Mitte September lockte die 14. Leipziger Filmkunstmesse wieder viele Filmfans und Prominente nach Sachsen. Doch wie sieht es außerhalb solcher Veranstaltungen in der hiesigen Filmbranche aus und welche Bedeutung hat Hollywood in Deutschlands Osten?
Was haben die Filme „Der Vorleser“, „Cloud Atlas“ sowie „Inglourious Basterds“ gemeinsam? Sie sind alle sehr erfolgreiche Hollywoodproduktionen – und sie wurden alle drei in Sachsen gedreht. Naja, teilweise jedenfalls. Denn Hollywoodproduzenten entdecken derzeit Ostdeutschland. Ist das überraschend? Nicht unbedingt. Zwar wurde die Kunst- und Filmfreiheit in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen lange von dem sozialistischen System der DDR unterdrückt – nach der Wende zeigte sich aber: Die Region bringt neues Potential für die Filmbranche.
Oliver Rittweger, Pressesprecher der Medienförderung Mitteldeutschland GmbH, erklärt: „Mit Gründung des MDR 1992 haben sich im Umfeld des Senders zunächst einige TV-Produktionsfirmen, hauptsächlich in Leipzig, angesiedelt. Auf Bestreben der ansässigen Produzenten haben die drei Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen 1998 die Medienförderung Mitteldeutschland ins Leben gerufen, um die Entwicklung Mitteldeutschlands zu einem Filmstandort hin zu unterstützen.“ Als weitere Gesellschafter für die Förderung kamen der MDR und das ZDF hinzu. Rittweger sieht dadurch eine internationale Anerkennung:
„Seitdem hat sich die Region kontinuierlich entwickelt und zählt zu einem deutschlandweit und inzwischen international anerkannten Produktionsstandort. Jedes der drei Länder hat heute ein eigenständiges Profil: Sachsen ist nach wie vor ein Zentrum für die Fernsehwirtschaft, Sachsen-Anhalt ein wichtiger Standort für Animationsfilme und Postproduktion und Thüringen Standort für Kindermedien.“
Auch in der internationalen Filmszene hat sich die Region bereits einen Namen gemacht. Internationale Festivals locken jedes Jahr die Massen an. Während das Filmfest Dresden mit 16.000 Besuchern aufwarten kann, bringt es das Internationale Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm auf 41.500 und ist damit eines der bedeutendsten Treffpunkte der Branche. Auch die Leipziger Filmkunstmesse besticht mit einem interessanten Programm und prominenten Gästen – dieses Jahr waren „Scrubs“-Star Zach Braff und knapp 1.000 weitere Fachbesucher mit dabei.
„Sachsen ist noch unverbraucht“
Dass Sachsen besonders heraussticht, liegt auch an seinen zahlreichen Standortvorteilen. Christian Zimmermann, Leiter der Geschäftsstelle des Filmverbands Sachsen e.V., meint dazu: „Die Drehorte sind recht unverbraucht, d.h. bisher noch nicht in zu vielen Filmen gezeigt worden. Infrastrukturell ist Sachsen in gutem Zustand und viele Verwaltungen, Behörden und letztlich auch Bewohner sind positiv gegenüber Dreharbeiten eingestellt und machen es der Produktionsfirma leicht, Drehgenehmigungen zu bekommen.“ Auch gibt es in Sachsen noch viele rustikale und unsanierte Gegenden – perfekt geeignet für historische Filmkulissen.
Bei Hollywoodproduzenten derzeit besonders beliebt ist Görlitz: Die östlichste Stadt Deutschlands verzaubert mit einer vom Zweiten Weltkrieg unzerstörten, original erhaltenen Altstadt. Diese bekommen die Zuschauer der vielfach ausgezeichneten Romanverfilmung „Der Vorleser“ zu sehen:
Weitere wichtige Szenen wurden in der Sächsischen Schweiz sowie in Berlin und Köln gedreht. Dies sorgte für eine sehr authentische Kulisse – immerhin spielt die Handlung in Deutschland. Ähnlich verhält es sich mit dem Blockbuster „Inglourious Basterds“ – auch hier ist das historische Deutschland Teil der Handlung.
Weitere beliebte Drehorte für Hollywoodproduktionen sind Zittau, Leipzig, Dresden, das Schloss Waldenburg und die Festung Königstein. Die erst im letzten Jahr gedrehte Tragikomödie „Grand Budapest Hotel“ sollte ursprünglich in Budapest gedreht werden, doch die Besitzer der Häuser im bevorzugten Straßenzug waren mit dem Dreh nicht einverstanden. In Sachsen fanden die Locationscouts dann würdigen Ersatz für die historische Filmkulisse: Gedreht wurde unter anderem in Görlitz, Zwickau und der von Mittweida nur etwa zehn Kilometer entfernten Burg Kriebstein.
Doch die Konzentration auf Mitteldeutschland und insbesondere Sachsen hat auch finanzielle Gründe, so Zimmermann: „Filmproduktionen, gerade teure Kinoproduktionen, hängen (fast) immer von Fördermitteln ab.“ Die Mitteldeutsche Medienförderung gäbe dafür jährlich ca. 15 Millionen Euro aus. Im Gegenzug verpflichtet sich die geförderte Filmproduktionsfirma, einen bestimmten Prozentsatz der Fördersumme in Sachsen auszugeben – je nach Vertrag bis zu 250 Prozent. Diese Vereinbarung nennt man Regionaleffekt. Sie soll dafür sorgen, dass die Wirtschaftsstandorte der Region gestärkt werden.
Filmland Sachsen noch in der Entwicklung
Wer Teile Sachsens im Kino sehen möchte, kann ab 18. Dezember das Drama „Clouds of Sils Maria“ auf der Leinwand bewundern. Gedreht wurde in der Leipziger Oper sowie in der Schweiz und Berlin. Darin geht es um die Schauspielerin Maria Enders (Juliette Binoche), die sich in den 40ern befindet und nur schwer mit dem Älterwerden umgehen kann. Trost findet sie bei ihrer Assistentin (Kristen Stewart), die sich um sie kümmert. Es entsteht eine intensive Freundschaft. Der Film wurde erstmals im Mai auf den Internationalen Filmfestspielen in Cannes vorgestellt und erntete überwiegend positive Kritiken.
Doch trotz aller Prominenz: Das neue Filmland Sachsen spielt noch lange nicht in der obersten Liga. Christian Zimmermann vom Filmverband Sachsen erklärt: „Es ist im Vergleich zu anderen Standorten Entwicklungsland. Die Umsätze betragen einen Bruchteil der z.B. in München erwirtschafteten Gelder. Sachsen kann nur einen geringen Anteil zum Gesamtumsatz beisteuern.“ Doch was nicht ist, kann ja noch werden. Bis dahin gilt Sachsen wohl eher noch als „Geheimtipp“.
Text: Ann-Kathrin Bertenrath. Grafik: Sarah Krause.