Die britische Automarke Jaguar hat in den letzten Wochen ein radikales Rebranding durchlaufen, das in der Automobilwelt für Aufsehen gesorgt hat. Die Reaktionen darauf: Äußerst negativ. Was als genialer Marketing-Move geplant ist, könnte zum Ruin dieser legendären Automarke führen.
Jaguar – eine britische Kultmarke
Seit 102 Jahren steht der Name Jaguar bislang für britische Eleganz, Stil und Performance. Modelle wie der XJ220, einst das schnellste Auto der Welt, oder der legendäre E-Type, den Enzo Ferrari höchstpersönlich als das schönste Auto aller Zeiten betitelte, gehören zu den legendärsten Autos aller Zeiten. Auch im Motorsport und in der Popkultur ist Jaguar immer äußerst präsent gewesen. Das Unternehmen kann auf ein beeindruckendes Vermächtnis zurückblicken. Unter der Tata Group, die Jaguar seit 2008 besitzt, produzierte die Marke bislang vor allem Fahrzeuge im Premiumsegment. Doch nun hat das indische Mutterunternehmen neue Pläne für die Marke.
„Hard Reset“ der Markenidentität – das Jaguar der Zukunft
Am 19. November 2024 präsentierte Jaguar eine vollständig neue Corporate Identity. Alte Inhalte verschwanden von den Social-Media-Kanälen und ein Imagevideo enthüllte ein völlig neues Selbstbild: „Zelebrierung des Modernismus“, wie es das Unternehmen selbst beschreibt. Simplistische Formen, futuristische Designs und schrille Farben sind in Zukunft Kern der Designsprache von Jaguar. Unter dem neuen Slogan „Copy Nothing“ wurde dies durch ein neues Imagevideos präsentiert: tanzende Models, Glamour und Diversität – allerdings zunächst ohne Auto.
Einen ersten Blick auf die Zukunft der tatsächlichen Jaguar Autos gab es am 2. Dezember 2024 auf der Miami Art Week. In Präsenz prominenter Gäste wie Rapper Skepta und Ludacris wurde der Type-00 vorgestellt. Brutalistisch, bunt, kantig und extrem hässlich – zumindest wenn man sich dem allgemeinen Konsens auf Social Media anschließt.
Das Jaguar Type-00 Concept, Quellenverweis: Jaguar Media Centre
Jaguar scheint sich offensichtlich als eine Art Balenciaga der Autowelt zu positionieren – hyperexklusiv und unorthodox in ihren Designs. Traditionelle Elemente wie das ikonische Jaguar ”Leaper” Logo sind nur noch minimal präsent, ersetzt durch eine – wie bei so vielen anderen Marken mittlerweile auch – ekelhaft simplistische und absolut langweilige Designsprache, die kaum Wiedererkennungswert bietet und eigentlich nichts mehr mit der DNA der Marke zu tun hat.
Statt britischer Gentlemen-Ästhetik wurde bei Jaguar das British Racing Green metaphorisch gegen Pink, Himmelblau und Wokeness eingetauscht. Und das kommt nicht nur bei Fans der Marke katastrophal an.
Ein Hagel der Kritik
Die Reaktionen auf das Rebranding und das neue Concept Car sind vernichtend. Gerry McGovern, CEO von Jaguar Land Rover und der Mann hinter dem Rebranding, ist sich bewusst, dass der neue Look der Marke nicht bei jedem gut ankommen würde. Dass allerdings kaum eine positive Stimme zum Rebranding zu hören ist, kann wohl kaum die Strategie des in Coventry ansässigen Sportwagenbauers gewesen sein.
“So @Jaguar decided to kill their brand today.”, schreibt X-User @TheGentRacer und fängt damit die allgemeine Stimmung auf Social Media ziemlich gut ein. Man muss unter dem Imagevideo eine ganze Weile scrollen, um einen nicht-abwertenden Kommentar ausfindig zu machen.
So @Jaguar decided to kill their brand today.
— @TheGentRacer July 22, 2024
Einige wenige stark konservative Internet-Rambos, angeführt von Tesla-Chef Elon Musk, nutzen natürlich die Gelegenheit, um ihren homophoben und menschenfeindlichen Ansichten Gehör zu verschaffen. So schreibt Musk hämisch als Reaktion auf das neue Imagevideo auf X: „Do you sell cars?” (Verkauft ihr überhaupt Autos?)
Dennoch basiert der Großteil der Abneigung gegenüber dem Rebranding auf validen Kritikpunkten. Zum einen steht die neue Markenästhetik im deutlichen Widerspruch zur jahrzehntelangen Tradition und dem Selbstverständnis von Jaguar. Zum anderen scheint die neue Ausrichtung viele alteingesessene Fans vor den Kopf zu stoßen. Die Vision von Jaguar als Hersteller elektrisch betriebener Luxusfahrzeuge wird von vielen als vollkommen schwachsinnig empfunden.
Ein notwendiger Schritt?
Trotz aller Kritik gibt es einen nachvollziehbaren Grund für diesen drastischen Wandel: Jaguar war in den letzten Jahren auf dem absteigenden Ast. Sinkende Absatzzahlen und ein zunehmend irrelevantes Portfolio haben die Marke in der Versenkung verschwinden lassen. Die starke Konkurrenz im Premiumsegment, beispielsweise durch Marken wie Porsche, hat dazu geführt, dass Jaguar schon seit geraumer Zeit irrelevant geworden ist. Ein Wandel war unvermeidlich, um der Marke neues Leben einzuhauchen.
Doch der gewählte Ansatz zur Neupositionierung ist äußerst fraglich: Jaguar will sich als „moderne Luxusmarke“ positionieren, doch der Versuch, dies zu erreichen, wirkt aufgezwungen und kaum authentisch. Statt Innovation auf Basis der bisherigen Markenidentität ist das neue Branding ein peinlicher Versuch, durch Pinkwashing und Diversität eine neue, junge Käuferschaft zu erreichen. Dabei verliert Jaguar seine Seele und entfremdet sich von seiner Historie – sowie seinen Fans und der eigentlichen Kernzielgruppe der Marke.
Everybody talking – Jaguar wieder präsent
Eines hat Jaguar mit seinem Rebranding jedoch zweifellos erreicht: Die ganze Welt spricht über Jaguar. Google-Trends zeigen einen massiven Anstieg der Suchanfragen nach Jaguar. Doch Aufmerksamkeit allein reicht nicht aus, um Erfolg zu garantieren. Die neuen Modelle und die Markenidentität müssen überzeugen – und genau daran zweifeln viele.
Die zentrale Frage bleibt: Für wen baut Jaguar in Zukunft Autos? Die traditionelle Zielgruppe von Jaguar, der klassische britische Gentleman, kann sich kaum mit der schrillen neuen Identität identifizieren. Gleichzeitig ist der Markt für Luxusfahrzeuge kein besonders großer und von etablierten Konkurrenten wie Rolls Royce, Lucid und anderen etablierten Marken hart umkämpft. Jaguar wird es auch hier schwer haben, sich in diesem Segment zu festigen.
Das Ende einer Ära?
Jaguar hat sich von seinen Wurzeln gelöst – und das sorgt bei vielen Fans der Marke für Fassungslosigkeit. Statt auf seine Tradition und Einzigartigkeit zu setzen, versucht Jaguar mit einem radikalen Rebranding, sich neu zu erfinden. Doch dieser traurige Ansatz, über Wokeness und modische Trends – wie die offensichtliche Nachahmung des Cybertruck-Phänomens – relevant zu bleiben, wird der Marke voraussichtlich mehr schaden als nutzen.
Für die Auto-Community ist es eine Tragödie: Eine legendäre Marke wird ihrer Identität beraubt. Der Type-00 ist die Zukunftsvision von Jaguar. Aus Respekt vor der Legacy der Marke kann man nur hoffen, dass die flache Front des Concept Cars keine Prophezeiung dafür ist, dass Jaguar mit Vollgas in eine Wand fahren wird.
Text: Florian Schröder; Titelbild: Jaguar Land Rover