„Flaggschiff“ droht zu kentern

von | 3. Dezember 2009

Heute Abend soll Johannes B. Kerners zweite auf Donnerstag verlegte Sendung ausgestrahlt werden. Hoffentlich wird es nicht wieder eine "Pleiten-Pech-und-Pannen-Sendung".

So langsam entwickelt sich der Quoten verwöhnte ZDF-Liebling zu einer Witzfigur des bunten Privatsenders. Nach Bekanntgabe des Wechsels von seinem zwölfjährigen Heimatsenders zu Sat.1 beteuerte der ZDF-Intendant, dass Kerner „nach neuen Perspektiven“ strebe. Tja, Augen auf bei der Berufswahl. Stand vor einiger Zeit noch „beliebt und bekannt“ als Bilduntertitel, so nutzen Redakteure von „WELT ONLINE“ heute eher „vergeblich“ und „bemühen“ in einem Atemzug.

Dabei freute ich mich, Herrn Kerner auf Sat.1 zu sehen und zu hören. Viel Sinnreiches ist mir bei Letzterem leider nicht in Erinnerung geblieben. Gut, der Sender ist nicht unbedingt für die höchste Form des Qualitätsjournalismus bekannt, aber Kerner sollte das schon richten. Nur leider versprach die Show zu viel. Die Einschaltquoten waren desaströs und von Montag zu Montag – es waren bekanntermaßen nur drei – waren weniger Zuschauer mit von der Partie.

Der Moderator verteidigte dies mit der Parole, dass die 30. Sendung wichtiger wäre, als die erste. Zudem scheint er von Anfang an gegen den Sendeplatz am Montag gewesen zu sein, wie auch stern.de schreibt. Also wirklich, dass der verantwortliche Programmdirektor einfach nicht auf den Werbeträger für Geflügelwurst hören wollte. Selbst schuld. Aber wie kann es denn sein, dass sich eine qualitativ hochwertige Sendung, ein „journalistisches Flaggschiff“ wie Sat.1 es nennt, gegen die Konkurrenz am Montag nicht durchsetzten kann? Immerhin wird zeitgleich lediglich vermittelt, wie der dümmste Bauer die größten Kartoffeln, Pardon, die zu ihm passendsten Damen, erntet – und das mit Erfolg.

Inhaltlicher Gau

Dabei hätte alles so schön sein können. Ein kompetenter Moderator informiert wöchentlich über interessante, wichtige Themen und führt erkenntnisorientierte Diskussionen mit seinen Gästen. Aber nichts. Kein kritisches Nachfragen, stattdessen Zustimmung auf ganzer Linie. So mussten die sowieso schon wenigen Zuschauer mit ansehen, wie der Moderator versuchte, Kinder einer Großfamilie dazu zu bringen, die zu Hause verbotenen Schimpfworte dem Fernsehpublikum zu sagen. „Der Durchschnitts-Rezipient“ würde dies als eines der Dinge bezeichnen, die die Welt bewegen.

Ein Griff in das sprichwörtliche Klo war leider auch die Sendung zum Thema Wiedervereinigung. Prominente Gäste dieser Übertragung waren Verona Pooth, Detlef D! Soost und „Akte“-Moderator Ulrich Meyer. Erstere betrieb während ihres Auftritts lachhafte Dauer-Eigen-PR, während sich die Herren dem Unterschied Ost-West widmen konnten. Obwohl alles unter dem Thema der Wiedervereinigung stehen sollte, war das Publikum in ehemalige Ost- und Westbürger unterteilt. Um festzustellen, wie ähnlich sich jedoch beide waren, sollten Soost und Meyer mit verbundenen Augen Ost-West-Produkte testen.

Nachdem beide die Produkte dem jeweiligen „Ursprungsland“ zugeordnet haben, verkündete Kerner sinngemäß, dass sich die BRD und die DDR endlich näher gekommen seien. Mensch, hätte er das Kanzler Adenauer und dem Honecker nur eher gesagt. Sämtliche diplomatische Beziehungen hätten mit dem Handel sächsischer Cola gegen westdeutsche Schaumküsse beseitigt werden können. Vielleicht wäre dann wirklich keiner auf die Idee gekommen eine Mauer zu errichten. Nein, so hat er es nicht gemeint, aber dieser Inhalt wurde mir übermittelt.

„Eine sehr gute Entscheidung. Ich freue mich auf die Zuschauer am Donnerstag.“

Zusammenfassend lässt sich jedoch feststellen, dass die Freude auf die nächste Sendung nicht auf Gegenseitigkeit beruhte. Zwar lag der Marktanteil bei der werberelevanten Zielgruppe der 14-49-Jährigen bei 7,8 Prozent, von einem großen Erfolg kann trotzdem nicht die Rede sein. Wir werden sehen, ob das vorher hoch gepriesene „Flaggschiff“ noch zu retten ist oder ob es wie die einst als unsinkbar geltende „Titanic“ kentern wird. Laut dem Umfrageergebnis von „TV TODAY“ auf ihrer Website glauben rund 40 Prozent der User, dass es das einzig Richtige wäre, „Kerner“ abzusetzen. Wie soll der Fernsehliebling das nur wieder gerade biegen?

<h3>Bianca Schmidl</h3>

Bianca Schmidl