Ob es unhöflich ist, in der S-Bahn mit dem Smartphone laut Musik zu hören, ist in einer Gesellschaft, welche die Ruhe zur Not auch einklagt, eine interessante Frage. Es macht aber vor allem eines deutlich: Konsumiert wird Musik nicht mehr nur auf der Stereoanlage oder unter Kopfhörern, sondern auch auf den Lautsprechern eines Smartphones. Die Auswirkungen darauf sind bereits wahrnehmbar.
Noch vor zehn Jahren galt die heimische CD-Sammlung generationsübergreifend als wichtiges Identifikationsmerkmal. Der mindestens wöchentliche Gang in den nahegelegenen Musikladen war ein Ritual. Die Empfehlungen des kompetenten Verkäufers oder des abonnierten Musikmagazins waren Gold wert und nach dem Kauf der neuesten Entdeckung konnte man nicht schnell genug wieder zu Hause sein, um den erworbenen physischen Tonträger auf der geliebten Stereoanlage in Schleife zu hören.
Dank der Digitalisierung und der globalen Vernetzung hat sich all dies drastisch geändert. Der klassische Plattenladen hat in den meisten Fällen längst geschlossen. Der Verkauf von CDs geht stetig zurück. Das Angebot an Musik ist unüberschaubar groß. Die Musik ist auf dem Smartphone, dem Tablet, dem Notebook oder auf andere Weise über die Cloud verfügbar. Und das komprimiert, damit der Transfer über das Netz schnell vonstatten gehen kann. Musikstreaming wird immer beliebter. „Hören statt Besitzen heißt der übergreifende Trend, der für jeden im Musikgeschäft spürbar ist”, lässt Gerrit Schumann von dem deutschen Streamingdienst „Simfy” veröffentlichen.
Die Musik-Produktion passt sich an
Die Konsequenzen daraus sind wie bei jeder Entwicklung vielschichtig. Ob es der Buchdruck, das mobile Telefon oder eben das Streamen von Musik ist; es gibt stets Befürworter und Kritiker. Felix Schubert, Pianist der deutschen Band „Bombee”, bemerkt dazu gegenüber medienMITTWEIDA: „Grundsätzlich ist es tatsächlich so, dass ich gerade auch in meinem privaten Umfeld beobachte, dass Musik vorzugsweise auf dem Laptop oder anderen schlechten Lautsprechern konsumiert wird. Dies hat natürlich auch auf die Produktion einen großen Einfluss. Gerade bei Major-Produktionen ist zu beobachten, dass das finale Mastering genau für diese Lautsprecher ausgelegt ist.” Es sei so gestaltet, dass es auch auf den schlechtesten Abspielgeräten noch laut und vergleichsweise gut klingt. Das Resultat sei ein Verlust an Dynamik und ein Frequenzbild, bei dem sich alle Bänder beinahe dauerhaft am Maximum bewegen. „Der Mix brüllt einen an, das Hören von Musik wird zur Anstrengung. Diesen Verlust an Highlights lehne ich ab, eine gewisse Transparenz ist für mich das Interessante an einem Mix.” Diese Entwicklung scheint mitverantwortlich für eine Verschiebung des Schwerpunkts in der Musikindustrie. „Scheinbar hat heute die Qualität des Musikkonsums einen geringeren Stellenwert als früher.”
„Ich habe das Gefühl, dass das ganze Drumherum mehr Beachtung erfährt als die Musik an sich.”
„Der Künstler wird zu einer Art Produkt und nicht die Musik des Künstlers steht im Fokus. Es ist beispielsweise interessanter, was Jay-Z gerade für Kleidung trägt als über den Inhalt seines neuen Albums zu diskutieren”, führt Felix Schubert weiter aus.
Aufnahmetechnik vs. Musikhörtechnik
Interessant ist zudem der Vergleich zwischen den technischen Innovationen im Studiobereich der letzten Jahre und dem bereits angesprochenen Musikhörverhalten 2.0. Thilo Farr vom „All Orange Music”-Studio bemerkt hierzu: „Ich empfinde die technische Entwicklung im Recordingbereich und das Hörverhalten des Konsumenten als konträr. Kaum jemand realisiert die kontinuierlich ansteigende Qualität professioneller Studioproduktionen, da sich nur wenige die Mühe machen, viel Zeit und Muse ins Musikhören zu investieren.” Auch Felix Schubert empfindet dies ähnlich: „Aufnahme und Equipment werden immer aufwändiger und vor allem teurer. Umso verwunderlicher finde ich, dass diese Qualitätssteigerung am Ende scheinbar wieder zunichte gemacht wird, nur damit das Master auch auf Billiglautsprechern funktioniert.” Die vorangegangene Arbeit würde also nicht nur durch das Abspielmedium herabgesetzt werden, auch auf guten Hifi-Anlagen sei der Qualitätsverlust deutlich zu spüren.
Auf den Mix kommt es an
Aber gerade für Musiker, Bands und Produzenten sind die Vorteile der Vertriebsmöglichkeiten im Internet beträchtlich. TiKay One, Produzent unter anderem von Casper und Donkong, meint dazu: „Ich finde die Entwicklung der digitalen Welt echt super. Soundcloud und Spotify sind nicht nur bequeme Lösungen für den Hörer, sondern auch kostensparende Vertriebsmöglichkeiten für Musiker.”
„Noch nie war es so einfach, sich mit seiner Musik einer so großen Menge an Hörern vorzustellen.”
Die Qualität der komprimierten Musik spielt auch für ihn eine wichtige Rolle. Explizit betrachtet er die Verbesserung dieser durch einen guten Mix und eine ausgewogene Dynamik. „Gegen den Qualitätsschwund kann man wenig machen. Mastered for iTunes ist ja das neue große Ding und Spotify macht auch mit, was bedeutet, dass die beiden Firmen sich einig sind, dass weniger laute Master zu einer besser klingenden mp3 führen. Meiner Meinung nach kommt alles auf den Mix an. Wenn man einen breiigen und schlechten Mix überkomprimiert, um mit den guten Mixen mitzuhalten, wird die mp3 nicht besser klingen.” Auch ein schnelleres Internet könnte eine bedeutende Verbesserung mit sich bringen. „Die Klangqualität kommt oftmals bei den Streamingdiensten zu kurz, aber ich glaube, es ist nur eine Frage der Zeit, bis die DSL-Leitungen das wirklich hergeben, also immer und überall schnelles Internet, sodass auch ohne Weiteres unkomprimiertes Material gestreamt werden kann”, führt TiKay One weiter aus. Louisa Dach von „Spotify”, dem Streaming-Dienst, der in mittlerweile 56 Ländern angeboten wird, meint zu der Qualität der Musik gegenüber medienMITTWEIDA: „Wir möchten unseren Nutzern das perfekte Musikerlebnis bieten – dazu zählt nicht nur eine große Auswahl von Songs, sondern auch eine gute Soundqualität auf verschiedenen Lautsprechern und Audio-Systemen. Premiumnutzer können Musik auf Spotify in drei Qualitätsstufen streamen.” Die höchste Stufe ist hierbei die mp3 mit einer Bitrate von 320 kbps, zu der TiKay One anmerkt: „Für mich ist Qualität ab dieser Bitrate erreicht.”
Abschließend bemerkt TiKay One, bezogen auf die Musikqualität von vor zehn Jahren: „Ich glaube nicht, dass Qualität unwichtiger wird. Wir tun so, als hätten sich Laien jemals darum geschert. Die haben den einen Plattenspieler gekauft, weil’s nur den einen gab. Dann haben sie das billige CD-Küchenradio gekauft, aber noch die gute Stereoanlage, weil sie hübsch zu den Möbeln passt. Wie das alles klingt, war doch weder zu beurteilen, noch in Frage gestellt.”
Zweifelsohne stehen einige Entwicklungen im Audiobereich konträr zueinander. Auf der einen Seite werden Produktionen teurer, die Qualität im Studiobereich immer besser. Auf der anderen Seite wird das Endprodukt komprimiert, gestreamt und auf dem Smartphone oder Laptop konsumiert. Auf dieses Qualitätslevel passt sich der Markt an. Doch Firmen wie „Apple” oder „Spotify” sind Unternehmen, die erste Lösungsansätze bieten. Fortschritte in der Geschwindigkeit des Internets oder verbesserte Audiosysteme in mobilen Geräten könnten zukünftig teilweise zu einer Besserung beitragen. Formate, Medien und die Nutzung dieser werden weiterentwickelt und wie bei jeder Neuerung gibt es Vor- und Nachteile. Es bleibt abschließend die Frage, welche Qualität jeder einzelne für sich benötigt.
Text: Philipp Körner. Beitragsbild: Thomas Kraftschenko.