Der Prozess der Musikherstellung ist grundlegend in drei Schritte zu unterteilen: Die Aufnahme, die Produktion und das Mastering. Durch die Digitalisierung im Audiobereich sind die ersten beiden Abläufe immer kostengünstiger geworden. Mit Laptop, passender Software und Kopfhörern kann jeder zum Produzenten werden. Nur für ein hervorragendes Mastering waren größere Investitionen bisher unumgänglich. Wird das Internet diesen Umstand ändern?
Das Audio-Mastering bezeichnet den letzten Prozess der Musikproduktion, bevor der Tonträger erstellt wird. Ziel ist es, einen Mix so weit aufzuarbeiten, dass er auf jedem erdenklichen Abspielmedium gut klingt. Große Mühen werden hier nicht gescheut. Teures analoges Equipment kommt zum Einsatz, ein Sound-Engineer, welcher genau auf dieses Problem der unterschiedlichen Abspielmöglichkeiten ausgerichtet ist, und teure Studios, deren Abhörräume spezielle akustische Eigenschaften besitzen. Das Vorgehen ist hierbei äußerst unterschiedlich und meist sehr komplex. Mastering stellt somit einen kostspieligen Faktor jeder Audioproduktion dar.
Mit „Landr” gibt es nun einen Online-Service, welcher seit seinem Erscheinen im Sommer 2014 für großes Aufsehen sorgte und das Potential hat, den Markt des Masterings zu verändern. Es handelt sich hierbei um einen Cloud-basierenden Service der kanadischen Firma „MixGenius”. Ein spezieller Algorithmus soll die Arbeit eines Mastering-Engineers ersetzen. Die Benutzung ist denkbar einfach: Audiodateien können über einen Browser hochgeladen werden, nach einer kurzen Bearbeitungszeit wird das gemasterte Material als Download zur Verfügung gestellt. MP3s mit 192 KB/s werden sogar kostenlos erstellt. Wenn eine bessere Qualität erwünscht ist, fallen monatliche Kosten an. Diese sind mit 9 bis 29 USD, verglichen mit einem professionellen Mastering, sehr gering.
Mastering für alle!
medienMITTWEIDA befragte Rory Seydel von „Landr” nach der Rolle der Software. „Landr wurde ins Leben gerufen, um Produzenten und Künstlern den Zugang zu einem professionellen Mastering augenblicklich und kostengünstig zu ermöglichen.” Der Service werde immer beliebter bei Produzenten und Künstlern. „Die wirtschaftliche Situation der heutigen Musikindustrie ist ziemlich schwierig für aufstrebende Künstler. Landr stellt deshalb eine wichtige Ergänzung dar”, berichtet Seydel weiter. Auch Felix Schubert, Pianist der Band Bombee, bemerkt dazu: „Landr ist sehr kostengünstig und ist somit eine gute Option, wenn die finanziellen Mittel sehr beschränkt sind. Gerade für Homeproducer und kleine Bands ist der Service sicherlich ein wahrer Segen.” Auch die Qualität sei außergewöhnlich gut und vergleichbar mit einem professionellen Mastering.
„Ich habe Landr aus Neugier getestet und war verblüfft über das Ergebnis.”
Die lernende Maschine
Vergleichbare Werkzeuge gibt es bereits in Form von Plug-ins, die in jedes Musikproduktionsprogramm integriert werden können. Als herausragendes Beispiel ist hier „Ozone” der Firma „iZotope” zu nennen. Dieses Plug-in beinhaltet alle grundlegenden Bearbeitungswerkzeuge wie Multiband-Kompressoren, Equalizer und Limiter. Außerdem sind einige Analyse-Tools und Presets für verschiedene Musikrichtungen integriert. Mit diesen können auch unerfahrene Musiker zu akzeptablen Ergebnissen kommen. Ein großes Problem stellt aber stets der Abhörraum dar, welcher den Frequenzgang für den Hörer verzerrt. Außerdem kann sich die verwendete Hardware negativ auswirken. So zum Beispiel Lautsprecher, die die Signale nicht linear wiedergeben.
„Landr” geht dabei einen Schritt weiter. Spezielle Hörumgebungen sind nicht notwendig. Der Algorithmus soll bestehende Probleme erkennen und beheben. Zudem sind kaum Einstellungen vorzunehmen. Außer bei der Auswahl der resultierenden Lautheit, also der Intensität, ist hierbei keinerlei Eingriff notwendig. Die Software analysiert das hochgeladene Audiomaterial und wendet daraufhin bestimmte Algorithmen an. Die Besonderheit liegt darin, dass die Software mit jeder hochgeladenen Datei verbessert wird. Sie lernt mit jedem Auftrag dazu. Da der Service noch recht neu ist, bleibt abzuwarten, welche Qualitätsstufen zukünftig erreicht werden können. TiKay One, unter anderem Produzent von Casper und Donkong, fasst dies zusammen.
„Auch wenn dies die Zukunft sein sollte, dann gebe ich ihr noch ein wenig Zeit.”
Ein Jobkiller?
Laut Seydel sei es nicht das Ziel von „Landr”, den Mastering-Engineer komplett zu ersetzen. Dies würde mit dem bisherigen Vorgehen auch kaum möglich sein. Sicherlich besteht ein Mastering aus unzähligen Analysen des Audiomaterials, wobei Probleme reproduzierbar und möglicherweise auch nur durch Maschinen beseitigt werden könnten. Ein wichtiger Faktor bei diesem letzten Schritt vor der Vervielfältigung ist aber das sogenannte „Dritte Ohr”. Musiker und Produzenten haben oftmals keinen Abstand mehr zu ihrer eigenen Musik. Eine weitere, außenstehende Person kann hier häufig einen neuen, hilfreichen Beitrag leisten. Nicht selten kann der Mastering-Engineer zudem nützliche Tipps für die aktuelle oder nächste Produktion liefern. Außerdem werden oft spezielle Soundvorstellungen geäußert. So soll das fertige Produkt nicht selten ansatzweise wie eine Produktion einer anderen Band klingen. All diese Aspekte kann „Landr” nicht erfüllen. Wie TiKay One schon bemerkte, sei eine ausreichende Qualität, um den Service tatsächlich anstatt eines professionellen Masterings zu benutzen, nicht erreicht.
Es bleiben am Ende die Fragen, wofür dieser Service letztendlich geeignet ist und wie er Musikern helfen kann. Laut Seydel sei der Kundenstamm sehr vielschichtig. „Wir bekommen Nachrichten von allerlei Menschen, die den Service nutzen. So schrieb uns sogar Bob Weir von Greatful Dead, er nutze Landr in seinem Studio für Live-Material oder zum premastern. Ich selbst benutze es vor allem als Referenz beim Mixing.” Hervorzuheben ist weiterhin die Möglichkeit für Musiker ohne das notwendige Geld, ein professionelles Mastering bezahlen zu können, zumindest teilweise in den Genuss dessen zu kommen. Auch zeitliche oder räumliche Aspekte können eine Rolle spielen. Es bleibt dabei nur zu hoffen, dass sich dies aufgrund der immer schwieriger werdenden Finanzierung von guter Musik nicht zum Standard entwickeln wird.
Text: Philipp Körner. Bild: Thomas Kraftschenko.