Fabio Hildenbrand ist seit mehreren Jahren auf der Welt unterwegs. Nach seiner Schulzeit packte ihn die Reiselust und er begann als Backpacker die verschiedensten Orte der Erde zu erkunden. Auch sein beruflicher Weg ist eng mit dem Reisen verknüpft, er gründete ein eigenes Unternehmen in der Reisebranche und arbeitete das letzte Jahr als selbstständiger „Digital Nomad“. Ob in Peru, auf den Philippinen oder in Portugal, seine Arbeit übt er am Laptop aus und ist nicht an den Aufenthalt in einem bestimmten Land gebunden. Was er persönlich in dieser Zeit gelernt hat, welche Dinge beachtet werden sollten und warum er selbst aktuell den Lifestyle ändern möchte, erzählt er im Interview mit medienMITTWEIDA.
Wo bist du gerade?
Hildenbrand: Jetzt gerade sitze ich in meinem AirBnB am Malecón in Lima mit dem Blick auf die Surfer, die im traumhaften Sommerwetter von Peru, die meterhohen Wellen reiten.
Malecón in Lima, Peru. Foto: Fabio Hildenbrand
Wie bist du nach Peru gekommen und wo warst du vorher unterwegs?
Hildenbrand: Ich war das erste Mal mit der Nomade Cruise unterwegs, die darauf fokussiert ist, an verschiedene Destinationen zu kommen. Auf dem Schiff reisen eine große Anzahl von digitalen Nomaden und Unternehmern, die dann gemeinsam Workshops halten, Networken und einfach eine tolle Zeit haben. Für mich war es die erste transatlantische Überquerung von Teneriffa nach Brasilien, die 10 Tage gedauert hat. Von Brasilien aus bin ich dann nach Lima geflogen.
Du selbst bist digitaler Nomade, was waren deine wichtigsten Schritte dahin, wo du jetzt bist?
Hildenbrand: Ich bin dazu gekommen, weil mich der Lebensstil schon immer fasziniert hat. Ich durfte schon viel in den letzten Jahren durch die Welt reisen, zuvor jedoch als klassischer Backpacker. Ich wollte den neuen Lebensstil des digitalen Nomaden ausprobieren. Mit dem Laptop unterwegs sein und ein Unternehmen aufzubauen, hat mich sehr gereizt. Du brauchst einmal natürlich ein Business, was das ermöglicht. Dann brauchst du natürlich die Umgebung, die passt, eine Community, im besten Fall gutes Internet und gute Anbindungen, beziehungsweise einfach einen guten Ort, um zu arbeiten. Letztendlich, glaube ich, müssen auch persönliche und familiäre Umstände passen, damit du reinen Gewissens irgendwo im Ausland sein kannst und ein anderes Leben leben kannst.
Was waren die Hauptfaktoren, wenn du dir ein neues Ziel ausgesucht hast?
Hildenbrand: Idealerweise sollte es einen neuen Country-Point geben, also ein Land, wo ich noch nicht gewesen bin. Dann natürlich ein vernünftiges AirBnB, mit einer zentralen Anbindung und guter Internetverbindung., Da schaue ich vorher meist in die Bewertungen. Außerdem Accessibility, also wie gut komme ich an das Ziel von dort, wo ich mich gerade befinde? Lohnt sich das? Und komme ich von dort dann wieder weiter? Ich habe mir häufig mehrere Stationen angeschaut und mir überlegt, wie eine Route aussehen könnte und diese versucht durchzuführen.
Du selbst arbeitest selbstständig, ist es für Angestellte trotzdem möglich diesen Lifestyle zu leben?
Hildenbrand: Absolut, absolut. Ich habe auch viele Angestellte kennengelernt, die diesen Lifestyle leben. Es kommt aber auch auf das Berufsfeld an. Wo ich gemerkt habe, für wen es gut funktioniert, waren Copyrighter, Designer und Softwareentwickler, die aber keine Managementrolle übernehmen. Ich glaube, wenn du eine Managementrolle hast, innerhalb eines Teams, in einem Unternehmen, ist es wichtig, dass du eng an der Geschäftsführung dran bist und natürlich auf der anderen Seite auch eng am Team. Was aber nicht heißt, dass es überhaupt nicht möglich ist. Es gibt auch genug Beispiele für Unternehmen, die komplett remote funktionieren. Ich persönlich hab für mich die Erfahrung gemacht, dass es eine gewisse Abgrenzung gibt, für wen es sinnvoll ist und für wen nicht.
Arbeit am Laptop in Máncora, Peru. Foto: Fabio Hildenbrand
Ich kann mir vorstellen, dass bei dir der Alltag ein bisschen anders aussieht als bei einem normalen Angestellten oder bei normalen Selbstständigen, wie sieht das bei dir aus?
Hildenbrand: Der Alltag sieht bei mir ähnlich aus wie in Deutschland. Ich arbeite von morgens bis abends durchgehend Montag bis Freitag. Nachmittags esse ich in der Regel irgendwo ein Lunch außerhalb des AirBnBs, oder des Coworking Spaces. Abends erkunde ich die Stadt und treffe Freunde. Wenn ich reise, ist es immer die Frage dieser Abwägung zwischen: Gehe ich am Wochenende, was meistens dazu führt, dass es dann teurer ist oder reise ich unter der Woche. Dann lege ich mein Wochenende so wie ich es brauche. Das kommt immer so ein bisschen auf die Kundenprojekte an oder was generell ansteht. Aber ich versuche, das so auszubalancieren, dass ich auf meine 40 bis 50 Stunden die Woche komme. Das ist natürlich der Unterschied von einem angestellten digitalen Nomaden, der ja auch seine geregelten Arbeitszeiten hat. Je nach Zeitzone wird man früher oder später anfangen zu arbeiten, aber am Wochenende ist dann trotzdem frei.
Hier verschwimmt doch sehr schnell die Grenze zwischen Arbeit und Urlaub. Hast du dir dafür Routinen angeeignet, um eine gesunden Alltag zu haben?
Hildenbrand: Ich wünschte, ich hätte jetzt die Antwort. Leider sieht die Praxis anders aus. Und speziell bei digitalen Nomaden ist das, was du gerade geschildert hast, ein ganz großes Problem. Ich sitze hier, mit Ausblick auf den Strand und ich weiß aber, dass ich jetzt heute nicht mehr an den Strand gehen werde, weil ich einfach noch die ganze Zeit Meetings habe und arbeiten werde. Diesen Konflikt hast du ständig. Und das bedeutet letztendlich, dass du einfach viel mehr Selbstdisziplin benötigst. Mir hilft es am besten, wenn ich einfach ganz klare Zeitblöcke setze, in denen ich etwas mache. Indem ich meinen Tag und meine Woche ziemlich genau strukturiere, dadurch leider auch ein bisschen Flexibilität und Spontanität verliere, die am Reisen eigentlich so wichtig sind. Aber irgendeine Pille muss man eben schlucken.
Blick auf die Atacama Wüste, San Pedro, Chile. Foto: Fabio Hildenbrand
Wie sieht deine Finanzplanung als Digitaler Nomade aus?
Hildenbrand: Ich habe mir zuerst ein Budget für Flüge, Unterkünfte, Transport und Touren gesetzt. Dadurch, dass ich in der Vergangenheit viel gereist bin und selbst ein Reise-Business hatte, kann ich ganz gut kalkulieren. Außerdem habe ich darauf geachtet, dass ich nicht in die teuren Länder, wie die USA oder Kanada gehe. In der Regel habe ich am Ende meistens viel mehr ausgegeben, weil man dann doch manche Sachen nicht so planen kann. Aber am Ende des Tages ist es wichtig, dass man nicht in eine Situation gerät, in der man einen Geldnotstand hat, was das Reiseerlebnis total beeinflussen würde.Wenn ich auf meine Finanzen schaue, ist das digitale Nomaden Leben teurer als in Deutschland. Ich glaube, das kommt auf den Lifestyle an, den man pflegt. Zum Beispiel koche ich nicht, wenn ich als Nomade unterwegs bin. Ich gehe immer essen, weil es in den meisten Fällen nicht signifikant teurer ist und es mir Zeit spart. Außerdem unternimmt man ja auch mehr, als man daheim machen würde und dementsprechend sind die Kosten doch höher.
Jetzt ist man ja doch ziemlich oft mit dem Flugzeug unterwegs, gezwungenermaßen. Wie schaust du drauf?
Hildenbrand: Die klassische Öko-Question. Du kannst das natürlich aus dem Blickwinkel sehen, wenn ich nicht drin sitzen würde, würde jemand anderes drin sitzen. Der andere Blickwinkel, den ich eher sehe, ist der: Ich versuche, an Orte zu gehen, die in einer gewissen Form benachteiligt sind. Die ökonomisch nicht in so einer guten Situation wie wir in Deutschland sind. Wenn ich an diesen Orten bin, dann investiere ich auch bewusst in lokale Unternehmen, in lokale Restaurants, in “Locals” generell, um diese einfach zu unterstützen und einen Beitrag zu leisten. Bei mir als Unternehmer ist es dementsprechend auch nicht immer ganz einfach, diesen Vergleich zu ziehen zwischen Flugzeug und Bus oder Zug, weil es die Zeit oft nicht hergibt. In Deutschland ist natürlich auch das Schienennetz nochmal deutlich deutlich besser ausgebaut als in anderen Teilen der Welt, beispielsweise in Südamerika. Dort gibt es ewig lange Distanzen, wo du gezwungenermaßen fliegen musst oder einfach mehrere Tage im Bus feststeckst.
Hat dich diese Zeit als Person geprägt und auch weitergebracht?
Hildenbrand: Absolut, also du hast natürlich auf der einen Seite eine viel größere Wertschätzung, dass es uns in Deutschland in sehr vielen Fällen besser geht als überall auf der Welt. Und diese Dankbarkeit, diese Wertschätzung lernst du beim Reisen unglaublich schnell und unglaublich stark. Das hilft dir natürlich auch im privaten Leben. Auf der anderen Seite auch das Thema der Zusammenarbeit mit anderen Menschen, mit anderen Kulturen, du lernst einfach viel über andere Leute kennen. Solche Erfahrungen helfen natürlich dann auch in der Teamführung, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Das bringt einen auch in unternehmerischen Situationen weiter.
Im Stadtteil Miraflores in Lima, Peru. Foto: Paul Frommann
Warum wirst du den Digital Nomad Lifestyle für dich trotzdem beenden?
Hildenbrand: Ich habe die Erfahrung – digitaler Nomade – in den letzten Jahren machen dürfen. Ich habe mehr Reiseerfahrung gesammelt als 99 Prozent aller Menschen. Trotzdem habe ich für mich gemerkt, dass ich deutlich produktiver bin, wenn ich in einem Büro bin, in dem ich eine Routine habe. Ich möchte auch in Zukunft noch viele Länder bereisen. Aber für den Moment ist das der richtige Lebensstil für mich, wieder zurück in Deutschland zu sein, vor Ort zu arbeiten und ein Unternehmen aufzubauen.
Gibt es abschließend einen Ort, der dir besonders in Erinnerung geblieben ist, an den du gerne noch einmal reisen möchtest?
Hildenbrand: Dieser Ort ist für mich tatsächlich in Nicaragua, in San Juan del Sur, da war ich längere Zeit in einem Selina Coworking. Unglaublich schön, ein bisschen abgelegen in der Wildnis. Super geile Community dort und viele digital Nomaden. Das wäre ein Ort, den ich sehr gerne wieder besuchen möchte.