Sehr treffend analysiert Veit Dengler, Vorsitzender der Jury über die Google-Gelder, in der Studie „Medienmäzen Google“ dass die Google News Initiative ein PR-Programm für Google sei. Wenn Google rund 22 Millionen an die deutschen Verlage bezahlt hat, dann sind das keine Spenden, sondern Marketing-Gelder. Sie sind nicht dafür gedacht, die deutschen Verlage zu fördern, sondern sie zum Weggucken zu bewegen, wenn es mal wieder schlechte Nachrichten aus dem Hause Google gibt. Wenn es mal wieder heißt, Google zahle seine Steuern nicht ordentlich. Wenn Google wieder einen Sex-Skandal unter den Teppich kehren muss. Oder wenn Google mal wieder von Behörden zur Kasse gebeten wird, weil Datenschützer feststellen, dass bei Google nicht alles mit rechten Dingen zugeht.
Natürlich wird Google nicht morgen bei den Chefredakteuren deutscher Medien anrufen und offen drohen: „Nur noch gute Presse oder wir drehen den Geldhahn zu!“ Darauf würde sich auch niemand einlassen. Der Prozess ist ein schleichender, das macht ihn nicht weniger gefährlich. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass es wohl eher nicht zu einer Zensur durch Google kommt, sich deutsche Journalisten aber durchaus Gedanken darüber machen, eine Selbstzensur könnte stattfinden. Vielleicht würde man weniger kritisch schreiben, wenn man wüsste, dass einige der Kollegen nur noch dank Google in der Redaktion arbeiten oder ihre Position nur dank eines Google-Fellowships haben. Plötzlich ist man weniger schnell im Angriff, weniger harsch in der Formulierung, weniger kritisch in der Auseinandersetzung.
Dass die Verlage das Geld brauchen, weil es im Zeitungsgeschäft nicht gerade rosig läuft, ist ein Argument, das man nicht wegdiskutieren kann. Man darf an dieser Stelle aber auch darauf hinweisen, dass die schlechte Lage des Journalismus kein gottgegebener Zustand ist – die Verlage haben sich zum Teil selbst in diese Situation gebracht: Sie haben die Möglichkeiten digitaler Geschäftsmodelle lange unterschätzt, gaben ihren Content im Internet für umsonst her und gewöhnten so eine ganze Generation daran, dass es Nachrichten im Internet kostenlos gibt. Dann wundern sie sich Jahre später, dass jetzt keiner mehr bezahlen will, beschweren sich über ihre Lage und behaupten nun, dass sie Geld von Google brauchen, um innovative Digitalisierungsprojekte zu fördern? Sie haben sich aus eigenem Verschulden in diese Lage gebracht, sie müssen aus eigener Kraft herauskommen.
Es sei auch daran erinnert, dass es im Zeitungsmarkt nicht nur eine Finanzierungskrise gibt, es gibt auch eine Vertrauenskrise. Eine, die zum großen Teil unbegründet ist, die man aber nicht löst, wenn man sich in tatsächliche Abhängigkeiten begibt.
Guter Journalismus darf nur seinen Lesern verpflichtet sein, keinen amerikanischen Großkonzernen mit einer zweifelhaften Historie in Steuerzahlungen. Wer Google-Geld nimmt, gibt ein Stück Unabhängigkeit auf. Das wird die Finanzierungskrise nicht lösen, die Vertrauenskrise jedoch verschärfen. Das kann nicht der richtige Weg sein.
Disclaimer
Die Redaktion von medienMITTWEIDA hat im Mai dieses Jahres an einem virtuellen Training von NMT Netzwerk Medien-Trainer teilgenommen. NMT ist ein langjähriger Partner der Google News Initiative. Die Trainer selbst seien von Google ausgebildet und zertifiziert worden, so NMT. Inhalt des Trainings war die Nutzung von Google-Tools für die Recherche und Darstellung datenjournalistischer Themen. Einen Einfluss auf unsere unabhängige Themensetzung gab es nicht. Nach Veröffentlichung der im Beitrag erwähnten Studie, „Medienmäzen Google“, sind wir auf die Tragweite dieses Förderprogramms aufmerksam geworden. Infolgedessen hat sich die Redaktion kritisch und vor allem selbstkritisch mit dem Thema auseinandergesetzt.