Der iranische Blogger Hamid schreibt täglich über Technik, Medien, Internetfreiheit und Dinge, die ihn ganz persönlich interessieren. Dabei geht er mit offenen Augen durch seine Welt. Die Themen von Hamid, der seinen Nachnamen aus Sicherheitsgründen nicht verrät, sind oft nicht so verschieden von den Sachen, die Europäer interessieren. Zwar schreibt er in Farsi für die Iraner, aber die Themen reichen bis zu den Wahlerfolgen der Piratenpartei in Berlin.
Um was geht es in Ihrem Blog?
Der Hauptfokus in meinem Blog ist die digitale Freiheit. Das beinhaltet Redefreiheit, Software-Freiheit und neue Medien. Da dies aber ein persönlicher Blog ist, berichte ich ebenso über alles, was mich interessiert: Zum Beispiel globale politische Themen wie die Lage in Syrien und Libyen oder ich schreibe über Technisches wie Hacker-Kultur und seltene Geräte.
Für wen schreiben Sie?
Ich versuche nicht ein bestimmtes Publikum zu erreichen. Aber aufgrund der Inhalte in meinem Blog sind die Leser vorallem „Geeks„, Reformisten und junge Menschen, die wissen wollen, was in der Welt passiert. Und ja, fast hätte ich sie vergessen, da sind auch immer einige von der „Cyber-Army“, die meinen Blog lesen und regierungsfreundliche Kommentare hinterlassen. Aber ich freue mich, wenn auch diese Menschen meine Ideen lesen.
Was ist Ihr Anliegen als Blogger?
Am Anfang hatte ich einen anderen Blog, der sich mit Subkulturen auf der ganzen Welt befasste. Davon war ich begeistert. Vor ungefähr fünf Jahren und einem weiteren Blog – „why nuclear energy is not clean“ – wurde der Weblog im Iran blockiert. Ich fing an unter einer neuen Domain zu schreiben und habe mich auf Zensur und freie Meinungsäußerung konzentriert. Meiner Ansicht nach bloggen wir, um der Welt unseren Lebensstil zu zeigen. Für mich ist es wichtig, den Farsi-sprechenden Lesern zu zeigen, dass die Zensur kein weltweites Konzept ist. Ich will den Lesern erklären, dass es Länder gibt, in denen niemand hingerichtet wird und dabei noch die Kriminalitätsrate niedriger ist als unsere und wie wichtig es ist, die digitalen Rechte zu verteidigen.
Was denken Sie, warum besuchen die Leser Ihren Blog?
Das ist schwer zu sagen. Ich war schon sehr früh im Internet aktiv und die Menschen lesen meine Einträge schon seit einiger Zeit. Vielleicht, weil ich viele Quellen nutze und die Leute wissen, sie können bei mir viele interessante Nachrichten und Ideen finden. Aber vielleicht auch weil ich mit meinem eigenen Namen schreibe und sie froh sind, dass jemand seine gemäßigten Gedanken und Ideen verteidigt, nicht rumbrüllt und versucht logisch zu argumentieren, warum die Freiheit besser ist als die Zensur.
Gibt es Einschränkungen bei Ihrer Arbeit?
Mit Sicherheit. Der Iran ist eines der größten Gefängnisse für Journalisten und hat die meisten Hinrichtungen pro Einwohner – eine Schande. Ich glaube nicht, dass ich ein Held bin. Ich bin erst recht nicht daran interessiert ins Gefängnis zu gehen. Ich versuche einige rote Linien nicht zu überschreiten, zum Beispiel die höchsten Anführer oder heilige Dinge wie Propheten und den Koran zu beleidigen. Wenn ich also über Homosexualität schreiben will, dann schreibe ich einfach darüber, dass wir keine Angst vor Homosexuellen haben sollten und dass ungefähr sieben Prozent der Bevölkerung homosexuell ist und das ganz normal ist.
Worauf müssen Sie dabei genau achten?
Eine Technik, um sicher zu gehen, dass mein Blog nicht zensiert wird, ist, meine Sprache ganz genau zu beobachten. Hier kann man hingerichtet werden wenn man sich demütigend über „heilige Dinge“ ausdrückt. Außerdem schreibe und kommentiere ich nie, wenn ich wütend bin. Und eins noch: Ich rufe nie jemanden auf Gewalt auszuüben. Ich fordere in meinen Texten nie jemanden auf, für Paraden auf die Straßen zu gehen oder ähnliches.
Haben Sie Angst, wenn andere Blogger oder Journalisten verhaftet werden?
Ich denke nicht gern daran. Aber wenn Sie eine Antwort möchten. Ja, ich habe Angst. Ich bin kein Held. Ich denke nur, dass ich schreiben muss, damit die Menschen auch erfahren was passiert und wenn sich etwas ändert. Die Menschen sollten über die Wichtigkeit der freien Meinungsäußerung Bescheid wissen. Ich bin nicht politisch und ich bin nicht mutig. Ich habe Angst, wenn ich höre, dass jemand verhaftet wurde. Ich möchte mich nicht in solch einer Situation vorstellen. Ich möchte mir nicht vorstellen, was in Gefängnissen passiert. Ich möchte mein Leben nicht hinter Gittern vergeuden, aber ich glaube, dass es Dinge gibt, die gesagt werden müssen.
Haben Sie eine Vorstellung, wie Ihr Land in zehn Jahren aussehen könnte?
In zehn Jahren? Ich denke in zehn Jahren ist der Iran ein anderes Land. Das System kann keine weitere Dekade so funktionieren. Die Machthaber müssen entweder zu einem offenerem oder geschlossenerem System wechseln, oder sie werden scheitern. Aber ich kann Ihnen versichern, dass sich nicht alles ändern wird. Die Leute, die für Geld regierungsfreundliche Kommentare hinterlassen, werden auch in zehn Jahren noch das Gleiche tun. Vielleicht für eine andere Ideologie, aber sie werden es tun. Gerade werfen mir genau diese Menschen vor, pro-westlich zu sein. Falls sich ideologisch irgendetwas ändert, werden die gleichen Leute die Menschen verfolgen, die sich gegen die westliche Welt äußern. Insgesamt brauchen wir im Iran und vielleicht im gesamten Mittleren Osten mehr Bildung und Entwicklung. Und das wird nicht in zehn Jahren geschehen.