Im Land der inspirierenden Möglichkeiten

von | 30. Oktober 2013

Aus der Kleinstadt Mittweida in die Welt, genauer gesagt in die USA. Einen Monat lang durfte ich Land, Leute und Lebensweisen hautnah kennenlernen. Der Aufenthalt war begeisternd und irritierend zugleich. […]

Aus der Kleinstadt Mittweida in die Welt, genauer gesagt in die USA. Einen Monat lang durfte ich Land, Leute und Lebensweisen hautnah kennenlernen. Der Aufenthalt war begeisternd und irritierend zugleich. Ein Erfahrungsbericht.

„Step out of your comfort zone!“ Mit diesem Ratschlag wurde ich − Fabian Warzecha, Medienmanagement-Student an der Fakultät Medien der Hochschule Mittweida − im vergangenen Sommer auf amerikanischen Boden empfangen. Möglich wurde dies durch ein Stipendium der deutsch-amerikanischen „Fulbright“-Organisation aus Berlin. Gemeinsam mit 24 weiteren Studenten aus ganz Deutschland verbrachte ich einen Monat an der „University of North Carolina“ in Greensboro, North Carolina. Aber meine „Komfortzone“ verlassen? „Verrückte Amis“, dachte ich mir ─ und wurde mit der Zeit eines Besseren belehrt.

„Nice to meet you!“

Dank der amerikanischen Offenheit konnte ich mich schnell eingewöhnen: Nirgendwo anders wurde mir bislang so viel Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit entgegengebracht, wie im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Ob auf dem Campus, beim Einkaufen oder in einer Bar ─ Amerikaner sind Meister des Small-Talks und verstehen es, selbst kürzeste Begegnungen mit einem netten Plausch zu würdigen.

Zugegeben: Anfangs wurde ich davon gewissermaßen überrollt. Nach und nach machte aber auch ich mich mit der offenen Umgangsform vertraut und kam damit zurecht. Dabei ist es gut zu wissen, dass ein typisches „How are you“ zu Beginn des Gespräches keineswegs das Signal ist, jemanden tatsächlich sein Herz auszuschütten. Es handelt sich dabei eher um eine reine Floskel, die ganz einfach mit „good“, „excellent“ oder „great“ beantwortet wird ─ ganz unabhängig davon, wie einem gerade tatsächlich zumute ist.

Ein eigenes Netzwerk aufbauen

Vor allem in beruflicher Hinsicht eröffnen sich die Vorzüge der aufgeschlossenen Mentalität der Amerikaner. „Networking“ ─ also das Kontakte knüpfen ─ ist ein wichtiger Bestandteil der dortigen Arbeitswelt und wird wesentlich intensiver betrieben als hierzulande. Bei unseren Unternehmensbesichtigungen galt es stets zum guten Ton, Kontaktmöglichkeiten preiszugeben und auszutauschen. Von „TangerOutlets“, dem größten Outlet-Shopping-Betreiber der USA, über „Krispy Kreme“ dem weltweiten Donut-Hersteller bis hin zu „Disney“ in Orlando, Florida: Jeder Manager, den wir Studenten kennengelernen durften, sicherte uns seine Unterstützung zu. Wer weiß, vielleicht werde ich irgendwann einmal darauf zurückkommen.

Burger, Bagels, Barbecue

Apropos Donuts: Dies ist eine der süßen Versuchungen, die ─ neben weiteren amerikanischen „Spezialitäten“ ─ wohl Grund für die besorgniserregende Ernährungssituation in den Vereinigten Staaten ist. Sicher war mir bekannt, dass die USA das Mutterland des Fast-Foods ist und dort viele Menschen mit Übergewicht zu kämpfen haben. Doch mit diesem Ausmaß hatte ich wirklich nicht gerechnet. Zu oft musste ich mich als „Touri“ auf der Suche nach einem gesunden Mittag- oder Abendessen der amerikanischen Fast-Food-Industrie geschlagen geben. Statt leckerem Gemüse landeten dann oftmals Pizza, Pommes und Co. auf meinem Teller. Selbst bei einem frischen Salat ließ das zugehörige fettige Dressing meine Hoffnung nach gesunder Ernährung schnell wieder schwinden. Auch die Universitäts-Mensa bot mittags ausschließlich ein „All-you-can-eat-Buffet“ an.

Ein Grund für die dauerhaft ungesunde Ernährung scheint mir die ungewöhnlich hohen Preise für Obst und Gemüse zu sein: Denn wohingegen amerikanische Austauschstudenten vom preiswerten, gesunden Essen in Deutschland schwärmen, sind gesunde Lebensmittel in den USA verhältnismäßig teuer. Wen wundert es also, dass Amerikaner einer Packung Walnüsse für unglaubliche acht Dollar lieber einen „Hotdog“ für 1,50 Dollar vorziehen.

„I am a Spartan“

Das Prinzip „XXL“ gilt nicht nur bei der Nahrungsportion. Egal ob Straßen, Autos oder Supermärkte: In den USA ist eben alles ein bisschen üppiger. Entsprechend war für mich auch die Dimension des Campus mit knapp 100 Hektar ─  ca. 140 Fussballfeldern ─ ziemlich eindrucksvoll. Beneidenswert ist dort vor allem der Spirit, der am Campus herrscht. Amerikanische Studierende identifizieren sich mit ihrer Universität wie einem zweiten zu Hause. Ihre Zugehörigkeit tragen sie dabei nicht nur im Herzen, sondern auch sichtbar nach außen: Viele der Studenten besitzen Artikel aus dem universitätseigenen „Merchandising-Store“, sei es ein T-Shirt, ein Pulli oder ein Schlüsselanhänger, auf dem „UNCG“ oder „Spartans“ ─ so nennen sich die Athleten ─ prangt. Gerade bei Sportevents steht die Universität fest hinter ihren Sportlern.

Mehr Show – weniger Sport

Weitaus gemächlicher als erwartet geht es dagegen bei typisch amerikanischen Sportevents, wie Baseball oder Football zu. Die vielen Unterbrechungen hindern den Spielfluss und strecken die Spielzeit auch gut und gerne auf drei bis vier Stunden. Damit bei den Zuschauern dennoch keine Langeweile aufkommt, sorgen verschiedenste Showeinlagen für die entsprechende Unterhaltung: Cheerleading, Kapellenmusik mit aktuellen Charthits, Audio- und Video-Einspieler auf LED-Leinwänden, Verlosungen oder Mini-Wettkämpfe. Dazu serviert gibt es ─ wer hätte es anders gedacht ─ kalorienreiches Essen und Bier. Bei diesen Großveranstaltungen handelt es sich also mehr um eine Art „get-together“, bei denen sich Freunde und Familie zu einem geselligen Abend treffen.

„Just do it!“

Worum ich Amerikaner neben ihrer Aufgeschlossenheit zu schätzen gelernt habe, ist ihre „Macher-Mentalität“. Während wir Deutsche bei einer Entscheidung oder Herausforderung häufig erst einmal sämtliche Konsequenzen überdenken, sowie deren Vor- und Nachteile abwägen, setzen Amerikaner ihr Vorhaben einfach in die Tat um. Und wenn es daneben geht? Sei’s drum. Immerhin wurde versucht, etwas zu bewegen. Begünstigt wird diese Verhaltensweise wohl auch durch die weitaus höhere Fehler-Toleranz. In Deutschland wird Scheitern dagegen leider oftmals als Schwäche oder Inkompetenz gewertet.

Hinzu kommt die optimistische Grundhaltung, die Amerikaner an den Tag legen: Im Fokus steht dabei immer die Lösung, nicht das Problem. Für Außenstehende mag dies im ersten Moment den Eindruck von Oberflächlichkeit oder Naivität vermitteln ─ so auch anfangs in meinem Fall. Egal was ich getan, gesagt oder erzählt habe, es wurde stets als „awesome“, „great“ oder „good job“ gewertet. Das liegt schlicht und einfach daran, dass Amerikaner viel offener und direkter beim Verteilen von Lob und Komplimenten sind. Ihnen liegt sehr viel daran, Beziehungen zu anderen Menschen positiv zu gestalten ─ wenn auch nicht so tiefgehend, wie es bei uns Deutschen der Fall ist.

Land der (un)begrenzten Möglichkeiten

Doch auch in Amerika trübt der positive Schein. Abgesehen von politischen Problemen, wie der Gesundheitsreform oder der aktuellen Haushaltsdebatte, wurde ich unter anderem mit einer enormen Ressourcenverschwendung konfrontiert. Den Motor für die Klimaanlage im Auto während des einstündigen Einkaufs bei „Wal Mart“ laufen lassen oder Geschirr aus Plastik und Pappe statt Porzellan, das einfach nur weggeworfen statt gespült werden muss: Der Umwelt- und Nachhaltigkeitsgedanke ist in den USA oftmals wahrlich noch nicht angekommen.

Und dann wäre da noch die Sache mit der Gleichbehandlung von „Weißen“ und „Farbigen“: Offiziell gibt es sie, inoffiziell scheinbar noch immer nicht so ganz. Das habe ich unter anderem aus den Erzählungen einer Personalverantwortlichen der Universität erfahren. Sie beklagte, dass noch immer zu viele Führungspositionen der Universität aufgrund der Hautfarbe besetzt werden. Wirklich traurig, dass selbst 50 Jahre nach der berühmten Rede von Martin Luther King das Ende der Rassentrennung noch immer nicht statt gefunden hat.

Auf zu neuen Ufern!

Ein Monat USA: Für mich bedeutete das einen Monat lang andere Menschen, andere Kulturen, andere Lebensweisen zu erfahren. Positive wie negative Erlebnisse haben mich geprägt. Ich habe gelernt, das vertraute Umfeld zu verlassen, Chancen zu nutzen und neue Wege zu gehen: „Step out of your comfort zone!“ Ich denke, ich habe es getan.

Nähere Informationen und Impressionen über Fabian´s USA-Aufenthalt finden Sie auf seinem Reise-Blog „Über den großen Teich„.

 Text: Fabian Warzecha, Bilder: Fabian Warzecha, Bearbeitung: Hanna Frantz

<h3>Annika Hauke</h3>

Annika Hauke

Chefredakteurin