Beyond Swipes, warum lässt Gen Z Dating-Apps links liegen? Während Tinder, Bumble und Lovoo immer noch weit verbreitet sind, zeigen neue Studien, dass viele junge Menschen alternative Wege zur Partnersuche bevorzugen. Statt sich auf Apps zu verlassen, nutzen sie vermehrt soziale Medien.
Gen Z’s Dating Revolution
Gen Z zeigt weniger Interesse an Dating-Apps. Das geht zumindest aus einem aktuellen Artikel der „Time Magazin“ hervor. Eine weitere Umfrage aus dem Jahr 2023 unterstützt diese These und zeigt, dass nur 26 Prozent der Generation Z, Dating-Apps überhaupt nutzen. Im Gegensatz dazu nutzen 61 Prozent der Millennials Dating-Apps aktiv. Entgegen der Erwartung, dass Generation Z die ideale Zielgruppe für Dating-Apps sei, zeigt die Realität einen anderen Trend. Ausgerechnet die Altersgruppe, die im digitalen Zeitalter aufgewachsen ist, könnte die Online-Dating-Landschaft verändern. Die Gründe dafür können vielfältig sein. Laut der „Time“-Studie könnte dies auf spezifische Herausforderungen zurückzuführen sein, mit denen sich junge Nutzer auf den Plattformen konfrontiert sehen. Viele geben an, Angst vor Ablehnung und dem Erleben peinlicher Situationen zu haben. Zusätzlich scheint das Misstrauen gegenüber den Algorithmen der Apps und deren Anbietern zu wachsen.
Ein Geschäft mit der Liebe
„Alle elf Minuten verliebt sich ein Single …“ – diesen Slogan eines bekannten Dating-Portals hat wohl jeder schon einmal gehört. In Deutschland allein gibt es bereits mehr als 2.500 Partnervermittlungen und Singlebörsen. Die Erfolgsquoten von Parship, Tinder und Co. sind generell schwer einzuschätzen, geschweige denn zu messen. Allein die Dating-App Tinder verzeichnet nach eigenen Angaben weltweit 75 Millionen monatliche Nutzer. Singles in der Nähe zu finden, geht über Smartphones jetzt nicht mehr nur über Tinder. Im vergangenen Jahrzehnt haben viele weitere Anbieter diesen Markt betreten. Bumble erlaubt beispielsweise nur Frauen, die erste Nachricht zu senden und Kontakt aufzunehmen.
Hinge ist darauf ausgerichtet, schnell wieder gelöscht zu werden, während Raya sich durch Exklusivität und Privatsphäre auszeichnet. Dies sind nur einige Beispiele von vielen Dating-Apps, die heute verfügbar sind. Um Menschen miteinander in Kontakt zu bringen, nutzen diese Apps Algorithmen. Die genaue Funktionsweise der Matching-Algorithmen bleibt dabei aber ein Geheimnis der Unternehmen. Der Attraktivitäts-Score scheint jedoch bei vielen eine bedeutende Rolle zu spielen. Die Unzufriedenheit mit Dating-Apps wächst, da Nutzer zunehmend das Gefühl haben, dass die Algorithmen nicht das gewünschte Ergebnis liefern und die Unternehmen hinter den Apps in erster Linie auf Profit aus sind. Wichtige Funktionen und Nutzer werden oft hinter Paywalls versteckt.
Den Matching-Algorithmen auf der Spur
Nutzer von Dating-Apps oder -Portalen geben bei ihrer Anmeldung zunächst persönliche Informationen an. Eine Software wählt daraufhin Partner aus, die zu den angegebenen Vorlieben und Wünschen passen. Das Prinzip der Matching-Algorithmen basiert auf der Arbeit der Wirtschaftsmathematiker David Gale und Lloyd Shapley aus den 1960er Jahren. Sie beschäftigten sich mit der Frage, wie Akteure auf verschiedenen Märkten so zusammengebracht werden können, dass am Ende alle Parteien zufrieden sind und stabile Verbindungen entstehen. Heutzutage werden diese Systeme nicht nur im Online-Dating genutzt. Auch im Rahmen von Jobvermittlungen, wie etwa bei LinkedIn oder Xing, sowie im Online-Gaming finden sie Anwendung. Die genauen Funktionsweisen der Algorithmen werden von allen Anbietern geheim gehalten. Die meisten Plattformen nutzen allerdings einen Attraktivitäts-Score oder den ELO-Score.
Ursprünglich zur Einschätzung der Spielstärke von Schachspielern entwickelt, dient der ELO-Score im Dating-Bereich dazu, die Attraktivität eines Profils zu messen. Auf dieser Grundlage vermittelt der Algorithmus Nutzer mit anderen, die einen ähnlichen Score aufweisen. Je höher der ELO-Score ist, desto begehrter ist das Profil. Nach zunehmender Kritik im Netz nutzt Tinder nun seit 2019 keinen ELO-Score mehr. Aktuell bewertet Tinder die Profile nach eigenen Angaben stark nach der Nutzeraktivität. Die Wahrscheinlichkeit, neue Matches zu erhalten, steigt demnach mit der Häufigkeit und Dauer der täglichen Nutzung der App.
Tinder Algorithmus, Foto-Credit: https: www.playingfire.com
Algorithmen der Liebe
Gen Z nutzt Technologien, um sich auf verschiedene Weise zu verbinden, insbesondere über soziale Medien. Plattformen wie Instagram und TikTok ermöglichen es Nutzern, ein Gefühl für potenzielle Partner zu bekommen.
Das können Dating-Apps oft nicht bieten. Viele Dating-Apps erlauben es, Social-Media-Informationen zu teilen, so können Interessenten mehr über ihren Gegenüber erfahren. Ein Teil der Generation Z umgeht Dating-Apps ganz und nutzt ausschließlich ihre Social-Media-Communitys, um Kontakte zu knüpfen. Social-Media-Algorithmen zeigen oft Menschen mit ähnlichen Interessen, was zum einen die Kontaktaufnahme per Direktnachricht erleichtert, aber auch Personen mit ähnlichen Interessen zusammenführen kann. Bei Dating-Apps ist dies ein weitaus langwieriger Prozess. Eine Studie aus Norwegen ergab, dass im Durchschnitt 57 Matches nötig sind, um zu einem Date zu kommen, was zu einer Erfolgsquote von 1 zu 291 führt. Das bedeutet, dass durchschnittlich 291 Matches erforderlich sind, um eine feste Partnerschaft zu finden. Dies erfordert also ein beträchtliches Maß an Durchhaltevermögen und Hoffnung.
Swipe-Sucht und Psychische Gefahren
Obwohl Dating-Apps Zugang zu vielen Gleichgesinnten bieten, birgt diese grenzenlose Auswahl auch psychische Gefahren. Ähnlich wie beim Glücksspiel schüttet das Gehirn beim Swipen Dopamin aus, besonders wenn Nutzer ein Match erhalten. Da es jedoch unvorhersehbar ist, wann oder ob ein neues Match zustande kommt, kann sich eine Sucht nach immer häufigeren Swipe-Vorgängen entwickeln. Diese endlosen Möglichkeiten neuer Matches und die Swipe-Mechaniken vieler Apps können ein Suchtverhalten bei Nutzern zur Folge haben. Das, was bei einigen Glücksgefühlen auslöst, kann bei anderen zu Frustration führen. Es wird vom sogenannten Online-Dating-Burnout gesprochen. Das Burnout kann entstehen durch die ständige Erschöpfung, Überanstrengung und Ermüdung durch die Partnersuche in den Apps. Viele Nutzer fühlen sich unter Druck gesetzt, die App ständig zu verwenden, aus Angst, sonst etwas zu verpassen. Dies kann beispielsweise zu einer Form von Fomo (Fear of missing out) führen, der Angst, etwas oder in diesem Fall jemanden Wichtiges zu verpassen. Aus diesem Grund können viele nicht von Dating-Apps ablassen, da sie befürchten, ihr vermeintlich „perfektes Match“ zu verpassen. In einem Interview mit dem ZDF betont Psychologin und Dating Coach Stella Schulter: „Der perfekte Partner, die perfekte Partnerin, ist eine Illusion. Es gibt nicht den einen oder die eine, denn mit jedem Partner werden bestimmte Themen auftauchen, die nicht perfekt passen. Viel wichtiger ist es, mit einer Person eine tiefe Bindung aufzubauen.“ Nutzer sind auch durch die Ablehnung, welche sie durch Online-Dating erfahren, deprimiert.
„Ghosting etwa könnte ungünstige Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl haben und ein zusätzlicher Stressfaktor beim Online-Dating sein, der zu Erschöpfung führen kann.“ erklärt Prof. Dr. Wera Aretz in einer Pressemitteilung der Hochschule Fresenius.
Schlussfolgernd kann man sagen, dass Nutzer ihren Selbstwert nicht von der Anzahl ihrer Matches oder Likes abhängig machen sollten. Häufig ist unklar, wer sich auf der anderen Seite befindet und mit welcher Absicht die Person sich auf solchen Apps überhaupt angemeldet hat.
Wie Gen Z die Zukunft des Online-Datings definiert
Aus einer Studie diesen Jahres geht hervor, dass 21 Prozent Ihren Partner über das Internet oder Dating-Apps kennengelernt haben. Der Anteil an Menschen, die ihren Partner über die Arbeit kennengelernt haben, ist ähnlich hoch. Doch was bedeutet das für das Dating-Verhalten der Generation Z? Statt Dating-Apps nutzen viele junge Menschen soziale Medien zur Partnersuche. Doch wie sehen die Meinungen der Personen aus dieser Altersgruppe aus?
„Damals war meine Erwartung, jemanden für eine feste Beziehung kennenzulernen. Heute habe ich die Erwartung nicht mehr, weil das meiner Meinung nach nicht sinnvoll ist, dahingehend eine Erwartung zu haben. Aktuell schaue ich nur mal zum Zeitvertreib rein und schreibe mit dem ein oder anderen. Ich meine klar, ich möchte immer noch eine feste Beziehung haben, aber das von einer App erwarten, sollte man nicht …Aber im Grunde hoffe ich immer noch meine „Liebe fürs Leben“ im echten Leben kennenzulernen.“
– Lisa, 22
„Ich hatte anfangs gemischte Gefühle gegenüber Dating-Apps, aber ich bin froh, dass ich ihnen eine Chance gegeben habe. Es hat mir ermöglicht, meinen jetzigen Freund kennenzulernen, den ich sonst vielleicht nie getroffen hätte. Natürlich gibt es auch Herausforderungen und es ist wichtig, vorsichtig zu sein, aber meine Erfahrung war insgesamt positiv. Für mich waren die Apps letztendlich gut, um jemanden zu finden, der wirklich zu mir passt. Auch wenn es ein paar Versuche gebraucht hat.“
-Anna 23
„Ich persönlich habe tatsächlich noch nie Erfahrungen mit Dating-Apps gehabt. Klar kam das Thema im Freundeskreis gelegentlich zur Sprache, doch die Erfahrungen anderer klangen nicht überzeugend genug, um mich dazu zu bringen, eine solche App herunterzuladen. Meine Partner habe ich tatsächlich über soziale Netzwerke kennengelernt, was man als eine moderne Art des Datings betrachten kann. Bei Dating-Apps hatte ich immer den Eindruck, dass es den meisten nur um das Eine geht.“
– Elena, 21
Die Meinungen und Erfahrungen zu Dating-Apps variieren stark. Diese unterschiedlichen Perspektiven zeigen, dass die Nutzung von Dating-Apps sehr individuell ist und sowohl Chancen als auch Herausforderungen bietet. Während einige positive Erfahrungen machen und langfristige Beziehungen finden, bleiben andere skeptisch und suchen lieber über alternative Wege nach passenden Partnern. Ob Dating-Apps demnächst noch für Perfect-Matches vor allem in der Generation Z sorgen, wird die Zukunft zeigen.
Text/Grafik: Emma Walther, Titelbild Foto: www.freepik.com