Im vergangenen Jahr kamen weltweit 66 Journalisten bei der Ausübung ihres Berufes ums Leben. Wie sieht es aus, das Leben eines Reporters in den gefährlichsten Ländern auf der Welt? medienMITTWEIDA sprach mit Wolfgang Bauer von „DIE ZEIT“, er war schon öfter in Krisen- und Kriegsgebiete unterwegs.
Aleppo, eine Stadt im Norden Syriens, gerät immer wieder unter schweren Beschuss durch das Militär des Assad-Regimes. Fast täglich werden Teile der Stadt bombardiert und deren Bewohner getötet. Im Jahr 2014 sind, laut der Jahresbilanz von Reporter ohne Grenzen, mehr Medienschaffende in Syrien ums Leben gekommen, als in jedem anderen Land der Welt. Nicht zu Unrecht ist Syrien für Journalisten zum gefährlichsten Land der Welt geworden. Aufgrund einer hohen Entführungsgefahr durch das Assad-Regime, wagen sich ausländische Reporter kaum noch in das Land. Die Berichterstattung ist fast ein „Ding der Unmöglichkeit“ geworden. ZEIT-Redakteur Wolfgang Bauer, der auch das Buch „Über das Meer – Mit Syrern auf der Flucht nach Europa“ veröffentlichte, gehört zu einem der wenigen, die sich noch in das Land trauen.
„Ich bin mehrfach nach Aleppo gereist und es ist eines der heftigsten Gebiete, die ich kenne. Man wird von Artillerie-Geschossen aus der Luft bombardiert, gleichzeitig herrscht aber auch Entführungsgefahr auf dem Boden. Ich versuche diese Reisen so vorzubereiten, dass das Risiko das ich angegriffen werde oder sogar entführt werde, minimal ist.“
Jede Bewegung, jeder Schritt muss gut überlegt sein. Augen und Ohren stets offen halten. Nur so kann der Journalist die Umgebung, in der er sich befindet, einschätzen – ob vermehrt Gefahr droht. Eine sich ständig ändernde Umgebung mit immer wiederkehrenden Entscheidungen, die getroffen werden müssen und die überlebenswichtig sind. Es bedarf seiner eigenen Taktik, Gefahren aus dem Weg zu gehen.
„Meine Taktik dem entgegenzuwirken war es gewesen, mich nicht ständig durch die Stadt zu bewegen, sondern zum Beispiel eine kleine Straße zur Berichterstattung zu nutzen. Wo die Gebäude hoch genug sind, dass die unteren Geschosse nicht so schwer in Mitleidenschaft gezogen werden, wo wir dann geschlafen haben. Wenn man da im ersten Erdgeschoss sitzt, hat man die größtmögliche Sicherheit, den größtmöglichen Schutz vor den Luftbomben. Wenn es eine enge Straße ist, hat man den größtmöglichen Schutz vor Splittern, die dann von den höheren Geschossen abprallen.“
„Wichtig ist, dass du Kontakte vor Ort hast“
Um die Gefahr vor Ort so klein wie nur möglich zu halten, ist wichtige Vorarbeit zu leisten. Diese Arbeit muss vor allem bei Reisen in unsichere Länder geleistet werden.
„Wichtig ist, dass du Kontakte vor Ort hast und wenn du sie nicht hast, dann musst du sie dir erarbeiten. Das sind dann häufig die Übersetzer, die Stringer oder Fixer. Ihre politische Einstellung und ihr sozialer Status, ihre Fähigkeit mit Menschen umzugehen oder auch nicht, die bestimmt die Qualität deiner Arbeit letztendlich. Da steht dann dein Name über dem Artikel oder dem Filmbeitrag, aber mit genauso viel Recht könnte auch der Name des Übersetzers oder des Springers dann danebenstehen.“
Fixer und Stringer sind unverzichtbare Vertrauenspersonen in Krisengebieten. Sie assistieren Reportern vor Ort und besorgen ihnen Kontakte zu den Einheimischen. Eine aufwendige Arbeit, den richtigen Kontakt für seinen Bericht zu finden.
„Man muss in der Krise schauen, wer für dich da arbeiten soll, was du genau für ein Thema machen möchtest, was für ein politisches Thema du genau machen möchtest.Welche sozialen Schichten du mit deiner Recherche berührst und ob der entsprechende Mensch, den du dann an der Hand hast, der richtige dafür ist.“
Doch im 21. Jahrhundert, im Zeitalter der Digitalisierung, erleichtern Soziale Netzwerke Journalisten ein wenig ihre Vorarbeit. Geschlossene Gruppen auf Facebook oder anderen sozialen Medien helfen ihnen, sich relativ frei über gemeinsame Kontakte austauschen zu können.
Schutzweste statt Schreibtisch
„In Aleppo hatte ich eine Schutzweste mit mir: Die trage ich dann sogar nachts, weil die Zeit dann nicht mehr reicht, wenn eine Bombe einschlägt, die Schutzweste aufzutragen. In anderen Gebieten gefährdet dich jedoch die Schutzweste eher, da sie dich stärker sichtbarer macht. In anderen Gegenden bedeutet die Schutzweste eine höhere Gefahr, gerade wenn es um Entführungen geht. Dann sollte man einigermaßen so aussehen wie die einheimische Bevölkerung,möglichst unauffällig.“
Genauso wichtig wie der persönliche Schutz, ist die Sicherheit der Kontaktpersonen. Die Helfer vor Ort befinden sich meist mit an vorderster Front. Sie sind unverzichtbar für den weiteren Verlauf der Reportage. In Krisenregionen stehen sie meist bei der Bevölkerung in dem jeweiligen Gebiet unter kritischer Beobachtung, gelten dort nicht selten als Kollaborateure.
„Deren Sicherheit ist auch von der Geschichte abhängig. Sie haben meist auch Kinder und gehen ständig mit Journalisten darein und da kommt es ganz darauf an, mit diesen Leuten Vertrauensverhältnisse aufzubauen und sehr sorgsam die Art von Geschichte anzusprechen die man so vorhat. Die die Medienkontakte vor Ort muss man sehr ernst nehmen.“
Es bringt viel Mut mit sich, als Journalist in die Krisengebiete zu reisen, um zu berichten. Im vergangenen Jahr starben 66 Journalisten und elf Medienmitarbeiter. Es wurden 119 Entführungen von Journalisten gezählt. Im Jahr 2013 waren es noch 87. Eine Steigerung von 37 Prozent. Zurzeit befinden sich 177 Journalisten in Haft. Das Berichten für Journalisten aus Krisengebieten wird riskanter und nur noch die wenigsten wagen diesen gefährlichen Schritt.
„Was mich interessiert sind die Stimmen von Leuten hörbar zu machen, die sonst untergehen würden. Die sonst ungehört bleiben, weil niemand in diese Gebiete reist. Ich habe schon noch die Illusion, dass sich durch Journalismus ein bisschen was verändern kann.“
Text: Tom Sipply. Bild: Stanislav Krupar. Bearbeitung: Christine Wolf.