Schlechte Zukunftperspektive für Freie

von | 14. März 2012

Freie Journalisten arbeiten oftmals für einen Hungerlohn. Idealismus und Unternehmensbilanzen versperren ihnen den Weg zu mehr Gehalt. Die deutsche Wirtschaft wächst trotz Krisenstimmung. Trotzdem steigt der Druck auf die deutschen […]

Die Verdienstmöglichkeiten für freie Journalisten sind oft gering.

Die Verdienstmöglichkeiten für freie Journalisten sind oft gering.

Freie Journalisten arbeiten oftmals für einen Hungerlohn. Idealismus und Unternehmensbilanzen versperren ihnen den Weg zu mehr Gehalt.

Die deutsche Wirtschaft wächst trotz Krisenstimmung. Trotzdem steigt der Druck auf die deutschen Medienhäuser. Umsatzrückgänge von sieben Prozent bei „Gruner + Jahr“oder vier Prozent bei der „Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck“ im Zeitraum von 2009 bis 2010 begründeten die Verlage mit sinkenden Auflagen. Die steigenden Rohstoffpreise bringen die Gewinne aktuell zusätzlich in Gefahr.

Die Konzerne versuchen daher zu sparen. Am einfachsten geht das wahrscheinlich beim Personal. 2010 stellte der „Bund Deutscher Zeitungsverleger“ (BDZV) daher den Tarifabschluss für Redakteure und Journalisten in Frage. Die Forderung nach Gehaltskürzungen bei den Berufseinsteigern von bis zu 15 Prozent bezeichnete die Arbeitgeberseite als „maßvoll“. Die neue Gehaltsstruktur bilde darüber hinaus auch die „veränderten Arbeitsweisen in Redaktionen“ besser ab.

Mehr Arbeit für weniger Geld

Dabei geht es allerdings nicht darum, dass in den Redaktionen weniger gearbeitet wird. Flexibilität und umfassende Begabungen für Fotografie, Film und Wort stellen mitunter größere Herausforderungen an die Journalisten, als dies früher der Fall war. Finanziell berücksichtigt wird das aber nicht. Während manche vom „Neid auf die Festangestellten“ schreiben, zeichnet die freie Journalistin Gabriele Bärtels das Verhältnis der Berufsstände wesentlich positiver: „Neidisch bin ich nicht, auch herrscht normalerweise kein Argwohn.“ Bei den Festangestellten würde ebenso gespart. Auch sie müssten mehr und hektischer arbeiten.

Das Tarifwerk will unterdessen die exzessive Ansammlung von Überstunden bei 36,5 Stunden regulärer Arbeitszeit pro Woche beenden. Ob das gelingt, darf aber bezweifelt werden. Die Arbeitnehmerverbände sollten schließlich wissen, dass auch festangestellte Journalisten zum Selbstbetrug neigen und viele aus Idealismus einfach unbezahlt weiterarbeiten – in ihrer Freizeit.

Ein von Mitleid geprägtes Arbeitsverhältnis

Vom teils noch größeren Leid der freien Journalisten schrieb Gabriele Bärtels schon 2007 in der „Zeit“: „In den zehn Jahren meiner Tätigkeit für zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften musste ich nur zweimal Steuern zahlen, denn mein Jahreseinkommen liegt meistens unter 10.000 Euro, nach Abzug aller Aufwendungen eigentlich bei null.“

Der Text erregte große Aufmerksamkeit und führte zur Gründung zahlreicher Initiativen, von denen mittlerweile scheinbar nicht viele übrig geblieben sind. Einen Grund dafür kann auch die Autorin nicht nennen. „Da kann ich auch nur spekulieren: So gut wie alle Initiativen erlahmen nach einer gewissen Zeit, besonders dann, wenn man spürt, dass man an der Großwetterlage nicht viel ändern kann“, sagt Bärtels. Der Verband „Freischreiber“, dem sie selbst angehört, sei ein positives Gegenbeispiel, eine ernst zu nehmende Stimme für freie Journalisten, die sich etabliert habe.

Studien belegen das negative Bild

Konkrete Zahlen über den Verdienst von Journalisten liefert die „Künstlersozialkasse“ (KSK). Sie ermittelte für das Jahr 2010 ein durchschnittliches Jahresarbeitseinkommen von 16.840 Euro für selbstständige Journalisten und Redakteure. Berufseinsteiger werden laut Schätzungen der „KSK“ mit rund 2.000 Euro weniger abgespeist. „Die Situation der selbständig Tätigen ist nicht mit der Einkommenssituation von Tarifbeschäftigten vergleichbar“, heißt es in einer Stellungnahme. Tatsächlich erzielen Volontäre, die nach neuem Tarif bezahlt werden, bereits im ersten Jahr Arbeitseinkommen von über 20.000 Euro. Tariflose bewegen sich finanziell zwischen diesen beiden Werten. Doch über das eigene Einkommen reden bekanntlich wenige gern und so beruhen viele Statistiken nur auf Schätzungen und Hochrechnungen.

Der „Deutsche Journalisten-Verband“ (DJV) weiß jedenfalls, wie schwierig es für Berufseinsteiger ist, ein Volontariat in einem tarifgebundenen Haus zu ergattern. Einige Verlage hätten Wartelisten, der Großteil besetze Kapazitäten lieber mit freien Journalisten, die im Haus schon bekannt sind. Doch muss sich ein Journalist mit 20.000 Euro Jahreseinkommen wirklich glücklich schätzen? Schließlich ermittelte die „Alma Mater Gehaltsstudie 2011“ für Studienabsolventen – ungeachtet der Branche und des Abschlusses – Durchschnittswerte von 40.000 Euro. Schlechter als in den Medien werden Hochschulabsolventen nur noch im Tourismus bezahlt.

Ausweg PR-Arbeit

Die einzige Möglichkeit, mit der eigenen Arbeit genug Geld zu verdienen, ist für viele junge Journalisten parallel für die Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen zu arbeiten. „Begrüßen kann man das nicht. Die journalistische Unabhängigkeit gerät dadurch in Bedrängnis“, sagt die freiberufliche Journalistin Bärtels. Deshalb appelliert sie an die Arbeitgeber: „Solange es Manager noch für sinnvoll halten Verlage zu betreiben, sollen sie auch ihre Mitarbeiter, frei oder fest angestellt, anständig bezahlen.“

Die Arbeitnehmerverbände haben zwar die ganz großen Kürzungen für Berufseinsteiger abwenden können. Mit einem Blick auf das aktuelle Lohnniveau und auf Lohnerhöhungen in vielen anderen Branchen kann dies aber wohl kaum als Erfolg bezeichnet werden. Verheißungsvoll kommentiert der „BDZV“ in einer Pressemitteilung: „Wir bedauern, dass die Gewerkschaften diesen Weg (der maßvollen Kürzungen) nicht mitgehen wollten. Die Notwendigkeit, ein solches Tarifwerk zu schaffen, bleibt jedoch für die Zukunft bestehen.“ Weitere Einbußen für die Journalisten scheinen also nur eine Frage der Zeit.

Geistiger Diebstahl bedroht die Lebensgrundlage

Auch Gabriele Bärtels macht sich keine Hoffnungen auf eine finanziell bessere Zukunft im Journalismus, auch wenn sie bereits 2007 mit ihren Texten Preise gewann. Die Umsonst-Mentalität im Internet lasse sich nicht mehr verscheuchen. Die Ernüchterung scheint bei Bärtels groß. Den Rat, freier Journalist zu werden, will sie niemandem geben: „Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich denke aber, dass es kein Traumberuf mehr ist. Allein mit Leidenschaft lässt sich kein Leben auf Dauer finanzieren, eine Familie erst recht nicht.“ Für die Verlage könnte so aus dem Bilanz- bald ein Recruiting-Problem werden.

Text: Tim Jungmittag, Bild: sxc.hu, Fotograf: sqback, Bearbeitung: Florian Pfennig

<h3>Tim Jungmittag</h3>

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