In Mittweida gibt es einen Ort, an dem Farbe, Ruhe und Konzentration zusammenfinden. Zwischen Regalen voller Keramik und gut gefüllten Tischen sitzen Menschen aus der Stadt und der Umgebung, die für ein paar Stunden dem Alltag entfliehen wollen. Auch die Redaktion von medienMITTWEIDA möchte wissen, wie dieser Treffpunkt funktioniert – und was hinter dem Keramiktrend in Mittweida steckt.
Punkt 16 Uhr öffnet Chi Em an diesem Freitag. Draußen warten bereits mehrere Besucher:innen, als im Inneren die Lampen angehen und die letzten Vorbereitungen laufen. Das Studio hat nur freitags und samstags geöffnet, jeweils in zwei Zeitfenstern von rund zweieinhalb Stunden. Innen erwartet uns ein ruhiger, heller Raum mit moderner Einrichtung. Die Atmosphäre wirkt gleichzeitig entspannt und belebt: Freund:innen, Paare und ganze Familien finden sich nach und nach ein. Wie in einem Restaurant begleitet uns die Mitarbeiterin per Tischplan an unseren Platz. Eine Einweisung erhalten wir nicht. „Alles Wichtige steht eigentlich auf den Zetteln“, sagt sie. Ein kleiner Minuspunkt – eine kurze Einführung wäre hilfreich. Gerade wer zum ersten Mal hier ist, muss sich kurz orientieren. Aber im Laufe des Abends zeigt sich: Auch ohne klappt es.
Auf dem Tisch liegen mehrere laminierte Blätter mit Informationen, wie das Bemalen funktioniert, welche Schritte nötig sind und wie die Farben wirken. Daneben stehen Gläser voller Pinsel, Wasserbecher, Schwämmchen und kleine Keramikpaletten für die Farben.
Die Qual der Wahl
Doch bevor es losgehen kann, geht es für uns zurück zum Eingang. Dort steht die große Auswahl an Keramik. Die Regale sind vollgestellt mit kleinen Untertassen, Schmuckdosen, Tassen, Schalen, Vasen und vielem mehr. Die Preisspanne reicht – je nach Größe, Form und Oberfläche – grob von 5 bis 40 Euro. Der angegebene Preis umfasst dabei jeweils das komplette Paket: Nutzung des Studios und jeglicher Materialien sowie das spätere Brennen des fertigen bemalten Stücks.
Auswahl der Keramik-Rohlinge im Chi Em, Foto: Kyriaki Linoxylaki
Doch gerade wer studiert, überlegt bei größeren Stücken ein bisschen länger. Auch wir stehen eine Weile vor den Regalen. Die Entscheidung soll schließlich eine Weile halten, und 30 Euro für ein Stück blasser Keramik ist nicht wenig. Am Ende wandern ein Blumentopf und eine Müslischüssel mit an unseren Tisch.
Erste Pinselstriche
Zurück an unserem Platz beginnt der erste Arbeitsschritt: den Keramikrohling mit einem trockenen Schwamm abwischen. Das entfernt Staub und sorgt dafür, dass die Farbe gleichmäßiger haftet. An der Wand hängen Farbbeispiele – bereits gebrannte Keramikstücke, die zeigen, wie die Farbtöne nach dem Brennvorgang wirklich aussehen. Unter jedem Beispiel steht eine Nummer; daneben Tuben mit der passenden Farbe. Zwei verschiedene Farbtypen gibt es: dickflüssige und dünnere, die entweder als Grundfarbe oder für das Malen von Details genutzt werden können.
Farbauswahl im Chi Em, Foto: Kyriaki Linoxylaki
Wir drücken die ausgewählten Farbtöne in die kleinen Keramikpaletten, die auf jedem Tisch bereitstehen. Dann beginnen wir – mit Pinterest-Vorlage, aber ganz ohne Druck. Während wir an unseren Motiven arbeiten, entsteht eine fast meditative Stimmung. Pinselstriche, kurze Gespräche und lange Pausen, in denen niemand spricht. Schon nach wenigen Minuten schalten so manch andere Gäste gedanklich ab. Manche zeichnen ihre Motive mit Bleistift vor, andere malen freihand. Gestalterische Vorgaben gibt es hier nicht. Jede Person bemalt so, wie sie möchte.
Entschleunigung statt Alltagsstress
Mit uns am Tisch sitzt eine kleine Familie: Oma, Mutter und Tochter. Die Großmutter erzählt, dass sie eigentlich gar nicht mitkommen wollte. „Kreatives ist gar nicht mein Ding.“ Später aber lacht sie über ihre leicht zugemalte Schüssel. Aber man sieht ihr an, dass es ihr trotzdem Spaß macht. Vielleicht ist der Laden deshalb so beliebt. Es geht nicht um Perfektion, sondern einfach ums Tun.
Um uns herum entsteht eine Mischung aus Alltagskunst und kleinen Pannen, aus konzentrierten Gesichtern und gelegentlichem Humor. Die offiziell vorgesehenen zweieinhalb Stunden vergehen schnell. Anders als im oft stressigen Studienalltag erleben wir hier ein Gefühl der Entschleunigung. Der Raum wirkt wie ein kleiner Gegenpol zu Vorlesungen, Deadlines und Projektarbeiten. Wir bemerken erst spät, wie konzentriert wir gearbeitet haben – und bleiben am Ende fast drei Stunden, während parallel schon die ersten Gäste des zweiten Zeitfensters eintreffen.
Sind die letzten Pinselstriche gesetzt, werden die Materialien selbstständig zurücksortiert. Die bemalten Keramikstücke wirken noch matt und etwas blass. Erst im Brennvorgang werden sie ihre kräftigen, glänzenden Töne entfalten. An der Kasse geben wir unsere Rohlinge ab, zahlen und erhalten einen Bon, mit dem wir die fertigen Stücke nach zwei Wochen abholen können.
Keramikstücke nach dem Brennprozess, Foto: Kyriaki Linoxylaki
Lohnt sich ein Besuch?
Chi Em zeigt sich an diesem Abend als ein Ort, der Mittweida spürbar zusammenschweißt. Menschen verschiedenen Alters sitzen konzentriert über ihren Keramikstücken, sprechen leise miteinander und teilen für ein paar Stunden Funken von Kreativität. Wer hierherkommt, sollte Zeit mitbringen: Die festen Zeitfenster – meist 16 bis 18.30 Uhr und anschließend bis 21 Uhr – sind gut gefüllt. Da der Laden nur freitags und samstags öffnet, empfiehlt sich eine rechtzeitige Reservierung. Die Zeit vor Ort braucht man tatsächlich, denn selbst einfache Motive benötigen Ruhe. Der Besuch erfordert ein wenig Geduld, bietet dafür aber genau das, was viele hier suchen: einen entschleunigten Abend und ein gemeinsames kreatives Erlebnis.
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Text, Fotos: Kyriaki Linoxylaki



