Zusätzlicher Zeitdruck, Finanzierungsschwierigkeiten oder Auseinandersetzungen im Gründerteam – und trotzdem träumen viele Studierende von einem eigenen Startup? Ist diese Betrachtungsweise zu negativ und eigentlich sieht das süße Leben als Unternehmer völlig anders aus? Als eigener Chef kann man sich doch aussuchen, wann, wie viel und wo man arbeitet, oder nicht? Der Alltag eines jungen Gründers ist weder ausschließlich von negativen Aspekten und schier unlösbaren Problemen geprägt, noch fliegt einem der Erfolg ohne jegliche Bemühungen einfach so zu. Vor allem die Anfangsphase als Jungunternehmer erfordert viel Mut, Ehrgeiz und Durchhaltevermögen. Dennoch bringt eine Neugründung viele Vorteile und Chancen mit sich. Nicht ohne Grund bereuen es Jungunternehmer nur selten, diesen Schritt gewagt zu haben. Unabhängig von Erfolg oder Scheitern des Projektes entwickelt man sich selbst in unterschiedlichen Ebenen auf eine ganz besondere Art und Weise weiter.
Studium erst beenden oder die geniale Business-Idee sofort umsetzen?
Als Studierender und gleichzeitig nebenberuflicher Gründer lässt man sich auf ein geringeres Risiko ein, als wenn man erst nach jahrelanger Festanstellung gründet. Man hat quasi nichts zu verlieren. Denn wenn das Startup scheitert, kann man weiterhin hauptberuflich studieren, ohne direkt von Arbeitslosigkeit bedroht zu sein. Es existiert generell kein Zwang oder Druck, den ultimativen geschäftlichen Erfolg einzufahren. Danach wäre trotzdem noch genug Zeit, sich neu zu orientieren. Zudem ist man ohne einen festen 40-Stunden-Job und ohne Familie flexibler als mögliche Konkurrenten. Neben eventuell festen und unumgänglichen Vorlesungszeiten kann man selbst festlegen, wann und wie viel Zeit man in das Startup investiert. Idealerweise lassen sich die theoretischen Inhalte sogar direkt umsetzen. So kann man vielfältige, praktische Erfahrungen für die Zukunft sammeln, welche gleichzeitig den Lebenslauf durch zusätzliche Referenzen und Fachwissen für künftige Bewerbungen attraktiver gestalten.
In der Hochschule Mittweida ist man zudem ständig von Fachexperten aus sämtlichen Themengebieten bzw. Studiengängen umgeben – Netzwerktreffen finden also überall statt: im Club, bei studienbegleitenden Projekten, beim SAXEED Gründerstammtisch oder Medienforum. So lässt sich fast nebenbei ein interdisziplinäres Team zum Gründen zusammenstellen. Diese Möglichkeiten sah und nutzte auch das Startup Cinector GmbH: Die Gründer arbeiteten bereits vorher in einer Forschungsgruppe der Hochschule Mittweida zusammen und stellten weitere Studierende später direkt im Unternehmen ein. Zusätzlich agierten Professoren, wie beispielsweise Prof. Dr. Huhle, als wegweisende Mentoren zur Begleitung und Beratung des Startups.
Tipps von Profis
Bei der Frage nach wirksamen Ratschlägen für junge Unternehmer empfiehlt Tobias Tauscher von Cinector GmbH, sich unbedingt ein vielseitiges und zuverlässiges Netzwerk aufzubauen, beispielsweise mithilfe von Future Sax. Idealerweise erhöhe man so seine Reichweite und lernt schon früh potentielle Partner oder Investoren sowie zukünftige Kunden kennen. Vor allem für eine kleinere Stadt wie Mittweida sei es außerdem extrem wichtig, zusätzlich Netzwerktreffen deutschlandweit zu besuchen. Das diene dem Knüpfen von Kontakten in Industriegebieten, da diese einen größeren Markt bieten. Die frühe Vernetzung mit Experten aus verschiedenen Bereichen und anderen Gründern brachte auch Herrn Dudczig (Gründer der Vrendex GmbH) einen weitreichenden Mehrwert, da die Gespräche und das ausgetauschte Wissen sehr förderlich für das eigene Unternehmen seien. Auch SAXEED weist deutlich darauf hin, dass der frühe Austausch über die Idee oder nur der Wunsch zu gründen einen hohen Mehrwert und gute Entwicklungschancen biete.
Außerdem solle man die Augen nicht vor möglichen Rückschlägen und Niederlagen verschließen und hoffen, dass man selbst verschont bleibt. Fehler und geschäftliche Schwierigkeiten seien unumgänglich – finanzielle Probleme und eine schlechte Auftragslage können durch unvorhersehbare Krisen wie beispielsweise Corona jeden treffen. Es sei besonders wichtig, sich vorher bestmöglich abzusichern und je nach Möglichkeit darauf vorzubereiten und vor allem eins nicht zu tun: „Aufgeben!” rät Herr Dudczig. Weiterhin äußert er sich dazu: „Steht nach jedem Sturz und Problem wieder auf und kämpft mit mehr Motivation weiter.“ Eine Gründung sei ein langwieriger Prozess, welcher voraussetzte, dass man neben dem Studium noch für sein Startup arbeite, auch wenn dieses anfänglich noch keinen Gewinn abwerfe. Auf dem Weg zum Erfolg sei es zwingend erforderlich, jederzeit hinter seiner Idee zu stehen und diese mit Kunden sowie Partnern zu diskutieren und stetig zu verbessern, so Dudczig.
Erforderliches Wissen, Grafik: Josy Schreier
Erforderliches Know-how
Die Gründung eines eigenen Unternehmens setzt in gewissen Aspekten weitreichende und vielseitigere Kenntnisse voraus als ein Job im Angestelltenverhältnis. Bevor man ein Unternehmen gründet, muss man sich ausführlich mit den verschiedenen Rechtsformen und den damit einhergehenden Rechten und Pflichten auseinandersetzen. Es stehen verschiedene Kombinationen mit unterschiedlichen Formen der Haftungsbeschränkung und der vorausgesetzten Höhe des Stammkapitals zur Verfügung. Um sich dann beispielsweise vor künftigen Investoren überzeugend präsentieren zu können, sollte man außerdem alle Ideen rund um das Geschäftsmodell, detailliert und geordnet sowie in Schriftform festhalten. Dafür wäre es von Vorteil zu wissen, wie man einen Businessplan schreibt. Einen deutlichen Unterschied zum Arbeitnehmer-Dasein macht außerdem die Pflicht, eine Steuererklärung abzugeben. Dazu müssen offene Fragen beantwortet werden, so zum Beispiel: Wie muss ich mein Einkommen versteuern? Wann ist man umsatzsteuerpflichtig? Was kann ich von der Steuer absetzen? Weiterhin muss man sich informieren, wie man fehlerfrei Rechnungen schreibt, welche alle vom Finanzamt vorgeschriebene Pflichtangaben enthalten. Zusätzlich sollte man sich mit notwendigen und sinnvollen Versicherungen auseinandersetzen – einige Branchen schreiben sogar Pflichtversicherungen vor, um bestimmte Tätigkeiten ausführen zu dürfen.
Bei allem handelt es sich um erlernbares Wissen, was sich jeder mittels etwas Rechercheaufwand und Engagement aneignen kann. Auch hier gilt, nicht vor Wissenslücken zurückzuschrecken, sondern zu versuchen, diese schnellstmöglich zu füllen. Ebenso sind kompetente Ansprechpartner wie Business Angels, Fachexperten und andere Gründer, aber auch Steuerberater, nicht zu unterschätzen. Eine Abhilfe könnte das Gründernetzwerk SAXEED bieten, welches nach Eigenaussage fachspezifische und nach Bedarf individuelle Workshop beispielsweise zum Thema Geschäftsmodellentwicklung oder Rechtsfragen. Diese Aufzählung an erforderlichem Know-how ist jedoch bei weitem nicht abgeschlossen und in keiner Weise vollständig. Abhängig von der auserwählten Branche sind beispielsweise weitere Grundkenntnisse erforderlich. Bestenfalls gründet man mit einem interdisziplinären Team aus Fachkundigen, je nach Bedarf der Bereiche Marketing, Sales, Finanzen, Management, Strategie, Forschung und Entwicklung, sodass man sich gut ergänzt und nicht jeder alles wissen muss.
Gründe für das Scheitern eines Startups, Grafik: Josy Schreier
Nur eins von zehn Startups sind erfolgreich – warum?
Neun von zehn Startups scheitern, 80 Prozent bereits innerhalb der ersten drei Jahre – ein einschüchternder und ernüchternder Report aus 2019 des Startup Genome. Laut CB Insights ist die häufigste Ursache der fehlende Bedarf beziehungsweise Nachfrage auf dem Markt nach dem angebotenen Produkt oder der Dienstleistung. Die Unternehmer waren zu begeistert von der eigenen Idee und haben den Blick nach links oder rechts auf die Verbraucher schlichtweg vergessen und folglich die Geschäftsidee nicht auf die Zielgruppe ausgerichtet.
Ein weiterer Grund, warum Startups erfolglos sind, ist der fehlende Cashbestand beziehungsweise der Mangel an finanziellen Mitteln. Dem lässt sich entgegenwirken, indem man sich für verschiedene zur Verfügung stehende Stipendien und Förderungen oder gegebenenfalls Kredite bewirbt. Die Cinector GmbH hat beispielsweise das zwölfmonatige Angebot des EXIST-Gründerstipendiums genutzt und beantragte danach Unterstützung von der Sächsische Aufbaubank für kleinere überregionale Projekte. Auch von privaten Förderern hat das Startup geringere finanzielle Beträge und direkte Aufträge erhalten. Für unterschiedliche Themenbereiche und Branchen gibt es zahlreiche Stipendien und Förderprogramme. Der Studentenstatus eröffnet in dieser Hinsicht sogar noch mehr Möglichkeiten. Wer sich unschlüssig ist, welche Finanzierungsmöglichkeit oder welche Fördermittel für das eigene Projekt besonders gut geeignet sind, kann auch bei diesem Punkt SAXEED um Rat fragen.
Ein weiteres, häufig auftretendes Problem sind Schwierigkeiten im Team – zum einem hervorgerufen durch Streit oder Unstimmigkeiten aufgrund einer eventuell irrationalen Auswahl der Geschäftspartner aus Freundeskreis und Familie oder zum anderen durch den Mangel an fachlicher Expertise und nicht vorhandener Vielseitigkeit im Team. Diesen Fehler bemerkte auch der Geschäftsführer von der Cinector GmbH – im Nachhinein betrachtet sei das Team zu einseitig aufgestellt gewesen. Circa 70 Prozent waren Experten in den Bereichen Technik und Informatik, leider fehlte es an Experten bezüglich Marketing, Sales oder Finanzen. Es sei wirklich hilfreich, sich mit anderen Gründern auszutauschen und von deren Erfahrungen zu lernen, so dass man idealerweise selbst nicht in diese Falle tappe.
Fazit: ja oder nein?
Wer ein Startup gründet, trägt in jederlei Hinsicht ein hohes unternehmerisches Risiko, hat aber auch reale Chancen großen Erfolg zu erzielen. Viele positive und negative, beeinflussbare und unvorhersehbare Parameter prägen den langen Weg zum Ziel. Mut, Ausdauer und Willenskraft sind nur einige wichtige Eigenschaften und Voraussetzungen, welche junge Unternehmer voranbringen. Ob man selbst dafür geeignet ist, muss jeder für sich entscheiden. Herr Dudczig hat eine eindeutige und klare Meinung zu der Frage, ob er nach all den gesammelten Erfahrungen noch einmal gründen würde: „Die Frage mal etwas anders formuliert: Würde ich es nochmal wagen trotz hohem Risiko, großer Investitionen und steiniger Passage in meine Vision, meine Ziele, meine Gaben und Leidenschaft zu investieren? Auf alle Fälle.“ Auch Herr Tauscher hat klare Abschlussworte: „Gründet! Das macht man nur einmal im Leben oder nie, selbst wenn man nach einem Jahr feststellt, das war es nicht. Man lernt hinter etwas zu stehen, was von einem selbst kommt.“ Und wenn lediglich der Wunsch da ist, aber die passende Geschäftsidee fehlt, könnte man sich beispielsweise als Mitgründer einem erfahrenen Team anschließen, um trotzdem Praxiskenntnisse in der Startup-Szene zu sammeln.
Text: Josy Schreier, Grafiken und Illustration: Josy Schreier