Künstliche Intelligenz

Kreativität kontra KI – Kunst im digitalen Dilemma

von | 15. Mai 2025

Künstliche Intelligenz inszeniert Filme, verjüngt Stars, kopiert Stile – doch was bleibt von menschlicher Kreativität?

Teil des Dossiers zum Thema Künstliche Intelligenz

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Ein Film ganz ohne Kameras. Schauspieler, die nie geboren wurden. Regisseure, die keine Menschen, sondern Algorithmen sind. Was einst wie eine düstere Zukunftsvision klang, ist heute Realität. Künstliche Intelligenz hat das Kino erreicht und verändert es von Grund auf.

Künstliche Intelligenz ist längst mehr als ein technisches Hilfsmittel. Sie mischt sich aktiv in kreative Prozesse ein und verändert, wie Kunst entsteht. In der Bildgestaltung, beim Erzählen von Geschichten oder in der Musik wird Kreativität zunehmend automatisiert, berechnet und simuliert. Dadurch verschieben sich nicht nur ästhetische Maßstäbe, sondern auch die Rolle des Menschen im schöpferischen Prozess.

Kreativität auf Knopfdruck

KI-generierte Kunst bezeichnet Werke, die nicht von menschlicher Hand, sondern von lernenden Systemen wie Algorithmen und neuronalen Netzwerken erzeugt werden. Diese rechnergestützten Modelle sind in der Lage, Muster zu analysieren und darauf aufbauend eigenständig neue Inhalte zu kreieren. Ob Bild, Musik, Text oder ganze Filme – Maschinen kreieren Inhalte, die mit menschlicher Kreativität konkurrieren. Programme wie DALL·E, Midjourney, Runway oder Stable Diffusion liefern nicht nur technische Spielereien, sondern ernstzunehmende Werkzeuge für kreative Produktionen.

Gerade im Film ist der Einsatz von KI besonders spannend. Denn hier vereinen sich Bild, Ton, Sprache, Dramaturgie und Emotion. KI kann nicht nur im Hintergrund als Hilfsmittel bei Effekten, Animationen oder Schnitt wirken, sondern aktiv kreative Entscheidungen beeinflussen oder sogar den Schaffensprozess selbst übernehmen.

Von der Vision zur Simulation

Ein Beispiel für einen vollständig KI-generierten Film ist „The Frost“, ein experimenteller Science-Fiction-Kurzfilm. Im Mittelpunkt der Handlung steht eine Gruppe von Überlebenden, die in einer gefrorenen, postapokalyptischen Welt einem geheimnisvollen Signal auf einen gefährlichen Berg in der Antarktis folgt. Auf ihrer Reise werden sie bis an ihre Grenzen gebracht und sehen sich mit erschütternden Wahrheiten über ihre Vergangenheit und der ungewissen Zukunft der Menschheit konfrontiert. Die Bilder des Films wurden ausschließlich mit den Bild-KIs DALL·E und DALL·E 2 erstellt, die auf textbasierte Eingaben reagieren und daraus visuelle Szenen generieren. Diese statischen Bilder wurden anschließend mit der Animationssoftware D-ID in Bewegung versetzt und mithilfe synthetischer Stimmen vertont.

Making-of des Filmes „The Frost“, Quelle: Waymark

Aus technischer Sicht demonstriert „The Frost“, dass es inzwischen möglich ist, einen Film ohne traditionelle Filmproduktionselemente wie Kamera, Schauspieler oder reale Drehorte zu realisieren. Auffällig sind dabei jedoch bestimmte visuelle Merkmale: etwa leicht verzögerte Bewegungen von Gesichtern, inkonsistente Blickrichtungen und eine reduzierte emotionale Ausdruckskraft. Die Reaktionen auf den Film fallen unterschiedlich aus. Während einige ihn als innovativen Ansatz für neue filmische Ausdrucksformen betrachten, kritisieren andere die fehlende emotionale Tiefe und die künstlich wirkende Darstellung.

Der Regisseur Josh Ruben beschreibt das Projekt als eine völlig neue künstlerische Erfahrung: „Das ist nicht wie ein typisches Animationsprojekt. Wir haben es hier mit einem Künstler zu tun, wie ihn die Welt noch nie gesehen hat – und das ist die KI. Für mich war es eine enorme Lernerfahrung, sowohl als Filmemacher als auch als jemand, der sich für Technologie und die Welt der KI interessiert, einfach zu sehen, welche Möglichkeiten und welche Grenzen sie hat. Es war eine Menge Arbeit.“

Ganzer Film „The Frost“ auf YouTube, Quelle: Waymark

Hollywoods neue Gesichter

Künstliche Intelligenz wird inzwischen nicht nur in unabhängigen Filmprojekten eingesetzt, sondern auch zunehmend in großen Hollywood-Produktionen. In der Serie „The Mandalorian“ wurde beispielsweise eine verjüngte Version der Figur Luke Skywalker mithilfe von Deepfake-Technologie realisiert. Bei dieser Technologie werden Künstliche Intelligenz und Algorithmen verwendet, um realistische, täuschend echte Nachbildungen von Gesichtern und Bewegungen zu erzeugen. Der ursprüngliche Schauspieler, Mark Hamill, diente dabei als Referenz. Sein Gesicht wurde mittels maschinellen Lernens digital rekonstruiert und animiert. Die Reaktionen in der Öffentlichkeit waren gemischt. Die technische Umsetzung erhielt vielfach Lob, wohingegen die Darstellung in Bezug auf Mimik und Ausdruck teilweise als künstlich wahrgenommen wurde.

Ein vergleichbares Verfahren kam im Film „Indiana Jones and the Dial of Destiny“ (2023) zum Einsatz. Neben aktuellen Szenen mit dem gealterten Harrison Ford zeigt der Film Rückblenden, in denen ein digitales Abbild seines jüngeren Selbst erscheint. Dieses wurde auf Basis von Archivmaterial generiert und mit aktuellen Bewegungsdaten ergänzt.

Auch der Film „Here“ (2024) mit Tom Hanks nutzt KI-basierte Technologien, um den Schauspieler über mehrere Jahrzehnte hinweg darzustellen. In begleitenden Interviews äußerte Hanks, dass es inzwischen technisch möglich sei, ihn auch nach seinem Tod in neuen Produktionen erscheinen zu lassen – „Ich könnte morgen von einem Bus angefahren werden und das war’s, aber meine Aufritte können immer weitergehen.“ Diese Aussage verdeutlicht das Potenzial, aber auch die kontrovers diskutierten Implikationen solcher Verfahren für Schauspiel und Identität im digitalen Zeitalter.

Virtuelle Idole und die Illusion von Realität

Diese Entwicklungen sind nicht auf den Film beschränkt. Auch in den sozialen Medien gewinnen virtuelle Figuren zunehmend an Bedeutung. Ein bekanntes Beispiel ist Lil Miquela, ein computergeneriertes Model mit über zwei Millionen Followern auf Instagram und 3,4 Millionen Followern auf TikTok. Sie veröffentlicht Musik, tritt in Interviews auf und wird von Marken für Werbekampagnen eingesetzt. Solche KI-basierten Persönlichkeiten zeigen, dass digitale Avatare inzwischen fester Bestandteil medialer Öffentlichkeiten sind – obwohl sie keine realen Menschen sind.

@lilmiquela

If you’re new here, I’m a 🤖. I’ve got a lot to unpack, but we can do it together 🙃🥺✨💕 #robot #adayinmylife

♬ Sunny Day – Ted Fresco

TikTok von Lil Miquela, Quelle: lilmiquela

Zwischen Kunst und Code

Mit der rasanten Entwicklung generativer KI-Systeme wie ChatGPT, Google Gemini oder Midjourney haben sich die Bedingungen der Produktion kreativer Inhalte grundlegend verändert. Diese Systeme sind in der Lage, auf Grundlage textbasierter Nutzereingaben – sogenannter Prompts – eigenständig Texte, Bilder oder Musik zu generieren. Die erzeugten Inhalte ähneln in Struktur und Wirkung menschlichen Werken und können diese in bestimmten Anwendungsfeldern ersetzen. Daraus ergeben sich rechtliche, ethische und gesellschaftliche Fragestellungen, die neue Regelungen und Bewertungsmaßstäbe erfordern.

Urheberrechtlich gilt derzeit, dass ausschließlich Menschen als Urheber anerkannt werden. Inhalte, die überwiegend oder vollständig durch KI generiert wurden, unterliegen in der Regel keinem urheberrechtlichen Schutz. Eine Schutzfähigkeit kann nur dann in Betracht gezogen werden, wenn die menschliche Beteiligung ein hinreichendes Maß an schöpferischer Eigenleistung aufweist, etwa durch spezifisch gestaltete Prompts, die das Ergebnis inhaltlich wesentlich prägen. Der eigentliche KI-Output bleibt jedoch in den meisten Fällen schutzfrei. Unabhängig davon können KI-generierte Inhalte die Rechte Dritter verletzen, insbesondere wenn sie stilistische Merkmale oder charakteristische Elemente konkreter Werke realer Künstler aufgreifen. Während künstlerische Stile grundsätzlich urheberrechtsfrei sind, gilt dies nicht für individuelle Werke. Christoph Keese, Publizist und Digitalexperte, weist darauf hin: „Das Produkt ist nicht geschützt, seine Zutaten sind es aber sehr wohl – durch diesen Umstand ist Ärger programmiert.“

Ein weiterer Konflikt betrifft die Verwendung vorhandener Werke als Trainingsdaten. KI-Modelle lernen aus bestehenden Inhalten, oft ohne Zustimmung der Urheber. In Europa erlaubt § 44b UrhG diese Nutzung für maschinelles Lernen, solange kein Widerspruch erfolgt. Kreative kritisieren das als Ausbeutung geistiger Arbeit, während KI-Entwickler auf Rechtssicherheit und Innovationsfreiheit verweisen.

Auch die Verantwortung für KI-Inhalte ist umstritten. Kritiker sehen eine rechtliche, moralische und kulturelle Grenzüberschreitung, wenn Deepfakes Persönlichkeitsrechte verletzen oder verstorbene Künstler digital weiterleben. Solche Anwendungen könnten nicht nur die Selbstbestimmung von Individuen untergraben, sondern auch die symbolische Bedeutung des Todes infrage stellen.

Zudem steht die künstlerische Integrität auf dem Spiel. KI simuliert kreative Prozesse, ohne Bewusstsein, Erfahrung oder Intention. Damit verschwimmt die Grenze zwischen Kunst und technischer Reproduktion. Künstler drohen darauf reduziert zu werden, bloße Anwender algorithmischer Prozesse zu sein.

Miyazaki: Widerstand gegen KI-Kunst

Einen bewussten Kontrast zur digitalisierten und KI-gestützten Filmproduktion bildet das japanische Animationsstudio Studio Ghibli. Regisseur Hayao Miyazaki, der als zentrale kreative Figur des Studios gilt, setzt weiterhin auf traditionell handgezeichnete Animation und betont den menschlichen Beitrag zum künstlerischen Schaffensprozess.

In einem Interview äußerte er sich scharf gegen KI-generierte Kunst: Diese Technologie sei „eine Beleidigung des Lebens selbst“, sagte er und kritisierte die emotionale Leere maschinell erzeugter Bewegungen. Ein aktueller Skandal unterstreicht diese Haltung. Als eine KI versuchte, den typischen Ghibli-Stil zu kopieren und eigene Bilder im Stil ihrer bekannten Filme zu generieren, kam es zu heftiger Kritik. Fans und Künstler warfen den Entwicklern vor, künstlerisches Erbe zu instrumentalisieren, ohne dessen geistigen und emotionalen Wert zu verstehen.

Bilder in den „Ghibli-Stil“ umgewandelt, Quelle: Zeneca

Der anhaltende Erfolg von Studio Ghibli legt nahe, dass weiterhin ein Interesse an analogen, handwerklich produzierten Ausdrucksformen besteht. In einem medientechnologisch zunehmend automatisierten Umfeld wird die bewusste Imperfektion und individuelle Handschrift in der künstlerischen Gestaltung vielfach als Qualitätsmerkmal wahrgenommen.

Zwischen Ersetzung und Zusammenarbeit

Die Frage, ob der Mensch durch KI als Künstler ersetzt wird, ist nicht nur technisch, sondern auch philosophisch. Die gegenwärtige Entwicklung zeigt, dass KI enorme Potenziale in Effizienz, Innovation und Experimentierfreude birgt. Doch sie kann bisher keine Intuition, kein Mitgefühl, keine echte Lebenserfahrung ersetzen.

Die wahrscheinlichste Zukunft? Kein kompletter Ersatz des Menschen, sondern eine neue Form der Kooperation. KI kann Werkzeuge bereitstellen, analysieren und inspirieren, doch der kreative Impuls, das emotionale Verständnis, die moralische Reflexion bleiben beim Menschen. Der Film der Zukunft wird vielleicht nicht allein von Mensch oder Maschine gemacht, sondern gemeinsam.

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Text: Fabienne Meitz, Titelbild: Marco Verch, YouTube-Videos: Waymark, TikTok: lilmiquela, X-Beitrag: Zeneca

<h3>Fabienne Meitz</h3>

Fabienne Meitz

ist 2003 geboren und studiert Medienmanagement mit marketingorientierter Vertiefung an der Hochschule Mittweida. Bei medienMITTWEIDA ist sie seit 2025 als Redakteurin tätig. Sie beschäftigt sich vor allem mit Videospielen und Büchern.