Kommentar: „Spastic Island“

von | 1. Dezember 2009

Zurzeit läuft in Großbritannien eine Serie über sechs behinderte Menschen, die auf einer einsamen Insel ums Überleben kämpfen müssen. Die Handlung ist rein fiktiv und soll die Meinung des Zuschauers über Behinderte verändern.

„Cast Offs“ bedeutet so viel wie Verstoßene und beschreibt gleichzeitig grob den Inhalt der sechsteiligen Serie. Sechs Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen werden auf einer unbewohnten Insel ausgesetzt und müssen im guten alten „Survival-Stil“ die Zeit auf dem Eiland verbringen. So sieht das Grundgerüst der Handlung aus. Die Charaktere sind Schauspieler, die aber allesamt auch die Behinderungen haben, die sie in der Serie verkörpern.

Die im Mockumentary-Stil gedrehte Serie möchte behinderte Menschen auf einer anderen Art und Weise zeigen, als es bisher im Fernsehen meist gang und gäbe war. Dort sind sie meist die verbitterten, traurigen und somit mitleiderregenden Menschen. In „Cast Offs“ machen sie das, was andere, nicht behinderte Menschen auch machen. „Man zeigt uns als Erwachsene, die trinken, fluchen und Sex haben“, bringt es die Schauspielerin Victoria Wright auf sueddeutsche.de passend auf den Punkt. Sie spielt April in der Serie und leidet an Cherubismus, einer sehr seltenen Krankheit, die eine schwere Entstellung des Gesichts zur Folge hat.

Verhältnis zu Behinderten soll sich verbessern

Besonders oft lassen die Autoren die Darsteller sich über ihre eigenen Behinderungen lustig machen. Beispielsweise stellen sich die sechs neuen Inselbewohner einander in der ersten Folge jeweils als Affen mit bestimmten Eigenschaften vor. So kommt es, dass der blinde Tom sich als Affe bezeichnet, der nichts Böses sieht. Was schließlich auch in gewisser Weise der Wahrheit entspricht. Die drei Autoren der Serie, von denen zwei selbst behindert sind, legen großen Wert darauf, dass „Cast Offs“ die in Mode gekommenen Reality-TV-Formate und nicht die Behinderten an sich parodiert. Jede komisch anmutende Szene der Darsteller hat einen gewissen Zweck und soll zu einem unverkrampften Verhältnis des Zuschauers mit den behinderten Menschen führen.

Von solchen Szenen gibt es in der Serie eine ganze Menge. Zum Beispiel wenn der querschnittsgelähmte Dan in einem Rückblick gezeigt wird, wie er eine Bekanntschaft aus einer Bar für eine Prostituierte hält, weil sie sich mit ihm abgibt, was für ihn scheinbar ansonsten undenkbar wäre. Oder wenn der blinde Tom in einer Bar sofort bemerkt, wie sein Kumpel ihm sein Bier wegschnappt, um daraus zu trinken.

Ein gelungenes Experiment

Leider verschenkt „Cast Offs“ mit seiner eigentlichen Haupthandlung einiges an Potential. Die Geschichten auf der Insel erreichen bei weitem nicht die Wirkung, wie es die Rückblicke der einzelnen Charaktere auf dem Festland schaffen. Das Umfeld der Insel ist einfach zu fern, um dazu eine ordentliche Verbindung aufzubauen. Würde die Gruppe in einer gemeinsamen Handlung auf dem Festland agieren, wäre das ganze realitätsnaher. So würde der Zuschauer normale Lebenssituationen sehen, die dem Großteil auch bekannter wären.

Die Serie wird es aber trotzdem schaffen, dem einen oder anderen Zuschauer die Scheu vor dem Umgang mit Behinderten zu nehmen. Dafür sorgen schon allein die Rückblicke, die guten und aufgrund ihrer eigenen Behinderungen authentischen Schauspieler, sowie die Autoren, die aufgrund ihrer Handicaps wissen, in welche Wunde sie ihre Finger legen müssen. Wenn die sechs Darsteller am Ende der ersten Folge am Lagerfeuer lauthals und fröhlich auf ihr „Spastic Island“ anstoßen, dann verfehlt das sicherlich nicht seine Wirkung. „Cast Offs“ ist ein gelungener Versuch, Behinderte im Fernsehen in einer anderen Art und Weise zu zeigen, als es bisher üblich war.

<h3>Oliver Schleicher</h3>

Oliver Schleicher