: „Ich bin auch primär durch einen Vortrag zur Letzten Generation gekommen. Davor war ich schon länger politisch aktiv, unter anderem bei Fridays For Future. Klimaschutz ist außerdem eines meiner persönlichen Hauptanliegen. Was für mich auch ausschlaggebend für den Beitritt zur Letzten Generation war, ist der Fakt, dass immer neue Menschen zu Vorträgen kamen und nicht immer dieselben, wie bei anderen bildungspolitischen Vorträgen. Das hat mir gezeigt, dass diese Form des Protestes funktioniert. Die großen Hebel erreicht man nur, wenn man Widerstand gegen das System leistet.“

Hans: „Für  mich gab es keinen konkreten Auslöser. Ich habe mich schon immer für Umwelt und Klima interessiert. Zwei Freunde haben mich dann zu einem Vortrag der Letzten Generation mitgenommen und das war letztendlich mein Einstiegspunkt. Mir wurde außerdem umso mehr deutlich, an welchem Punkt wir stehen und dass ich die Chance habe, jetzt aktiv etwas gegen die Klimakatastrophe zu tun.“

Warum ist Klima-Aktivismus wichtig?

Hans: „Es geht darum, dass die Regierung endlich angemessene Klimapolitik betreibt. Diese ist wissenschaftlich notwendig. Es gibt noch die Möglichkeit, eine Klimakatastrophe abzuwenden, wenn man jetzt tätig wird. Was mir persönlich Hoffnung auf einen positiven Ausgang gibt, ist, dass ich an mir sehe, dass jeder Aktivist werden kann. Selbst wenn man vielleicht bis jetzt eher faul war. Ich konnte die Motivation aufbringen und denke,  andere Personen können das auch.“

Simi: „Ich glaube, es lohnt sich immer, für Gerechtigkeit zu kämpfen.“

Hans: „Das stimmt. Dieser Punkt ist sehr wichtig, da am Ende die Letzte Generation keine reine Klimabewegung ist, sondern eine Bewegung, wo es um soziale Gerechtigkeit geht. Man sollte sich immer für eine globale soziale Gerechtigkeit einsetzen.“

Habt ihr Angst vor Strafen, der Justiz oder Gewalt, wenn ihr an Protesten teilnehmt?

Hans: „Ich persönlich habe meistens keine Angst vor Konsequenzen. Meine Arbeit liegt eher in Bereichen, wo ich wenig Repressionen erwarten kann. Hauptsächlich kümmere ich mich um die Polizeivernetzung.“

Simi: „Angst empfinde ich eher weniger, es ist mehr eine Form von Aufregung vor dem Protest. Bei ungehorsamen Versammlungen ist die Anspannung geringer, als wenn ich bei Straßenprotesten teilnehme.“

Habt ihr schon mal Gewalt erlebt?

Hans: „Ich persönlich habe noch keine Gewalt erlebt, aber habe es leider bei Anderen beobachten müssen.“

Simi: „Ich habe bereits Gewalt erlebt, in diversen Formen. Sowohl durch Polizei, als auch durch anwesende Personen bei den Protesten. Es fängt an bei Beleidigungen und geht dann über Drohungen, bis hin zu direkter Gewaltanwendung. Man wurde bei Straßenblockaden sehr gewaltsam von der Straße gezogen. Auch äußerst schmerzhafte Transportgriffe wurden von der Polizei angewendet, welche zu blauen Flecken führten. Manche gewaltsamen Angriffe sorgten sogar dafür, dass Personen im Krankenhaus gelandet sind.“

Fühlt ihr euch von Justiz und Regierung unverstanden oder ungerecht behandelt?

Hans: Ich persönlich würde sagen: ja. Ich finde es schlimm, dass unsere Proteste so stark kriminalisiert werden. Es ist frustrierend, da sogar im Grundgesetz steht, dass die Lebensgrundlagen erhalten werden sollen. Passieren tut allerdings nichts.“

Simi: „Ich differenziere hier. Die Polizei hat keinen Ermessensspielraum und somit verurteile ich auch nicht, dass sie gegen unsere Proteste vorgehen. Allerdings ist der Einsatz von Transportgriffen, oder auch bei uns Schmerzgriffen genannt, sehr unverhältnismäßig. Diese sollten nur zur Eigensicherung angewendet werden, da wir aber rein passiv handeln, sehe ich hier nicht den Grund, warum diese angewendet werden. Bei Gerichten sehe ich zudem, dass wissenschaftliche Tatsachen, wie der Klimawandel, geleugnet werden. Die größte Kritik übe ich an der Politik, welche sich nicht stark genug für den Klimaschutz einsetzt.“

Habt ihr schon Vorstrafen aufgrund eures Aktivismus?

Hans: Nein, ich habe noch keine Vorstrafen. Vieles innerhalb unserer Proteste führt auch nicht zu einer Eintragung ins Strafregister.“

Simi: „Ich vertrete hier eine andere Meinung, es gibt wenige Prozesse, die rechtskräftig sind bisher. Ich persönlich habe mehrere Verfahren laufen, wovon allerdings nur eins bisher beim Amtsgericht war.“

Beeinflussen eure Aktivitäten bei der Letzten Generation euer soziales Umfeld? Haben sich eventuell Freunde oder Familie abgewendet?

Hans: „Ich glaube nicht. Dadurch, dass ich aber noch nicht so lang bei der Letzten Generation dabei bin, weiß mein näheres Umfeld nicht unbedingt davon. Meine Eltern haben es glücklicherweise gut aufgenommen.“

Simi: „Ausgegrenzt wurde ich in der Form noch nicht, aber es kommt zu sehr angeregten Diskussionen. Ich habe zudem keine Personen in meinem Umfeld, die den Klimawandel gänzlich leugnen, weshalb sich noch niemand von mir deswegen abgewandt hat.“

Warum ausgerechnet Straßenblockaden als Protestform?

Hans: Allein daran, dass diese Frage so häufig gestellt wird, sieht man, dass der Protest auf die Straße gezogen werden muss. Andere Protestformen fanden bereits statt und wurden ignoriert. Nur die Straßenproteste erzeugten die gewünschte Aufmerksamkeit.“

Simi: „Wir wissen selbst nicht, wieso die Straßenblockaden so effektiv waren, aber sie lösen die notwendigen Debatten aus.“

Ist die Letzte Generation etwas, wo nur junge Menschen mitwirken können?

Hans: Nein, die Letzte Generation ist super divers. Alle Altersklassen sind bei uns vertreten. Wir sind keine Bewegung aus rein jungen Menschen.“

Simi: Wir haben intern eine Umfrage gemacht und das Ergebnis war, dass ein größerer Teil sogar über 30 Jahre ist. Es ist ein rein mediales Problem, dass man die Letzte Generation immer darstellt, als wären nur junge Personen Teil davon. Bei Straßenblockaden, an denen ich teilgenommen habe, waren zum Beispiel teilweise nur zwei Personen unter 30 Jahren dabei. Der Großteil waren Menschen, die deutlich über 40 Jahre waren, aber in den Medien wurden nur die zwei jungen Teilnehmer abgebildet.“

Text: Susanne Kunze, Titelbild: Pressefotos der Letzten Generation 

<h3>Susanne Kunze</h3>

Susanne Kunze

ist 21 Jahre alt und studiert derzeit im 4. Semester Medienmanagement an der Hochschule Mittweida. Bei medienMITTWEIDA engagiert sie sich als Redakteur seit dem Sommersemester 2024.