Medienbusiness in der Provinz

Alles eine Ecke entspannter?

von | 20. August 2018

Warum sich Creative Director Robert Fischer für das Medienbusiness in der Provinz entschied.

Creative Director Robert Fischer übernimmt am Filmset die organisatorische und kreative Leitung. Foto: manicx

Seit 2013 führt Robert Fischer als Creative Director eine Kreativagentur im sächsischen Plauen. Er ist einer der Medienschaffenden, die sich gegen die Großstadt und für das Medienbusiness in der Kleinstadt entschieden haben. Im Gespräch ist er schnell beim Du und erzählt, wie es zu seiner Entscheidung kam. Erst in London, dann in Chile sammelte er Erfahrungen in der Filmbranche. Dennoch zog es Fischer wieder in das kleine Städtchen Plauen. Hier lebt und arbeitet er in seiner Agentur mit fünf Mitarbeitern frei nach dem Motto: Es kommt nicht darauf an, wo man ist, sondern was man macht.

Warum hast du dich für Plauen und gegen die Großstadt entschieden?

Naja, das war auch – wie alles bisher in meinem Leben – keine bewusste Entscheidung, sondern irgendwie kommen die Dinge auch schon, wie sie kommen sollen. Ich habe mich hier wohlgefühlt, habe tolle Leute kennengelernt und hatte hier gute Voraussetzungen. Plauen ist da einfacher und entspannter. Ich konnte hier viel kostengünstiger leben und etwas starten.

Robert, kannst du uns erst einmal von deiner Laufbahn vor der Selbstständigkeit berichten?

Nach meinem Studium an der Uni Weimar hatte ich kurzfristig die Möglichkeit, nach London zu gehen. Dort wollte ich eigentlich nur meine Freundin besuchen, fand diese Stadt aber so spannend und aufregend, dass ich dort geblieben bin. Dort musste ich mir erstmal die Sprache etwas „reinprügeln“ und habe angefangen in Bars zu arbeiten. Parallel habe ich natürlich immer geschaut, was es in der Kreativbranche zu tun gibt und hab mich auf verschiedenste Jobs beworben. Ich musste auch erstmal feststellen, dass es nicht so einfach ist, in die Medienbranche dort rein zu kommen. Hab mich aber auf alles beworben, auf Kamera und auf Schnitt und habe dann eine Anfrage gehabt. Die haben jemanden gesucht, der einen Werbespot schneiden kann und Deutsch versteht. Und dann bin ich da hin und hab mein Showreel gezeigt. Somit hatte ich dann da einen festen Job in einer Filmproduktion und war dort drei Jahre und habe da natürlich so das Business ein bisschen kennengelernt.

Wie kam es dann dazu, dass du eine eigene Agentur in Plauen gegründet hast?

Ich hab irgendwie gar nicht so mega bewusst, aber im Unterbewusstsein gedacht: Das könnt ich auch oder ich will was Anderes noch machen. London war auf Dauer keine Stadt, in der ich mein Leben verbringen wollte. Ich bin von dort aus noch nach Chile, habe dort eine Zeit lang gelebt und gearbeitet. Als mein Vater dann schwerkrank wurde, bin ich zurück in die Heimat und erst einmal wieder bei meiner Mutter auf die Couch gecrasht.

Da das alles ein krasser Kontrast zu meinem vorherigen Leben war, musste ich immer mal wieder raus. Ich habe dann auf einer Mitfahrgelegenheit nach Berlin einen Amerikaner aus Plauen kennengelernt, der auch im Medienbusiness unterwegs war. Es entstand mit der Zeit eine Freundschaft und dann haben wir sogar einen Marketing-Kurs an meiner alten Uni gemacht. Dort bekamen wir durch meinen Professor kleinere Aufträge, die wir umgesetzt haben. Irgendwann haben wir uns ein Zimmer in einem Büro genommen. Er hat noch einen Computer und eine Kamera mitgebracht und dann haben wir da losgelegt. Die Idee, wirklich eine Firma zu gründen, war nicht wirklich bewusst da, aber im Hinterkopf. Ich war bisher immer nur am umsetzen und auf der rein kreativen Seite. Es kam dann ganz organisch und langsam angeschlichen. Plötzlich war es eigentlich so intensiviert, dass man mal eine Firma draus gründen musste.

Robert Fischer über das Arbeiten in der Kleinstadt: „(…) man kann auch hier in der Provinz was machen mit den richtigen Leuten.“ Foto: manicx

Was sind deine Tätigkeiten als Creative Director in deinem Agenturalltag?

In einer kleinen Agentur ist man erst einmal „Mädchen für Alles“. Ich kümmere mich um die Kundenbetreuung über Projektmanagement, bis hin zur Mitarbeiterführung, Mitarbeitermotivation und Kundenakquise. Wenn wir filmen, gehören natürlich die organisatorischen Abläufe dazu, aber eben auch das Betreuen kreativer Prozesse und die Kommunikation zwischen dem Kunden und dem Team. Ich übernehme Regie und habe die kreative Leitung in der Postproduktion. Ich bin sehr viel konzeptionell aktiv, wenn wir zum Beispiel für Kampagnen strategische und kommunikative Ausrichtungen festlegen müssen und zu einem bestimmten Thema erst einmal ein Storytelling brauchen.

Wie würdest du deine Work-Life Balance als Medienschaffender beschreiben und wie viele Stunden pro Woche arbeitest du?

Als ich mit der Agentur anfing, habe ich nur „geworked“. Ich habe eigentlich meine ganze Zeit, Energie und Geld in diese Firma gesteckt. Es gab anfangs Zeiten, da waren wir am 24. Dezember noch bis nachts in der Agentur und dann am nächsten Tag gleich wieder. Diese Zeiten sind vorbei und mittlerweile versuche ich eine sehr gute Work-Life Balance zu haben. Ich kann natürlich nicht sagen: Ich arbeite von neun bis fünf, weil ich bestimmt abends mal noch eine Email oder ein Angebot schreibe. Leben und Arbeit werden irgendwie eins. Was für mich dabei viel mehr zählt, ist die Flexibilität in meinem Leben, die ich habe.

Im Interview mit dem Kreativen Sachsen hast du erwähnt: „Es kommt nicht darauf an wo du bist, sondern was du daraus machst”. Was hat dir dabei geholfen etwas aus der Kleinstadt Plauen zu machen, um dir die Arbeit hier zu ermöglichen?

In Plauen ist es natürlich so, dass du relativ schnell Leute kennenlernst, die ähnlich ticken und schnell ein Netzwerk aufbauen kannst. Man hat hier natürlich aber auch ein Alleinstellungsmerkmal. Wir haben einfach versucht, coole Sachen umzusetzen. Da haben wir festgestellt: Das funktioniert auch und man kann auch hier in der Provinz was machen mit den richtigen Leuten.
Was hier auch super ist, sind die kurzen Wege. Es ist viel unproblematischer, schnell Dinge zu klären. Ich komme schnell von A nach B und kann mitten in der Stadt ein Büro mieten für ein lächerliches Geld im Vergleich zur Großstadt. Ich bin natürlich auch viel weniger in Konkurrenz eingebunden.

Wie schaffst du es mit deiner Kreativagentur auch außerhalb der Region und deutschlandweit Kunden zu erreichen?

Die Reichweite kam eigentlich durch Kickstarter Projekte und die haben natürlich eine internationale Außenwirkung gehabt. Dann sind andere Firmen auf uns aufmerksam geworden. Man kann das bestimmt auch durch Akquise erreichen, aber da muss man auch bisschen der Typ dafür sein und eben sich auch entsprechend aufstellen können.

Laut einem W&V Ranking stehen vor allem Agenturen mit Sitz in Städten wie Hamburg, München an der Spitze der erfolgreichsten Werbeagenturen. Laut Fachkraft 2020 Studie (2015 durchgeführt) wandern Absolventen nach dem Studium besonders nach Hamburg und Berlin ab. Wie betrachtest du diese Entwicklung, denkst du hier besteht möglicherweise ein Zusammenhang?

Es muss ja auch zu dir und deinem Leben passen, eine Großstadt. Wenn man da der Typ dafür ist und sich das vorstellen kann auch länger da zuzubringen, dann ist das natürlich auch vollkommen gerechtfertigt. Wenn man das Glück hat, in eine der großen Agenturen reinzukommen, ist man aber nur ein kleiner Teil in dieser Agentur. Nur die Wenigsten kommen da in interessante Positionen.
Für mich war irgendwann klar: Wenn ich eine Familie haben will, dann will ich nicht in so einer Großstadt leben. Ich denke, jeder sollte mal Erfahrungen in einer Großstadt sammeln, wenn er sich dazu bereit fühlt. Aber klar, die Tendenzen, dass alle in die Großstadt rennen sind natürlich da. Was man aber jetzt dort schon sieht ist, was für einen wahnsinnigen Preisanstieg und Kampf es da gibt. Auch die Mieten und Kindergartenplätze werden unbezahlbar, man findet keine Parkplätze, alles ist überfüllt und Leute ziehen alle zwei Jahre um, weil sie von Gentrifizierung betroffen sind. Da musst du halt auch Bock dazu haben, diesen Teil des Lebens mitzumachen. Das ist halt hier alles eine ganze Ecke entspannter.

Was gibst du zukünftigen Medienschaffenden mit auf den Weg? Auch im Bezug darauf, wer jetzt schon das Ziel hat, eine Agentur zu gründen und sich eine Existenz vielleicht auch in der Heimat oder einer Kleinstadt aufzubauen.

Auf jeden Fall ist es sinnvoll, dann mal Erfahrung in einer anderen Agentur oder eben auch mal in einer Großstadt gesammelt zu haben, um ein bisschen ein Gefühl für das Agenturleben überhaupt zu bekommen. Das klingt ja auch vielleicht alles erstmal hip. Viele kommen mit falschen Vorstellungen zu uns, auch Praktikanten, die wollen alle was ganz Großes werden, aber dafür nur ganz wenig geben. Um eine Agentur zu gründen, ist es im Endeffekt wichtig, dass du Leute hast, mit denen du durch Dick und Dünn gehst, denen du vertraust und die sich auch einfach nicht zu fein sind fleißig zu sein, Gas zu geben. Und das auch mal am Wochenende und abends. Du brauchst Leute, mit denen du wahnsinnig gut kommunizieren kannst, also auf einem Verständnislevel bist. Alleine würde ich das nicht machen wollen. Du brauchst einfach immer jemanden, mit dem du einen Gedanken teilen und dich austauschen kannst. Es läuft ja nicht alles rund. Es gibt Probleme und so kannst du deine Lösung nochmal mit jemandem besprechen oder kannst auch mal eine Verantwortung abgeben. Und ansonsten fleißig sein!

Text: Susan Jahnke, Titelbild und Foto: manicx
<h3>Susan Jahnke</h3>

Susan Jahnke

ist 24 Jahre alt und studiert im 5. Semester Medienmanagement mit dem Schwerpunkt Journalismus. Bei medienMITTWEIDA leitet sie gemeinsam mit Lisa Müller das Ressort Story. Den Ausgleich zum Studium findet sie in ihrer großen Leidenschaft, der Fotografie.