Partyszene

Cis Männer müssen draußen bleiben

von | 4. November 2022

Wie schützt man die Party vor unangenehmen Dudes? Man lädt sie nicht ein.

Make me cum, make me squirt– See my titties through my shirt-Get me off, get me wet-Push my pussy to the edge”. Lila-blaue Lichter durchziehen den Club: 15 Menschen darin. „My legs open like a door” schallt es. Weibliche Lust sollte doch zelebriert werden, oder etwa nicht? Klar, dennoch gehen bei Texten über Sex bei mir sonst die Alarmglocken an. Die perfekte Gelegenheit für einige Kerle, widerlich zu werden. Dann wandern meine Blicke nach rechts und links, lieber bisschen weniger tanzen, vielleicht ist sogar jetzt der Moment auf Toilette zu gehen, obwohl ich den Song mag, aber Sicherheit geht nun mal vor. Doch hier im Weltecho, einem Chemnitzer Club, ist es heute anders. Ich feiere einfach.

Cat calls back!

Es ist „Cat calls back” FLINTA*-Party. Das Wort steht für: Frauen, Lesben, Inter, Non-Binary, Trans, A-gender. Das Sternchen gilt für alle Geschlechtsidentitäten, die nicht beschrieben werden, aber nicht cis männlich sind. Cis männlich bedeutet, es sind Männer, deren Geschlechtsidentität mit dem Geburtsgeschlecht übereinstimmt und die daher keine patriarchale  Diskriminierung erleben mussten. Zur Party haben also nur die Menschen Zutritt, die einer der FLINTA*-Kategorien zugehörig sind. Kurz gesagt: alle außer cis-Männer. 

Wie das Weltecho, ein Chemnitzer Kulturzentrum, die Idee aufgegriffen hat, erzählt Julia Voigt gegenüber medienMITTWEIDA. Sie arbeitet in der Geschäftsführung und plant Veranstaltungen. In den Sitzungen und in Gesprächen mit der Crew stellte sich heraus, dass es für FLINTA*-Personen trotz aller Awareness-Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung, nicht die Möglichkeit gibt, sich so richtig fallen zu lassen und sich tatsächlich sicher zu fühlen.” So entstand die Idee, eine Party zu veranstalten, bei der nur FLINTA*s Zutritt haben und auch Crew und DJs nur aus FLINTA*s bestehen. 



Awareness-Maßnahmen

Ziel ist es,  (sexualisierte) Gewalt und Diskriminierung jeder Art bei Veranstaltungen zu minimieren und Betroffene zu unterstützen. Dabei werden konkrete Maßnahmen des geschulten Teams umgesetzt, wenn bei ihnen Diskriminierung oder Belästigung gemeldet wird oder sie Zeuge dieser werden. Die genauen Konzepte unterscheiden sich von der Art der Veranstaltung.

Kurzer lila Glitzerrock, ein halbtransparentes Spitzenoberteil mit einem schönen BH und auffälligem Make-up. Mit den Planungen meines Looks für die Party lag ich schon Tage vorher allen in den Ohren. Endlich konnte ich die Dinge tragen, die ich ewig nicht mehr anhatte und in denen ich mich schön fühle, aber die Erfahrung hat mich gelehrt, dass zu viel Freizügigkeit nur zu Stress führt. Gaffende Männer, dumme Sprüche oder am Ende noch jemand, der es als Einladung versteht. Diesen Stress erspare ich mir sonst lieber. Aber auf der heutigen Party werde ich mit Leuten feiern können, die solche Situationen kennen und sich anders verhalten werden. Zumindest glaube ich das. Das wird mein Abend, da war ich mir sicher. 

Lass die Party beginnen

Für den Rock war es dann doch zu kalt, aber egal. Raus in die Nacht! Leider mit weniger Leuten als sonst. Meine männlichen cis-Freunde oder Freund*innen, die gemeinsam weggehen wollten, sind natürlich nicht mitgekommen. 

Auf dem Weg zum Club war ich schon wieder leicht genervt von grölenden Männergruppen in der Innenstadt. Wir liefen daher um die Kneipenmeile herum und ich war froh, mir das heute Abend nicht antun zu müssen. Doch einige FLINTA*-Personen werden heute Nacht trotzdem dort unterwegs sein und bedrängende Situationen erleben. 

97 Prozent der weiblichen und 95 Prozent der diversen Personen gaben an, generell schon einmal sexuell belästigt worden zu sein. Gerade im Partykontext sei die Lage noch mal gefährlicher, unter anderem durch den Einfluss von Lautstärke, Dunkelheit, Enge und Rausch. Außerdem wird Übergriffigkeit häufig nicht als diese erkannt und Ausflüchte gesucht, wie die Person sei betrunken oder es wäre nicht so gemeint gewesen.

Angekommen an dem großen Gebäude des Weltechos ging es durch die Einfahrt in den gepflasterten Hinterhof mit hölzernen Gartentischen und einer Hollywoodschaukel. Am Eingang des Clubs steht die Security. Laut Weltecho ebenfalls FLINTA*-Personen. Sie kontrollierten die Ausweise wie immer und wir gingen rein.

Doch wie wird geprüft, ob man FLINTA* ist? Wir gehen davon aus und mahnen, dass jede Person, die zur Party kommt, sich mit dem FLINTA* Begriff identifiziert, darüber setzten wir uns auch nicht hinweg”, erklärt mir Julia später. Das bedeutet jede*r hat Zugang, da man Geschlecht nicht sieht oder nachweisen kann. Aber ob das so klappt? 

Für 8 Euro Eintritt gab es den Stempel und ab in den Club. Bild: Klara Behner

Auf der Feier angekommen, fällt uns sofort auf, dass der Anteil an von mir männlich gelesenen Personen geringer ist. Halb zwölf ist erstaunlich wenig los – vielleicht neun Leute. Techno-Sounds klingen durch den Club, ein leichter Nebel lag noch über der Tanzfläche. Ich fühle mich verbunden mit den anderen. 

Auch der Tanzstil kommt mir ausgelassener und freier vor. Eine junge Frau tanzt einige Meter vor mir, mit wilden Sprüngen und wedelnden Armen. Rechts von mir steht eine um die 20-jährige und eine etwa 40-jährige Frau. Alle lachen und tanzen. Wir schließen uns ihnen an. Unsere Gläser stellen wir ab. Normalerweise tue ich das nicht. Viel zu groß ist die Angst, dass mir jemand etwas ins Glas schütten könnte. Doch hier fühlte ich mich sicher. Ob dieses Vertrauen so klug ist, weiß ich nicht. Aber in diesem Moment fühlt es sich so an.

Na wie war’s?

Die Nacht verstrich und ich bin seltsam entspannt. Damit bin ich nicht die einzige. Luca (Name geändert) erzählt mir, dass es für ihn als trans Mann auf Partys durch cis-Männer manchmal schwierig wird. Die unangenehmen Blicke oder dummen Sprüche stressen ihn. Bei der FLINTA*-Party konnte er einfach abschalten. Finja (Name geändert) stimmt ihm zu, vor allem der Platz zum tanzen hat ihr gefallen. Man hat sich nicht so bedrängt gefühlt.

Leni, eine junge Frau aus der Partygruppe vor uns, sagt mir am nächsten Tag: „Für mich ist diese Party einfach ein krasser Safespace. Ich habe keine Angst vor Bewertungen.” Sie lacht ein klein wenig als sie erzählt: „Ich hatte so ein Verbundenheitsgefühl zu den anderen Gästen und es war eine gute Atmosphäre, um neue Kontakte zu knüpfen.“ Ein paar Gäste mehr hätten es für sie sein können, jedoch war es auch schön, da man so viel Platz zum Tanzen hatte.  Leni selbst ist im Awareness-Team in Chemnitz aktiv und hat die Erfahrung gemacht, dass viele Clubs keine sicheren Räume schaffen wollen. Es besteht also gar nicht die Möglichkeit, diese einzunehmen, da bestimmte Sicherheiten, wie geschultes Personal, noch nicht gegeben sind. Die einzige Frage, die sie sich auch stellt, ist, wie die Einlasskontrolle geregelt wird.

Bild: Klara Behner

Die Frage der Einlasskontrolle stellt sich auch Eva (Name geändert). Sie findet das Konzept „verkopft, überholt und trotz aller Mühen nicht inklusiv”, da es sich nicht kontrollieren ließ, denn Geschlecht sieht man eben niemanden an. „Wenn das Weltecho als Veranstalter so ein Problem mit toxischer Männlichkeit bei ihren Partys haben, gibt es andere Wege, damit umzugehen, als alle cis-Männer zu verweisen. (…) Es ist schon witzig, dass am Freitag „Party ist für alle da“ geschrien wird und am Samstag dann FLINTA* only.” Julia vom Weltecho meint dazu: „Jede andere Party ist für FLINTA*-Personen begrenzend und einschränkend und deswegen hat die Party auch ihre Berechtigung.” Zudem führt das Weltecho auch Veranstaltungen zu kritischer Männlichkeit durch. So versuchen sie zum einen, darauf Einfluss zu nehmen, aber zum anderen auch FLINTA*s einen Raum zu bieten.

Bei der Musikauswahl kann ich Eva aber nur zustimmen. Für Techno waren es in der Tat sehr wenige Menschen. Aus den vielen Gründen wird Eva nicht noch einmal zu „Cat calls back” gehen. Finja und Luca würden erneut hingehen, aber wünschen sich auch andere Musik. Und ich? Ich hätte diese Party gerne wieder, denn am Ende gehe ich feiern, um zu tanzen und nicht wachsam um mich zu blicken zu müssen. Und auch wenn die Party nicht so gut besucht wurde, wird es eine dritte geben, wie uns Julia verrät.

Text und Bild: Klara Behner

<h3>Klara Behner</h3>

Klara Behner

ist 21 Jahre alt und studiert im dritten Semester Medienmanagement an der Hochschule Mittweida. Bei medienMITTWEIDA engagierte sie sich als Assistentin der Bereichsleitung Campus und leitete das Ressort Gesellschaft. Seit Sommersemester 2022 ist sie als Chefredakteurin tätig.