Das Lesen von Comics war in Deutschland lange Zeit Kindern vorbehalten, zunehmend werden sie aber als Kunstform anerkannt. Christina Mothes blickt auf die Geschichte der Comics zurück.
Am 15. März startet die diesjährige Leipziger Buchmesse. Auf der Veranstaltung zeigte sich schon in den letzten Jahren, dass die Bedeutung von Comicbüchern immer größer wird. Zeichner wie Joscha Sauer verdienen mit den kurzen Bildgeschichten ihren Lebensunterhalt und regen damit nicht nur die Jüngeren zum Lesen an.
Kultcomics wie „Asterix und Obelix“ finden sogar im Schulunterricht Einzug, berichtet Thea Schellakowsky von den „Egomont Verlagsgesellschaften“: „Comics haben mittlerweile auch einen erzieherischen Wert. So können zum Beispiel Kinder in der Schule mit den lateinischen Asterix-Ausgaben eine antike Sprache bildhaft und spielerisch erlernen und erfahren zudem – wenn auch parodiert – etwas über das Leben in der Antike.“ Steffen Volkmer vom „Panini Verlag“ bestätigt die Eignung als Lehrmaterial: „In den USA und Frankreich, sowie in Japan gehören sie auch zum Lehrmaterial an Schulen und zur allgemeinen Bildung“.
Eine Erfolgsgeschichte in Bildern
Volkmer beschreibt Comics als einen „Spiegel des Zeitgeistes“. „Comics spiegeln Mode, Unterhaltung, gesellschaftliche und politische Entwicklungen wider und reagieren sehr schnell auf Trends, weshalb Comic auch popkulturelles Gut und historisches Archiv sind.“ Wann der erste echte Comic gezeichnet wurde, ist unter den Experten umstritten. Aufgrund regional unterschiedlicher Entwicklungen kann keine klare Erstdatierung vorgenommen werden. „Bildhafte Erzählungen gibt es schon seit der Steinzeit. Wenn man so will, lange bevor es Sprache als Kommunikationsmittel gab“, sagt Thea Schellakowsky im Gespräch mit medienMITTWEIDA. In der „Höhle von Lascaux“ in Frankreich gibt es etwa Bilder, die in zeitlicher Abfolge geordnet und mittlerweile mehr als 15.000 Jahre alt sind.
Für Steffen Volkmer vom „Panini Verlag“ war es Wilhelm Busch, der die Grundlage des Comics schuf. Mit „Max und Moritz“ erzählte Busch 1865 eine Bildergeschichte mit sequentieller Abfolge, jedoch fehlten noch typische Stilmittel wie die Sprechblasen. Den Text platzierte Busch allerdings noch getrennt vom Bild. Deshalb will Andreas Platthaus, der Comic-Experte der „FAZ“, die Entwicklung des eigenständigen Comics erst ab Mitte der 1890er-Jahre bestätigen. „Erst im 19. Jahrhundert entsteht der Comic als eigenständige Erzählform, die seinen Schöpfern auch bewusst ist. Alles vorher ist zwar comicähnlich, aber damit sollte nichts Neues gemacht werden“, erklärt er. „Den wichtigsten Entwicklungsschritt machten die Comics sicherlich zwischen 1895 und 1938 mit den Zeitungscomics.“ In dieser Zeit erschienen unter anderem die langen Abenteuer-Fortsetzungsreihen wie „Tim und Struppi“.
Vom Comic Strip zum Comicheft
Die ersten Comicgeschichten nach heutigem Muster entstanden für US-amerikanische Zeitungen. Ab 1895 wurde der erste erfolgreiche Comicstrip „The Yellow Kid“ in der „New York World“ veröffentlicht. Diesen betrachtet auch Thea Schellakowsky als „eigentliche Geburt des modernen Comics“. 1897 wurde mit „The Katzenjammer Kids“ der älteste noch heute fortgeführte Comicstrip in der Sonntagsbeilage des „New York Journal“ veröffentlicht.
Die ersten Comichefte entstanden in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts. Ihre massenhafte Verbreitung begann 1938 mit dem ersten Auftritt von „Superman“. Dieser Erfolg brachte bald auch viele weitere Superhelden wie „Batman“, „Wonder Woman“ oder „Flash – der Rote Blitz“ hervor. In der westlichen Welt hatten die Kriegsjahre großen Einfluss auf die Entwicklung der gezeichneten Geschichten. Die Comics wurden zunehmend für Propagandazwecke genutzt. Während des zweiten Weltkrieges entstand so unter anderem der personifizierte amerikanische Patriotismus in Person von „Captain America“.
Auch inhaltlich entwickelten sich neben den anfangs eher humoristischen oder patriotisch-heroischen Comics immer neue Formen. Ab den Sechzigern entstanden die „neuen persönlichen und vor allem gewagten Ausdrucksformen des Underground“, wie Platthaus es beschreibt. Diese neuen Geschichten richteten sich vor allem an ein erwachseneres Publikum. Diese Art der Bildergeschichten wird heute als Graphic Novel bezeichnet.
Deutschland auf verlorenem Posten
Generell sieht Volkmer von „Panini“ die deutsche Comic-Kultur im Gegensatz zu der japanischen, amerikanischen und französischen immer noch als rückständig an. „In Deutschland liegt das Problem primär in der Zeit des Zweiten Weltkrieges und der Nachkriegszeit begründet. Im Zweiten Weltkrieg entwickelte sich vor allem die amerikanische und franko-belgische Comic-Kultur stark und kam mit den Soldaten nach Deutschland“, erklärt er. „Vieles davon war inhaltlich gegen die Deutschen gerichtet, zur Erbauung von Soldaten und Daheimgebliebenen, und wurde daher hierzulande auch nach dem Krieg noch als Besatzer-Kultur von der Kriegsgeneration abgelehnt und als verdummender Kinderkram abgekanzelt“.
Trotz ernst zunehmender, einheimischer Comickünstler wie Brösel, Ralf König und Walter Moers ist Deutschland also noch längst nicht auf dem gleichen Stand wie Frankreich, USA und Japan. „In Deutschland hielt sich bis Ende der 80er Jahre hartnäckig in der breiten Bevölkerung das Vorurteil, Comics seien nur etwas für Kinder und trivial. Das hat sich zwar seit etwa dem Jahr 2000 stark verbessert, aber bis dato auch viel in der Entwicklung einer eigenständigen deutschen Comic-Szene gehemmt“, sagt Volkmer rückblickend.
Comics als Kunst
Die breitere Akzeptanz von Comics kann zu einem Teil auch Roy Lichtenstein zugeschrieben werden. Er gilt als einer der bekanntesten Pop-Art Künstler neben Größen wie Andy Warhol und adaptierte in seinen Werken Stilmittel wie Sprechblasen und Rasterpunkte. Mittlerweile werden auch die Bildgeschichten selbst als Kunst akzeptiert. Volkmer: „Comics, auch bezeichnet als die neunte Kunst, sind die ultimative Verbindung bildender und schreibender Kunst. Das Medium vereinigt Text, Bild und Onomatopoesie (Lautmalerei, Anm. d. Red.) zu einer neuen Kunstform, die in ihrer Rezeption einzigartig ist.“
Für Thea Schellakowsky haben sich Comics auch in Deutschland bereits als Kunstform etabliert: „Schon lange sind Comics nicht nur etwas für Kinder, sondern ebenso für Erwachsene. Comics sind viel mehr als nur Sätze in Sprechblasen. Comics sind so vielschichtig, dass man sie durchaus als Kunst bezeichnen kann.“ Steffen Volkmer erklärt dies damit, dass viele heutige Comic-Künstler selbst eine Kunst-Ausbildung genossen haben.
Asien dominiert den Comic Markt
Heute wird der deutsche Markt von asiatischen Comics dominiert, die sich in den Neunzigern durchsetzen. Für westliche Leser ungewohnt werden die sogenannten Mangas von rechts nach links und von hinten nach vorn gelesen. Auch stilistisch unterscheiden sie sich von den westlichen Pendants. „Mir fällt hier nur immer wieder auf, dass die Bilder in Mangas fließender gezeichnet werden als in den europäischen oder auch in den amerikanischen Comics“, sagt Thea Schellakowsky. Für Steffen Volkmer unterscheiden sich Mangas hingegen kaum von westlichen Comics. „Mangas sind Comics und es gibt in Japan alle gängigen Genres, wie in den anderen Ländern auch“, meint der Verlagsmitarbeiter. „Man hat nur das Gefühl, dass sie sich unterscheiden, weil hier in Deutschland bei der Einführung der Fokus auf einen bestimmten Typus Manga gelegt wurde.“
Text: Christina Mothes, Bild: openclipart.org