Kommentar: Facebook muss nicht zittern

von | 29. September 2010

Ein neues Social-Network soll den perfekten Datenschutz bieten und Facebook Konkurrenz machen. Von der Idee begeistert, spendeten Internetnutzer über 200.000 US-Dollar für die Entwicklung. Der idealistischen Idee mangelt es bisher aber an Umsetzung.

Ein Gespräch über Facebook endet zumeist unweigerlich mit dem totschlagenden Argument des unzureichenden Datenschutzes. Das weltweite, enorme Wachstum des sozialen Netzwerks zieht einen riesigen Privatsphäre-Medienhype nach sich. Dies haben sich vier Studenten aus Amerika zunutze gemacht und stellten auf einerSeite für Unternehmensgründer„Diaspora“ vor. Das erste dezentrale, offene Social-Network soll es werden. 10.000 Dollar Startkapital benötigten die Studenten für die Umsetzung des Projektes. Begeistert von der Vision spendeten 6.479 Internetnutzer 200.641 US-Dollar.

Die Grundidee hinter Diaspora ist die der sogenannten „Seeds“: Jeder Nutzer hat die Möglichkeit, seinen eigenen persönlichen Webserver mit all seinen Informationen, Bildern und Videos zu erstellen. Er kann entscheiden, wie viel er mit seinen Freunden teilen möchte und was lieber der Öffentlichkeit verborgen bleibt. Volle Kontrolle über die eigene Online-Identität möchte Diaspora seinen Nutzern bieten.

Eine Facebook-Kopie?

Doch kann ein vollkommen offenes und dezentrales Netzwerk den Anforderungen und unbewussten Wünschen des Durchschnitts-Nutzers gerecht werden? Die Menschen lieben und hassen Facebook aufgrund seiner Funktionen, immer am Grat zwischen sozialem Austausch und Daten-GAU. Auch wenn die Nutzer sich lautstark für die Privatsphäre-Kontrolle einsetzen, wollen sie trotzdem Informationen mit ihren virtuellen Freunden teilen und dies möglichst unkompliziert. Auf Funktionen verzichten, die es bereits auf Facebook gibt, das möchte kaum jemand.

Dies haben die Diaspora-Macher erkannt und so ist es kaum verwunderlich, dass die frühe Alphaversion des Netzwerkes das gleiche wie Facebook bietet, nur weniger. Fotos-hochladen und ein Newsstream sind vom großen Bruder bekannt. Freunde können in Kategorien eingeordnet, nervende Nutzer ignoriert oder blockiert werden. Viel mehr Funktionen gibt es noch nicht. Es handelt sich schließlich auch um eine sehr frühe Alphaversion.

Doch wird ein Facebook-Klon sich durchsetzen können, dessen einziger Vorteil eine idealistische Datenschutzvorstellung ist? Da muss Diaspora noch mehr eigenständige Ideen bieten. Wo mit Facebook-Places bereits die nächste, zugegeben wenig innovative aber spannende Anwendung ansteht, wird es ein neues Netzwerk nicht leicht haben.

Grundlegende Probleme

Die maßgeblichen Erfolgsfaktoren seines Konkurrenten bietet Diaspora bisher nicht. Es könnte schon an einigen einfachen konzeptionellen Punkten scheitern: Der Großteil der 500 Millionen Facebook-Nutzer würde schon bei den Worten Server, Seed und Hosten das Interesse an dem Netzwerk verlieren. Die breite Masse wird so nur schwerlich zu begeistern sein. Der Ausweg könnte ein Programm sein, das in einer finalen Version von Diaspora die benötigten Einstellungen vornimmt und einen eigenen Server einrichtet. Nun hat Facebook einen nicht geringen Anteil seines Erfolges der einfachen Zugänglichkeit zu verdanken. Eine Programminstallation, wäre sie auch noch so einfach, ist immer eine Hürde. Externe Hoster könnten dem technisch weniger versierten Nutzer, ähnlich eines E-Mail-Kontos, ihre Server zur Verfügung stellen und somit eine komplizierte Einrichtung ersparen. Die persönlichen Daten lägen dann aber wieder bei einem externen Anbieter. Was bliebe wäre ein Facebook-Klon mit weniger Funktionen.

Das Haupt- und einzige Argument für Diaspora ist im Moment die Selbstbestimmung über die eigenen Daten. Dass ein Kopieren von Facebook und eine Marketingstrategie mit dem Schwerpunkt auf Privatsphäre nicht automatisch zum Erfolg führen, dürften aber auch gerade die VZ-Netzwerke in Deutschland bestätigen.

<h3>Tom Rosenkranz</h3>

Tom Rosenkranz