Freischreiber ist ein Berufsverband für freiberufliche Journalisten und Journalistinnen. Als Vorstandsmitglied erzählt Steve Przybilla, selbst freier Journalist, in einem schriftlichen Interview über seine persönlichen Erfahrungen im Job und verrät außerdem wertvolle Tipps für eine erfolgreiche Karriere.
Przybilla: „In den Journalismus bin ich ganz klassisch über Praktika, freie Mitarbeit bei Lokalzeitungen und ein Volontariat gekommen. Seit 2012 arbeite ich freiberuflich für verschiedene Medien, unter anderem für die Süddeutsche Zeitung, Spiegel online, die Neue Zürcher Zeitung sowie mehrere Regionalzeitungen. Das war eine bewusste Entscheidung, weil ich mir meine Themen selbst aussuchen und nicht den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen möchte – was bei Redakteuren leider oft der Fall ist. Bei Freischreiber bin ich seit 2014, um gemeinsam mit anderen Kollegen für faire Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Und natürlich, weil es eine coole Truppe ist.“
Welche Vorteile habe ich als freiberuflicher Journalist von einem Berufsverband wie Freischreiber?
Przybilla: „Zunächst einmal die Gemeinschaft. Wir sind über 700 Mitglieder – da hat fast jeder schon mal für ein bestimmtes Medium gearbeitet. Wir treffen ins regelmäßig, tauschen uns aus, organisieren Workshops, bieten eine Versicherungs- und Rechtsberatung für Mitglieder. Über unser Online-Tool machen wir transparent, welche Medien welche Honorare zahlen. Wir klagen an, wenn Redaktionen ihre Freien mies behandeln und wir zeichnen sie aus, wenn sie vorbildlich agieren. Auch politisch sind wir aktiv, zum Beispiel beim Urheberrecht und bei der VG Wort.“
Welche Tipps haben Sie für Einsteiger, die freiberuflich im Journalismus arbeiten wollen?
Przybilla: „Einsteiger sollten frühzeitig den Kontakt zu möglichen Auftraggebern suchen, zum Beispiel über Praktika oder freie Mitarbeit während des Studiums. Vor allem sollten sie sich dabei nicht abwimmeln lassen. Viele Redaktionen könnten ohne die Geschichten von Freien dichtmachen, sind aber auch chronisch überlastet und antworten nicht immer direkt auf Themenvorschläge. Außerdem ist es vorteilhaft, Mitglied in der Künstlersozialkasse, bei der VG Wort oder bei einem Berufsverband, wie zum Beispiel Freischreiber, zu werden.“
Worauf sollte man dabei achten?
Przybilla: „Trotz aller Leidenschaft bitte das Finanzielle nicht vergessen und beim Honorar unbedingt verhandeln. Auch wenn Redakteure oft das Gegenteil behaupten: Es gibt immer einen Spielraum. Nie sollte das Honorar nach dem Motto ‚Das ist deine erste Geschichte, danach schauen wir mal‘ niedriger ausfallen. Denn wer sich einmal als Billigarbeiter einstufen lässt, hat es extrem schwer, da wieder rauszukommen. Besser ist es daher, mit guten Ideen für Geschichten zu überzeugen. Auch eine zusätzliche Altersvorsorge, zum Beispiel über das Presseversorgungswerk, ist extrem wichtig.“
Welche Eigenschaften sollte die eigene Persönlichkeit erfüllen, wenn man als Freiberufler tätig werden möchte?
Przybilla: „Gelassenheit, Optimismus und Selbstmotivation sind das A und O. Man sollte wirklich brennen für den Job. Allgemein kann es wunderschön und bereichernd sein, von zu Hause aus zu arbeiten. Diejenigen, die allerdings nur schwer vom Sofa hochkommen und einen ‚geregelten‘ Arbeitsalltag brauchen, sollten über ein Büro außerhalb der eigenen Wohnung nachdenken. Das ist letztendlich eine Typ-Frage.“
Wie meistere ich den Erstkontakt mit einer Redaktion?
Przybilla: „Mit einer guten Geschichte! Thema und Medium müssen zusammenpassen. Also kein Fahrbericht über den neuesten Diesel-Sportwagen fürs Greenpeace-Magazin. Eine kurze E-Mail mit einem Exposee an die Redaktion ist immer gut. Wenn sich niemand zurückmeldet – was leider öfter mal vorkommt -, unbedingt telefonisch nachhacken. Höflich, verbindlich, professionell. Und wenn es doch nicht klappt, nicht traurig sein: Es gibt so viele tolle Redaktionen, da findet sich schon die passende für die eigene Idee.“
Wie kann ich als freiberuflicher Journalist erfolgreich werden? Existiert da so etwas Ähnliches wie ein Erfolgsrezept?
Przybilla: „Wie bei allem gehört wahrscheinlich sowohl Glück als auch Eigeninitiative dazu. Zur Badischen Zeitung kam ich, weil ich den Lokalchef durch Zufall im Treppenhaus getroffen und angequatscht habe. Er kannte mich gar nicht, aber ich habe ihn so lange zugetextet, bis er mich auf einen Termin geschickt hat, und das gleich am selben Abend. Der Text hat ihn dann überzeugt und so kam die Zusammenarbeit zustande. Ich glaube, es lohnt sich, nicht gleich aufzugeben.“
Gibt es denn eine bestimmte Methode, um sehr lohnende oder viele Aufträge zu akquirieren?
Przybilla: „Die Frage ist: Lohnen sich viele Aufträge mehr als ein einzelner großer? Das kommt ganz darauf an. Zeitschriften zahlen in der Regel deutlich mehr als Zeitungen, wollen die Texte dann aber auch exklusiv. Man muss also rechnen. Es ist auf jeden Fall nie verkehrt, Texte mehrfach zu verwerten, also weiterzuverkaufen. Was die Akquise angeht, habe ich die Erfahrung gemacht, dass es unheimlich schwer ist, ein Thema zu platzieren, wenn man Redaktionen noch nicht kennt. Deshalb sind persönliche Kontakte durch Praktika und Volontariate so wichtig. Für viele Redaktionen, die ich darüber kennen gelernt habe, arbeite ich noch heute.“
Wie schätzen Sie die aktuelle Situation und die Zukunftsaussichten für Freiberufler im Journalismus ein?
Przybilla: „Ich schätze sie, trotz aller Horrormeldungen, gut ein. Das Bedürfnis nach fundierten, gut recherchierten Geschichten ist heute größer denn je. Da spielt es gar keine Rolle, ob Medien auf Papier, dem Smartphone oder vielleicht in Zukunft über ein Implantat unter der Haut konsumiert werden. Freie müssen keine Einzelkämpfer sein. Sie können gemeinsam viel bewegen.“
Noch Fragen? Weitere Infos zur Freiberuflichkeit im Journalismus findet ihr HIER.