Seit zwei Monaten interviewt „Tape.tv“ beliebte Musiker für die neue Reihe „6 Kurze 6 Fragen“. Dabei ist das Interviewformat sehr fragwürdig, die Interviewten trinken nach jeder Frage einen Schnaps. „Davon halten wir nichts, aber es gibt keine gesetzliche Handhabe dagegen“, bedauert Gerd Engels, Geschäftsführer der „Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz“. Die Musiker Axel Bosse und Adam Grahn von der Band „Royal Republic“ wurden als erste für „6 Kurze 6 Fragen“ interviewt.
Sechs Schnäpse für eine angenehme Atmosphäre
Der Ablauf der Interviews ist immer gleich: Auf jede Frage folgt der Lieblingsschnaps des Musikers. Damit wird Alkoholismus verherrlicht – sich betrinken wird als hip dargestellt. Das zeigt der Musik-Kanal auch direkt, denn nach jedem Glas wird die Atmosphäre angenehmer dargestellt. Sechs mal wiederholt sich die Prozedur, die Fragen werden immer intimer und der Alkoholpegel der Beteiligten steigt sichtbar. Das Blut schoss den Interviewten sichtbar in den Kopf. Leider hat die Netzgemeinde diesen gefährlichen Trend bislang nicht angemahnt, der Teaser für das fragwürdige Format ist bislang noch nicht kommentiert.
Engels, Geschäftsführer der „Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz“ hält die Web-Werbekampagne für das fragwürdige Format ebenfalls für moralisch bedenklich. Generell müsse der Umgang mit Alkohol in der Öffentlichkeit überdacht werden. „Wir regen uns jedes mal darüber auf, wenn Politiker mit Sekt und Weingläsern in der Öffentlichkeit stehen – auch das ist eine Antiwerbung, aber legal ist es schon.“ Rein rechtlich könne gegen das „Tape.tv“-Format nichts gemacht werden.
Alkoholmissbrauchs-Problematik bleibt aktuell
Auch wenn Alkoholmissbrauch zuletzt weniger stark in den Medien thematisiert wurde, die Problematik bleibt aktuell: In Deutschland sind über vier Millionen Menschen alkoholabhängig, fünf Millionen neigen zu einem riskanten Alkoholkonsum. Das lässt „Tape.tv“ außer Acht. An die Wirkung der Interview-Serie auf unter 18-Jährige, die durchaus auf „Tape.tv“ zugreifen, denkt das Start-Up nicht. „Zwar gibt es freiwillige Selbstbeschränkungen der Alkoholindustrie, was die Werbung angeht“, erklärt Engels, viele Konzerne würden sich jedoch nicht daran halten.
Laut „Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung“ konsumieren 12,9 Prozent der 12- bis 17-Jährigen regelmäßig Alkohol. Das durchschnittliche Alter, in dem zum ersten Mal getrunken wird, liegt bei 14,5 Jahren, den ersten Alkoholrausch haben Jugendliche im Durchschnitt mit 15,9 Jahren. Bei Tabak ist der Staat weiter: Das Werbeverbot für Tabakwaren ist seit 2007 ausgeweitet worden, die beiden Genussmittel Alkohol und Tabak werden gesellschaftlich also verschieden abgestuft. Jährlich sterben etwa 42.000 Menschen aufgrund von Alkoholmissbrauch. Etwa 2.200 Kinder kommen geschädigt zur Welt, weil ihre Mutter während der Schwangerschaft Alkohol getrunken hat.