Kommentar: Fernsehpreis unterbietet Dschungelcamp-Niveau

von | 26. September 2011

Wenn öffentlich-rechtliche und private Sender gemeinsame Sache machen, besteht immer Konfliktpotenzial. Nachdem die Nominierungen für den diesjährigen Deutschen Fernsehpreis bekannt gegeben wurden, wird erneut klar, dass sich die Produktionen der unterschiedlichen Sender in den einzelnen Kategorien kaum glaubwürdig zusammen abbilden lassen.

„Das Dschungelcamp“ hat es dieses Jahr scheinbar überall hin geschafft. An die Spitze der Quotentabellen, in die Schlagzeilen der Printmedien, in alle Münder der unterhaltungsbegierigen TV-Zuschauer und zu guter letzt auch auf die Nominierungsliste des „Deutschen Fernsehpreises“. In der Kategorie „Beste Unterhaltung“ tritt „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ gegen den „Eurovision Song Contest“ und die Tanzshow „Let’s Dance“ an. Aber Moment: wie kann die menschenunwürdige Promiblamage ohne Ekelgrenze tatsächlich mit dem aufwendig produzierten, international gefeierten Musikshowevent konkurrieren?

Neues System?

Fraglich ist das Zusammentreffen der unterschiedlichen TV-Formate in einigen Kategorien. So treten beispielsweise für die „Beste Sportsendung“ die Übertragungen des Boxkampfes zwischen Wladimir Klitschko und David Haye bei „RTL“ und des Frankfurt-Marathons im „Hessischen Rundfunk“ gegen das wöchentlich ausgestrahlte WDR-Magazin „Sport Inside“ an. Die Vermischung von einmaligen Live-Events und regelmäßiger Berichterstattung ist nicht nur für die Zuschauer verwirrend, sondern gibt auch keine klare Richtlinie für die Produzenten vor. Die Kategorien sollten klarer definiert und voneinander abgegrenzt werden.

Dass die Stifter-Sendeanstalten „ARD“, „ZDF“ , „RTL“ und „Sat.1“ verschiedene Leitlinien verfolgen und somit ein anderes Publikum ansprechen wollen, ist kein Geheimnis. Aufgrund dieser unterschiedlichen Zielgruppen gibt es aber keine Basis, auf der alle Produktionen verglichen werden könnten. In Vergessenheit scheint die Arbeit geraten zu sein, die für das alltägliche Fernsehprogramm hinter den Kameras geleistet wird. Wie im vergangenen Jahr werden die Kategorien Regie, Kamera, Schnitt, Ausstattung, Buch und Musik nur noch in der Gruppe und nicht mehr individuell gewürdigt – offiziell um die Verleihung für den Zuschauer interessanter zu gestalten.

Quoten über Qualität

Fakt ist, dass Trash-Sendungen wie „Das Dschungelcamp“ Spitzenquoten vorweisen, die für sich sprechen. Jeder wusste über den neuesten Schlagabtausch und die brisantesten Peinlichkeiten aus der Wildnis bescheid. Die Gier nach niveaulosem Fernsehspaß ist größer, als es sich das qualitätsbewusste Anstandspublikum eingestehen möchte. Dennoch widerspricht die Nominierung dem Ansatz des Fernsehpreises, der sich damit an Quoten und nicht an der Qualität des deutschen TV-Programms orientiert. Wenn der „Deutsche Fernsehpreis“ künftig wieder dem Statut „der gemeinsamen Verpflichtung zur Förderung der Qualität der Fernsehprogramme“ folgen soll, so müssen die Stifter über eine Reformierung der Auswahlkriterien nachdenken.

<h3>Nadja Rußig</h3>

Nadja Rußig